TEARS OF ANGER - Still Alive
Mehr über Tears Of Anger
- Genre:
- Prog Melodic Metal
- Label:
- Lion Music
- Release:
- 28.06.2004
- The Awakening
- Still Alive
- Afraid Of The Dark
- Sword Of Sorrow
- Nightmare
- Moment Of Truth
- Revenge Will Come
- Watch Me Run
- Walk Away
- Kings Call
- Who I Am
Welche Musik käme heraus, wenn THRESHOLD die Songs schreiben würden, DEF LEPPARD oder VAN HALEN für den Chorus zuständig wären und MALMSTEEN sich herabließe, einige Riffs beizusteuern? Ihr ahnt es schon – natürlich sowas wie TEARS OF ANGER. Die schwedische Kapelle um die beiden Brüder Benny und Björn Jansson hat sich dem progressiv orientierten Melodic Metal verschrieben, der jedoch klar homogene Songstrukturen in den Vordergrund stellt und fast ganz ohne Frickelei auskommt. Das Wort Prog behält hier trotzdem seine Geltung, weil die Musik häufig von ungewöhnliche Takten und neoklassizistischem Riffing geprägt wird. Es kommt aber auch vor, dass die Band einfach nur nach vorne stampft. Melodische Refrains und eine gesunde Härte halten sich die Waage, wobei TEARS OF ANGER erklärtermaßen das Ziel haben, dunkel angehauchten Metal und AOR miteinander zu verbinden.
Benny Jansson ist in Schwedens Musikerkreisen kein Unbekannter und genießt dort einen sehr guten Ruf als Gitarrist, Soundtechniker, Produzent und Gastmusiker. Seine erste CD-Veröffentlichung gab es bereits Anfang der Neunziger mit der Gruppe TWO ROCKS. Danach veröffentlichte er mehrere Solo-Alben, von denen das letzte "Save The World" im Jahre 2002 erschien und mit dem ehemaligen MALMSTEEN-Vokalisten Goran Edman aufgenommen wurde. Drummer Daniel Flores und Bassist Johan Nieman musizieren sonst bei den Proggern von MIND’S EYE. Der Name Johan Nieman dürfte vielen bekannt sein, da er außerdem seit der "Deggial" seinen Bass bei THERION brummen lässt. Die Idee zu TEARS OF ANGER kam Benny Jansson wohl auch schon vor längerer Zeit, aber sie ließ sich durch einige Unbilden des Musikgeschäfts bislang nicht verwirklichen.
Nun haben es die beiden Brüder doch geschafft und ein Album vorgelegt, das ein paar Lauscher wert ist. Die Musiker legen dabei mehr Wert auf eingängige Songs als auf alles andere. Das zeigt sich schon darin, dass die Tracks durchweg zwischen drei und fünf Minuten Länge aufweisen. Das ergibt im Endeffekt nur eine Spielzeit von zweiundvierzig Minuten, was bei den heutigen CD-Preisen einfach zu wenig ist. Wenigstens ein etwas längerer Track hätte dem Album sowieso ganz gut zu Gesicht gestanden.
Aber genug gemeckert – schließlich soll die Musik im Vordergrund stehen. Gleich zu Anfang lässt ein ungewöhliches, wuchtiges Riffing aufhorchen, das 'The Awakening' einen leicht schrägen Touch verleiht. Der Refrain kommt dagegen mit einer catchy Melodie daher, die zum Mitsummen einlädt. In fast allen Tracks setzen TEARS OF ANGER dabei auf einen mehrstimmigen harmonischen Gesang. Auf Keyboards verzichtet die Band dagegen weitgehend, aber ein paar synthetische Klänge – vermutlich gesampelt – werden hinundwieder in den Sound integriert. Der Gesang von Björn Jansson bewegt sich in den sicheren Gefilden des gehobenen Melodic Metal: Hell, melodiös, aber manchmal auch rauh, umschifft er gekonnt die Klippen eunuchenhafter Eierzangenkneiferei und anderer Stolpersteine. Die Gitarre von Benny Jansson setzt mit den feinen symphonischen Soli zusätzliche typische Akzente im Sound der Schweden.
In diesem Rahmen bewegen sich TEARS OF ANGER während der gesamten Laufzeit der CD. Ein paar Höhepunkte lassen sich trotzdem herausheben. Neben 'The Awakening' wäre da noch das mit einer epischen Melodie versehene 'Sword of Sorrow'. Hier orientiert sich die Gruppe deutlich an den pathetischen Höhenflügen des Fantasy Metal. Heroische Stimmung verbreitet auch 'Kings Call', wobei die Machart doch etwas erdiger ist als bei 'Sword Of Sorrow', sprich: die Musik stampft schnurstracks in Richtung Schlachtfeld. Ähnlich mächtig kommt auch 'Moment Of Truth', während 'Revenge Will Come' sowohl vom Songwriting als auch vom Gitarrenspiel an YNGWIE MALMSTEEN erinnert. Erwähnenswert ist 'Watch Me Run', das aufgrund der vertrackten leicht funkigen Rhythmik und des groovigen Riffs sehr modern wirkt.
TEARS OF ANGER liefern also ansprechendes Futter für den Freund edler metallisch glänzender Melodiösität. Der ganz große Wurf ist ihnen mit diesem Album allerdings nicht gelungen. Dafür fehlen stellenweise noch die besonders prägnanten Momente und die wirklich herrausragend arrangierten Songs. Die Band weist aber schon genug Ansätze in dieser Richtung auf, so dass eine Steigerung für die Zukunft sehr wahrscheinlich ist. Wenn das Presseinfo prahlerisch verkündet: "This is Melodic Metal like you never heard before", stellt das nur wieder einen der nervigen Zwänge unserer öden Werbewelt dar, die wirklich jede Sache als die neue große Sensation ankündigen muss. Fernab solcher Übertreibungen bleibt "Still Alive" ein solides Metal-Album mit handwerklich hervorragenden Musikern und hat somit seine Berechtigung.
Anspieltipps: The Awakening, Sword of Sorrow, Watch Me Run, Kings Call
- Redakteur:
- Jörg Scholz