TERRA ODIUM - Ne Plus Ultra
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2021
Mehr über Terra Odium
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Frontiers (Soulfood)
- Release:
- 11.06.2021
- Crawling
- The Road Not Taken
- Winter
- The Shadow Lung
- The Thorn
- It Was Not Death
- The Clouded Mourning
Unerwartetes Jahres-Highlight!
Das einzige Album des norwegischen Quintetts SPIRAL ARCHITECT, welches im Jahr 2000 unter dem Banner "A Sceptic's Universe" erschien, zählt bis zum heutigen Tag zu den Perlen des progressiven Metals. Es ist eine der wenigen Scheiben, die es bei stilistischer Ähnlichkeit mit der unendlichen Zauberkunst der Werke von PSYCHOTIC WALTZ aufnehmen kann. Leider ist die Band nach der Veröffentlichung in der Versenkung verschwunden, wobei einige der Akteure auch danach noch hochwertige Musik in anderen Bands veröffentlichen konnten. Allen voran natürlich Drummer Asgeir Mickelson, der unter anderem bei BORKNAGAR und IHSAHN in Erscheinung treten konnte. Ein weiteres Album unter der alten Flagge war in den letzten Jahren immer unwahrscheinlicher geworden und so war sicherlich nicht nur meine Kinnlade nahe dem Erdboden, als vor kurzer Zeit ein erster Song einer neuen Band namens TERRA ODIUM im Netz auftauchte. Ein Song, der ein heute nur selten aufkommendes Gefühl der totalen Begeisterung bei mir auslösen konnte. Wer sich nun nach dem Zusammenhang fragt, dem sei erklärt, dass bei TERRA ODIUM, neben Asgeir Mickelson auch noch der ehemalige SPIRAL ARCHITECT-Sänger Øyvind Hægeland zu hören ist. Des Weiteren haben wir Steve DiGiorgio am Tieftöner, Bollie Fredricksen, den Gitarristen aus Øyvinds' alter Band MANITOU, sowie Jon Phipps, der für Tasten und Orchestration zuständig ist. Wer Jon nicht kennt, darf gern mal bei Bands wie MOONSPELL, ANGRA, AMORPHIS oder auch HATESPHERE in den Booklets stöbern. Ich habe auch nicht schlecht gestaunt.
Aber was nutzen mir die namhaftesten Musiker, wenn im Endeffekt Musik entsteht, die mich nicht erreicht? Genau! Gar nichts! Von daher beende ich diese sachliche Aufzählung trockener Fakten und widme mich dem Bouquet der Notenkombinationen, welches meine Ohren auf "Ne Plus Ultra" umschmeichelt.
Schon die ersten Takte des einleitenden 'Crawling', welches bereits vorab digital veröffentlicht wurde, erzeugen diese wohligen Schauer der Freude, da ein gleichzeitig erschlagendes und trotzdem angenehm warmes Klangbild erzeugt wird. Vor allem die tiefen Tiefen, die transparent wummernden Lead-Bassläufe und die raumerfassenden Phipps-Sounds lassen das Groove-Monster sofort zu einem Jahreshighlight werden. Wenn ich jetzt von einem Groovemonster schreibe, sollte ich aber dazu erwähnen, dass trotzdem nicht an Frickeligkeit fehlt und der nach wie vor exzellente Gesang setzt dem Ganzen natürlich die Krone auf. So darf das gerne weiter gehen.
Geht es auch, denn 'The Road Not Taken' kommt dann gleich mit noch ehr Bombast um die Ecke, ohne dass es musikalisch irgendwie kitschig werden würde. Au contraire. Allein die verzappelte Rhythmik ist so tief im längst vergessen Genre Techno-Thrash verwurzelt, dass ich mich sofort heimisch fühle. Die Solopassagen flirren mir um die Ohren und auch hier sind Gesangslinien der rote Faden für den ungeübten Zuhörer.
