SUR AUSTRU - Datura Strahiarelor
Mehr über Sur Austru
- Genre:
- Dark Folk / Atmospheric Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Avantgarde Music
- Release:
- 30.08.2024
- Aratarea
- Stransura
- Salba Hiara
- Cele Rele
- Cele Brune
- Farmacarea
- Afurisirea
- Imparecherea
- Ispravirea
Progressiv, folkloristisch, smyphonisch. Mit SUR AUSTRU auf Exkursion in den sagenhaften Karpaten.
Wenn eine Lieblingsband aus Gründen das Zeitliche segnet, ist das für die zurückbleibende Fan- und Hörerschaft ja für gewöhnlich immer erst einmal ein mittelschwerer Schlag ins Kontor, da sind wir Musikliebenden und positiv Verrückten uns wohl alle einig. Wenn aber, wie im Falle NEGURA BUNGET geschehen, aus einer Bandauflösung im Gegenzug zwei neue und eigenständige Kollektive entstehen, die sich im künstlerischen und geistigen Sinne zwar weiter auf die einstige Stammformation berufen und dieses Erbe gebührend weiterführen, aber musikalisch doch unterschiedlich agieren und andere Ansätze verfolgen, fällt die Trauer über die verblasste Band fraglos wohl ein wenig reduzierter aus.
Wir sprechen hier zum einen von DORDEDUH und zum anderen von SUR AUSTRU, deren drittes (Konzept-)Album "Datura Străhiarelor" es hier nun zu besprechen gilt. Da ich der rumänischen Sprache leider nicht mächtig bin, bediene ich mich vorab gerne beim entsprechenden Pressetext, der das lyrische Sujet wie folgt beschreibt: "Datura Străhiarelor ist rumänisch für "Das Geschenk der Vogelscheuchen" und ist ein Konzeptalbum, das sich auf die Apokalypse konzentriert, die von magischen Wesen aus der rumänischen Mythologie ausgelöst wird. Ihre Zaubersprüche durchbrechen das Tor zwischen der fantastischen und der realen Welt, durch das uralte Bestien dringen und die Menschheit vernichten." So viel also grob zum textlichen Konzept, welches aus der Feder des Dichters Călin Miclauș stammt, der sämtliche Texte für das Album verfasst hat.
Im Vergleich zu den ebenfalls sehr delikaten ersten beiden Alben der Band ist die musikalische Grundausrichtung hier aber definitiv eine deutlich komplexere und progressivere. 'Aratarea' entführt den Hörer anhand einer spannungsgeladenen Erzähler-Intro, dem Gebrauch der üblichen traditionellen rumänischen Instrumente wie Flöte, Hackbrett sowie dezenter, begleitender Synthie-Klänge schnurstracks in das von Kobolden, Geistern und anderen Fabelgestalten bevölkerte Reich der sagenumwobenen Karpaten. 'Stransura' lässt dann keinerlei Zweifel offen, dass die Ursprünge der Band im atmosphärischen folkbeeinflussten Black Metal liegen. Kraftvolle, flirrende Gitarren und stimmungsvolle Keyboarduntermalung mit dem feinen Gespür, im passenden Moment einen ruhigen Part einzuschieben. So kenne und liebe ich meine rumänischen Natur-Metaller.
Als kleines Zwischenspiel fungiert dann 'Salba Hiara': Donnergeräusche, hypnotisierende Flötentöne, bedrohliche Keyboardklänge und über allem thronend Tibor Katis narrative Sprechstimme. Gerne wäre ich in diesem Moment rumänischer Muttersprachler oder würde alternativ wenigstens auf eine entsprechende Übersetzung zurückgreifen können, muss mich aber auch im Folgenden wohl oder übel mit der Musik begnügen. Mit 'Cele Rele' folgt ein erstes richtiges Highlight des Albums, zeigt der Song hier doch eindrücklich, wie kompositorisch vielschichtig und geradezu polyphon SUR AUSTRU im Songwriting mittlerweile zu Werke geht. Auch Drummer Sergiu Nădăban hat enorm an seinen Fähigkeiten gefeilt und veredelt die ohnehin schon starken Songs durch sein extrem vertracktes und akzentuiertes Schlagzeugspiel in ganz erheblichem Maße.
Mit 'Cele Bune' kommt dann ein weiteres Monster von Song um die Ecke. Das Gitarrengespann um Tibor Kati und Mihai Florea leistet hier ebenfalls ganz vortreffliche Arbeit und setzt hinsichtlich progressiver Musik im buchstäblichen Sinne des Wortes Maßstäbe, an denen sich so mach andere genreähnliche Band zukünftig wird messen lassen dürfen. Symphonische und komplexe, aber nie überfordernde Songpassagen gehen hier auf ganz harmonische Weise Hand in Hand und wie der Song letzten Endes aufgelöst wird und in einer bezaubernden von Keyboards begleitenden Flötenelegie mündet, ist einfach nur grandios. Das folgende 'Farmacarea' dürfte dem einen oder anderen Interessierten bereits als Vorab-Track bekannt gewesen sein. In doomesker Grundausrichtung wird hier erstmals dauerhaft der Fuß vom Gaspedal genommen. Unheildrohende Melancholie bestimmt den Charakter des Stückes, welches sich zum Ende hin in ein immer schneller werdendes von Percussions und Flöten dominierendes unheimliches Gefühl von alten Riten und bösartigen Kräften ergießt.
Die kleine Verschnaufpause soll allerdings nicht lange währen, denn 'Afurisirea' eröffnet sogleich mit krachenden Blastbeats. Im weiteren Songverlauf fällt mir dann jedoch auf, dass mich hier doch eine Kleinigkeit stört. Für meine Ohren hätte man es mit der symphonischen Untermalung nicht ganz so übertreiben müssen. Einiges wirkt an der einen oder anderen Stelle dann noch ein wenig zu überfrachtet und erinnert gelegentlich an EMPEROR und DIMMU BORGIR. Hierbei beziehe ich mich jetzt ausdrücklich nur auf das Einsetzen symphonischer und orchestraler Elemente. 'Imparecherea' mutet an wie eine Reprise im klassischen Sinne, bevor die Band im Abschlusstrack 'Ispravirea' noch einmal alle Register ihrer Songschreibkunst zieht. Prog-Rock-artiger Einstieg, schwindelerregende Breaks, unvorhersehbare Tempowechsel, atmosphärische Gitarrenwände, mitreißendes und irrwitzig abgefahrenes Extremdrumming, wundervolle Gitarrenleads, wohlig einlullende Flötenmelodien...
"Datura Străhiarelor" ist einfach eine unfassbar gute Platte geworden. Die Symbiose aus kraftstrotzendem Gesang und komplexer, folkloristischer Instrumentierung, sowie das Schöpfen aus den eigenen kulturellen Wurzeln und Überlieferungen ergibt summa summarum ein in jeglicher Hinsicht packendes, meditatives und spannungsvolles Werk, welches in kreativer Hinsicht Grenzen sprengt und sich über gängige (Genre-)Konventionen hinwegsetzt. Es wird, wie in meinem Fall auch, möglicherweise einige Zeit brauchen, bis man einen inneren und dauerhaften Zugang zu dem Werk gefunden hat. Doch jeder Hördurchlauf ist, wie bei allen brillanten und die Zeit überdauernden Musikalben, bekanntlich auch die Erkundung und den Weg dorthin allemal wert. Gerade wenn er durch solch fabelhafte Gefilde führt, wie sie auf dem Album besungen werden.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Lenze