SYBREED - Slave Design
Mehr über Sybreed
- Genre:
- Future Fusion Metal
- Label:
- Reality Entertainment / Sony
- Release:
- 07.09.2004
- Bioactive
- ReEvolution
- Decoy
- Synthetic Breed
- Next Day Will Never Come
- Machine Gun Messiah
- Take The Red Pill
- Rusted
- Static Currents
- Critical Mass
- ReEvolution (Syntax Airplay Edit)
- Decoy (Radio Slave Edit)
Die Menge der großen schweizerischen Metalbands lässt sich bequem an einer Hand abzählen: CELTIC FROST, SAMAEL, vielleicht noch CATARACT... na ja und dann wird es auch schon langsam dünn. Doch mit der jungen vierköpfigen Alpencombo SYBREED haben unsere neutralen Nachbarn nun endlich wieder eine Band am Start, die auch auf lange Sicht noch einiges abräumen könnte.
Das Hauptproblem: Noch kennt kaum jemand das Quartett, zumindest nicht in unseren Gefilden. Denn interessanterweise haben SYBREED mit ihrem 2004er Debütalbum "Slave Design" schon eine äußerst erfolgreiche US-Tour hinter sich. Dabei ist das Album zum Beispiel in Deutschland noch gar nicht offiziell erschienen. Verkehrte Welt also. Nichtsdestotrotz haben SYBREED Aufmerksamkeit verdient, denn wer sich mal die Mühe macht in "Slave Design" reinzuhören, bekommt als Belohnung eine zwar sehr moderne, aber ebenso druckvolle wie variantenreiche Fusion-Metal-Platte vor den Latz. Fusion-Metal? War das nicht ein Begriff, den die Dänen MNEMIC anno 2003 prägten? Exakt, und der Vergleich ist nicht soweit her geholt. Aber werden wir mal konkret.
SYBREED setzen auf Modernität. Egal in welchem Bereich. Das Coverartwork greift das von FEAR FACTORY & Co. bereits gut in Szene gesetzte Thema Menschmaschine wieder auf, und auch inhaltlich bleibt sich "Slave Design" treu. Passenderweise schaffen es SYBREED das Thema musikalisch noch stimmiger umzusetzen, als das die Kollegen der Angstfabrik letztens vermochten. Ihr Sound setzt sich aus frostigen, sphärischen Synthies, mechanisch-drückenden Gitarren, aggressivem Drumming und Vocals zusammen, die in einem Moment jeder Metalcore-Truppe Angst einjagen würden und im nächsten warm und voll wunderschöne Melodien vortragen. Das Konzept ist grundlegend nicht neu, aber auf "Slave Design" so liebevoll und vollendet umgesetzt, dass sich SYBREED nicht vorwerfen lassen müssen eine Kopie zu sein. Man bedient sich zwar offensichtlich an Versatzstücken von MNEMIC, MESHUGGAH oder auch FEAR FACTORY, all dies jedoch in einem völlig neuen Zusammenhang. Das Endergebnis ist kalter, moderner Metal in Reinform, der mich bereits beim ersten Hören voll in seinen Bann gezogen hat.
Die besondere Stärke von SYBREED ist die Kombination von Unerwartetem. An Stellen, an denen das unaufhaltsam vorwärts stampfende Soundkostüm mit seinen Stakkato-Riffs eigentlich Hate-Vocals ohne Ende fordert, erlaubt es sich Vocalist Ben absolut hypnotisch und unbeirrt seine Zuckermelodien zu singen und schafft es anderer Stelle, Emotionen so melodisch heraus zu schreien, dass man am liebsten mit leiden möchte. Diese markanten Erfahrungen ziehen sich vom Opener 'Bioactive' an durch die gesamte Platte. Die Produktion ist dabei seltsam hohl, im positiven Sinne. Der Sound ist zwar sehr druckvoll, aber er erschlägt den Hörer nicht, sondern hüllt ihn ein und lässt ihn schweben. Natürlich nicht ohne ihn trotzdem mal ab und zu richtig durchzuschütteln. SYBREED erzielen damit trotz des völlig anderen Stils einen ähnlich surrealen Effekt wie die EBM-Legende FRONT LINE ASSEMBLY, kombiniert mit der erdrückenden Komplexität von MESHUGGAH. Denn auch deren Taktspielereien findet man in milderer Form immer mal wieder.
Aber wenden wir uns mal den Songs im Einzelnen zu: Zum großen Teil setzen SYBREED das Tempo hier sehr hoch an (bestes Beispiel: 'Machine Gun Messiah'). Der Grundaufbau von geshouteten Strophen und cleanen Refrains wird regelmäßig aufgebrochen, verdreht, ergänzt und dann noch mal komplett verändert. Somit sind einige Songs trotz ihrer eingängigen Passagen erstmal nur schwer zu erfassen. Der 5-Minuten-Brecher 'Decoy' etwa, der nicht mal sonderlich aggressiv ist, aber sehr komplex aufgebaut wurde. Die markanten Melodien sorgen jedoch dafür, dass der Song sofort hängen bleibt, wenn auch nicht am Stück. Und das passiert beim ersten Durchlauf mit einigen Songs. 'Rusted', 'Next Day Will Never Come' oder 'Synthetic Breed' (für das SYBREED die Abkürzung ist) fräsen sich einfach ins Hirn, ob man will oder nicht. Der wahre Ohrwurm und auch der mitreißendste Song der Platte ist 'ReEvolution'. Der Chorus ist pures, episches Leid, das einen die Welt um sich herum vergessen lässt. Die Strophen werden nur durch einen Stimmverzerrer geflüstert und lassen somit Platz für den Refrain, sich voll zu entfalten. Und im Normalfall wird man sich diesen Hammer gleich noch mal anhören.
Obwohl SYBREED ihren technoiden Stil wie eine Maschine durchziehen, brechen sie immer wieder mal aus dem Schema aus. Spätestens bei 'Critical Mass', dem eigentlich letzten Song des Albums, gewinnt die Melodie endgültig die Oberhand und präsentiert ein Gänsehautstück, das sich gewaschen hat. Und das lässt sich wunderschön in das Menschmaschinen-Thema hinein interpretieren. Die gesamte Scheibe über ist die Hin- und Hergerissenheit zwischen Humanität und Maschine deutlich zu spüren, das Chaos ist offenbar. Doch am Ende scheint die menschliche Seite die Oberhand zu behalten ("Obsolete"?). "Slave Design" als Konzeptalbum darzustellen wäre übertrieben, aber zumindest trägt es Spuren einer thematischen Grundidee.
Mit dieser Platte wäre mir absolutes Gold entgangen, hätte ich sie verpasst. Und aus den Reaktionen aus meinem Umfeld schließe ich, das jeder, der den modernen Sound von MNEMIC, MESHUGGAH & Konsorten mag, mir nach dem Genuss von "Slave Design" zustimmen wird.
Anspieltipps: ReEvolution, Decoy, Next Day Will Never Come, Critical Mass
- Redakteur:
- Dennis Hirth