'Winter' erinnert mich dann leicht an die göttliche Frühphase von HEAVENS CRY. Nach einem fulminanten Einstieg, beschreitet man hier eher besänftigende Wege und Mister Hægeland kann seine Qualitäten noch eindrucksvoller unter Beweis stellen. Erst in der zweiten Hälfte der Nummer wird dann der Härtegrat deutlich angezogen, ein ohrwurmelnder Chorus frisst sich tief in die Ohrrinde und alle Saiteninstrumente zwirbeln herrliche Eskapaden auf Parkett. Hatte ich erwähnt, dass in dem Song auch noch tiefe Hornbläser zum Einsatz kommen? Nicht. Bitteschön.
Nun folgt die mit fünfeinhalb Minuten Laufzeit kürzeste Nummer des Albums, namens 'The Shadow Lung'. Ein Überfallkommando für die Sinne von der ersten Sekunde an! Die immer wieder kurz eingestreuten abgestoppten Groovepassagen sorgen lediglich dafür, dass man in diesem Musik-Kosmos die komplett die Contenance verliert, denn wenn die Chöre über den solistischen Eskapaden der Saitenfraktion engelsgleich im Hintergrund erklingen, fragt man sich, ob dies die neue Definition von Breitwandsound ist. Monumental.
Was nun folgt ist in Wort und Bildern kaum zu schildern. Das knapp zwölf Minuten lange 'The Thorn' ist der groovende Bruder von 'Into The Everlow', dem Titelsong des zweiten PSYCHOTIC-WALTZ-Albums. Wie die Jungs hier über die gesamte Laufzeit mit der Dynamik variieren ist schlichtweg atemberaubend. Immer wieder gibt es spiralförmige Steigerungen, die beim Hören einen kurzzeitigen Ekstase-Zustand auslösen. Immer wieder wird mit ausgefallenen Melodieverläufen überrascht und der Mittelpart ist für mich das beste Stück Musik der letzten Jahre. Unfassbar, mit welchen Intensität hier musiziert wird. Muss man gehört haben!
Da man gerade so schön am Schweben ist, kommen die sanften Streicher im anschließenden 'It Was Not Death' gerade richtig. Diese Beinahe-Ballade ist ein musikalischer Ganzkörper-Entenparka, den man am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Bis auf recht überraschend kommende Monumentalkeule in der Mitte des Songs, wird man hier komplett eingelullt und kann sich wunderbar komplett der Musik hingeben.
Da erscheint das abschließende 'Clouded Morning' fast ein bisschen unspektakulär. Hierbei handelt es sich um den zweiten Song, der bereits vorab zu bewundern war. Wer ein bisschen Recherche im Netz betreibt, wird sogar ein Bass-Playthrough der Nummer von Steve aus dem Jahr 2016 finden. Offenbar wurde da schon länger im Verborgenen an dieser Großtat gewerkelt. Für sich betrachtet ist 'Clouded Morning' natürlich ein weiterer Song der Superlative, der alle vorher aufgelisteten Stilelemente noch einmal aufs Beste miteinander kombiniert.
Wie man meinen blumigen Worten hoffentlich entnehmen kann, bin ich restlos glücklich mit "Ne Plus Ultra" und denke, es ist nicht vorschnell, wenn ich jetzt schon behaupte, es hier mit meinem Jahressieger zu tun zu haben. Hier stimmt für mich einfach alles: Der druckvolle, transparente, aber jederzeit warme Klang, die Originalität, die Hooks, die Frickeleien. Bleibt der Wunsch, dass diese Besetzung auf Tour gehen wird und es dabei auch Songs des in der Einleitung genannten SPIRAL ARCHITECT-Albums zu hören geben wird. Außerdem ist natürlich eine Fortführung dieser Band mehr als wünschenswert, aber ich hoffe, dass das Fade-Out des Albums genau dies ankündigen soll.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae