TURBOSTAAT - Uthlande
Mehr über Turbostaat
- Genre:
- Punk Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- PIAS / Rough Trade
- Release:
- 17.01.2020
- Rattenlinie Nord
- Meisengeige
- Ein schönes Blau
- Schwienholt
- Stine
- La Hague
- Nachtschreck
- Luzi
- Heilehaus
- Brockengeist
- Hemmingstedt
- Stormi
Seit zwanzig Jahren unnachgiebig wie die See.
Nachdem im letzten Jahr erst zum zwanzigjährigen TURBOSTAAT-Jubiläum das dicke Livealbum "Nachtbrot" erschien, verschanzten sich die Nordfriesen direkt wieder im Studio. Denn es sollte an "Uthlande", dem vierten Album gearbeitet werden. Und die live geübte Spontaneität macht sich auch auf dem neuen Output bemerkbar.
Natürlich bleibt TURBOSTAAT immer TURBOSTAAT. Unbeirrbar und stur führen die gebürtigen Husumer ihren Weg fort. Wer schon einmal einen Song der Veteranen gehört hat, wird sich an den eigenständigen Sound und Gesang erinnern, genauso wird diese Band immer klingen. Nach Wind und Sturm und Meer. Ich finde das wunderbar, auf die Gruppe um Sänger Jan Windmeier ist immer Verlass. Doch die Nuancen verändern sich. War der Vorgänger "Abalonia" noch ein in weiten Teilen düsteres Konzeptalbum über zwei Flüchtlinge auf dem harten Weg in das fiktive gleichnamige Land, ist "Uthlande" direkter, melodischer und eingängiger.
Aber natürlich noch lang nicht fröhlich, nein, das würde auch nicht passen. Schon gleich der erste Song 'Rattenlinie Nord' beschäftig sich mit gleichnamiger Fluchtroute von zahlreichen hochrangigen Nazis nach dem zweiten Weltkrieg. Im unzerstörten Flensburger Ortsteil Mürwik fand die letzte Reichsregierung Unterschlupf. Ein fast vergessenes Puzzleteil der Geschichte. 'La Hague' befasst sich mit der Wiederaufbereitungsanlage in Frankreich, aus der abgereichertes Uran quer durch Europa ins russische Sewersk transportiert wird und dort unter offenem Himmel in Containern ruht. Dort lagern etwa dreizehn Prozent des französischen Atommülls. Die Abwässer werden einfach ins Meer gespült. Ganz legal und wirklich unfassbar. Keine leichte Kost also, auch nicht für eine Punkband.
Musikalisch arbeitet TURBOSTAAT mit mehr Feinheiten als zuvor. Viele Backing Vocals sind zu hören, feine Gitarrenriffs und verdammt starkes und grandios produziertes Bassspiel. Das Tempo ist ungezügelter als zuletzt, wobei sich auch immer wieder Ruhepausen finden lassen. 'Hemmingstedt' klingt dagegen passenderweise fast nach Industrial Rock - das Spiel mit Athmosphären lag den Nordfriesen schon immer. Da passt dann auch der Kinderchor im abschließenden und in sich zergehenden 'Stormi' grandios.
Es gibt hier so viel zu entdecken. Zu viel für eine einfache Rezension. Erforscht die "Uthlande" also am besten selbst. Als Uthlande bezeichnen die Nordfriesen übrigens die dem Festland vorgelagerten Außenlande (also Inseln, Halligen und Marschen), ein von Wind und Wetter, von Wellen und Stürmen geprägtes Land, zu großen Teilen schon im Meer versunken. Aber noch da. So wie TURBOSTAAT eben.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Marius Luehring