TENOCHTITLAN - Epoch Of The Fifth Sun
Mehr über Tenochtitlan
- Genre:
- Ethno Ambient / Funeral Doom
- Label:
- Metalism / Russland-Import
- Release:
- 27.04.2006
- Venus Rising
- Sun Winds
- 1 366 560
- Secrets Of Pacal And Virakochi
- Ya Cham-El A-Em-Aan
- Teotihuacan
- Morning Ghosts Of Tikal
- Roads To Kopan
- The Hymn Of Huitzilopochtli
Die meisten von euch dürften wissen, dass Tenochtitlán die Hauptstadt der alten Azteken in Mexico war. Das wirft die Frage auf, welche Art von Musik denn nun eine russische Band unter eben diesem Namen - TENOCHTITLAN - zelebrieren wird. Selbst bezeichnen die Herrschaften ihren Stil als meso-amerikanischen ethnischen Doom, was ja schon irgendwie eindrucksvoll klingt. Doomig ist die Stimmung auch durchaus, das Album befasst sich textlich mit der Geschichte der alt-amerikanischen, präkolumbischen Hochkulturen der Azteken, Mayas und Inkas, und auch musikalisch greift das Quartett aus Osteuropa viele Motive auf, die wir mit der Neuen Welt verbinden. Dazu gibt es neben der Hauptsprache Russisch auch Textpassagen und sogar ganze Texte in indianischen Sprachen, so dass der klangvolle Genrebegriff wohl durchaus seine Berechtigung hat.
Die Scheibe beginnt mit dem schönen sphärischen Intro 'Venus Rising', das von entrückten, spinett-artigen Keyboard-Klängen lebt, zu denen später eine schwer riffende Gitarre hinzutritt, die das Doom-Element unterstreicht und sehr trefflich in den monumentalen Opener 'Wetri Solitsa (Sun Winds)' überleitet, der von Eresh und Senmuth im Duett gesungen wird und so sehr klarem, elegischem Gesang einerseits und intensiven, aggresiveren, aber nicht allzu derben Shouts andererseits Raum lässt. Die Musik ist heavy, aber gleichwohl meditativ und ruhig. In ausgedehnten Instrumentalparts lässt Senmuth die Gitarre singen und wehklagen, dass es einem wohlige Schauer über den Rücken jagt, und all das in äußerst ungewöhnlichen, surrealen Klanggewändern, bis das Stück schließlich in Lauten verhallt, die an eine Panflöte gemahnen. Ein kurzes Instrumental von Senmuth leitet das zweite große Epos 'Secrets Of Pacal and Virakochi' ein, das stärker rhythmisch ausgerichtet ist und eine sehr finstre Atmosphäre erzeugt, die Senmuths äußerst dunkler Gesang ungemein verstärkt. Im Refrain bekommt dieser sogar noch eine etwas aggressivere Note. Allgemein erinnert das technoide Schlagzeug hinter all der Heaviness und den vielfältigen Arrangements deutlich an SAMAEL zu "Passage"-Zeiten, was unbedingt als Kompliment gemeint ist. Nach einem in seiner Länge etwas anstrengenden und marternden Instrumental von Lefthander entwickelt sich 'Teotihuacan' dann wieder in eine freundlichere Richtung und lässt auch Eresh mit seiner klareren Stimme wieder zu Wort kommen. Dazu gibt es akustische Arrangements und erneut flötende Synths. Die Gitarrenarbeit ist sehr eigenwillig und interessant, und der Dialoggesang zwischen Eresh und Senmuth ist erneut wirkungsvoll. Ein weiteres langes Instrumental aus der Feder von Eresh stellt die Geduld nochmal ein bisschen auf die Probe, bevor das heavy aber melodisch aus den Boxen kommende 'Roads To Kopan' einen dunklen doch fast tanzbaren Groove auf die Bretter zaubert, der sich irgendwo in der Schnittmenge aus Doom, mystisch-perkussivem Ethno-Dance und Techno bewegt. Das absolute Highlight haben sich die russischen Indianer jedoch auf den Schluss aufgehoben, den sie mit dem ellenlangen Meisterwerk 'The Hymn Of Huitzilopochtli' veredeln. Hier ist nach dem akustischen Tribal-Intro erstmals LeftHander für den Leadgesang zuständig, der so growlenderweise in eine noch dunklere und grimmigere Atmosphäre abtaucht. Das Stück selbst ist sehr aufwändig durcharrangiert und atmet purste Funeral-Doom-Atmosphäre, wobei die Gitarre rifftechnisch an sich nicht so sehr im Vordergrund steht. Dafür durchzucken schöne Soli die tief traurige und majestätische Atmosphäre, die vor allem auf den erhabenen Keyboards und dem interessant programmierten Computer-Schlagwerk fußt.
Wer sein Heil in straighter und eingängiger Musik sucht, ist bei TENOCHTITLAN definitiv falsch. Dazu geht die Truppe zu entrückt, spacig und komplex ans Werk. Die Musik von TENOCHTITLAN ist sehr eigenwillig, und eben deshalb so interessant. Wer auf sphärischen Doom steht und dazu auf diverse Tribal- und Ethno-Einflüsse abfährt, der liegt hier sicher goldrichtig, besonders wenn er dazu noch ein ausgeprägtes Interesse für die Geschichte des indigenen Amerikas mitbringt. Das Booklet zum Album ist - wie im Hause Metalism üblich - wunderbar aufgemacht und enthält viele schöne Fotos und Ornamente aus dem "Alten Amerika", speziell aus Mexiko und Peru. Etwas schade ist es, dass zu den Texten in Russisch und einem Maya-Dialekt keine englischen Übersetzungen gibt. Doch auch so ist der Trip in diese versunkene Welt sehr authentisch und bewegend. Musikalisch dürften sich in erster Linie Fans der weniger direkten und eingängigen Werke von SAMAEL und ORPHANED LAND angesprochen fühlen. Eine interessante Band, die es sich zu entdecken lohnt.
Anspieltipps: Sun Winds, The Hymn Of Huitzilopochtli
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle