TYGERS OF PAN TANG - Wild Cat
Mehr über Tygers Of Pan Tang
- Genre:
- NWoBHM
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Edgy Records
- Release:
- 06.03.1997
- Euthanasia
- Slave To Freedom
- Don't Touch Me There
- Money
- Killers
- Fireclown
- Wild Catz
- Suzie Smiled
- Badger Badger
- Insanity
- Rock And Roll Man
- Alright On The Night
- Tush
- Straight As I Die
- Don't Take Nothing
- Bad Times
- Burning Up
- Don't Touch Me There (Original Version)
Ihr alle habt diese Scheiben, bei deren bloßer Namenserwähnung euer Pulsschlag steigt. Platten, die euch seit langer Zeit begleiten, die euch bei besonderen Anlässen als Untermalung dienten. Also einfach Platten, die für euch zum guten Freund geworden sind. Bei mir heißt eine dieser Scheiben schlicht und ergreifend "Wild Cat" und war der Grund, mir anno 1982 meinen ersten Plattenspieler kaufen zu müssen. Bis dahin verfügte ich nämlich lediglich über einen tragbaren Kassettenrekorder. Aufgrund dieser Tatsache konnte ich mir deshalb erstmal nur die damaligen großen Bands kaufen, da nur die Majorlabels überhaupt MCs herstellten. Klar, mein Regal füllte sich schnell mit JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD, VAN HALEN, SCORPIONS, SAXON, TRIUMPH und WHITESNAKE, aber bei meinen Kumpels liefen schon weitaus härtere und auch unbekanntere Sachen. Während ich mich anfänglich noch mit Tapekopien eben jener Vinyls zufrieden gab, war es ein einzelner Song, der mich derart faszinierte, dass ich diesen Tonträger im Original besitzen musste. Der Song hörte auf den Titel 'Insanity'. Allein das völlig genial verrückte Gelächter zu Beginn der Nummer - der Titel sagt ja alles - und das eröffnende Gitarrenriff trieben mich regelmäßig in den Wahnsinn.
Also, lange Rede, wenig Sinn, zum Dealer des Vertrauens gefahren, alles Angesparte ausgegeben und neben dem ersten Plattendreher auch gleich jenen Tonträger erworben.
Wie groß war damals die Ernüchterung im Kinderzimmer als ich im völligen Fieberwahn die Scheibe aus dem grandiosen Cover zog und die Nadel entjungferte. Erwartete ich doch besagte Nummer. War ich nämlich bis dahin dem Irrtum unterlaufen die Komposition würde unter der Bezeichnung 'Euthanasia' das Album einleiten. Da ich nun nicht wusste, wie denn nun der korrekte Name meiner sehnlichst herbei gewünschten Nummer sein könnte, lauschte ich dem kompletten Album, um dann schlussendlich beim letzten Song völlig verzückt ins Koma zu gleiten. Gut, ich übertreibe, aber als das Gelächter einsetzte bin ich derart ausgerastet, dass die Nachbarin vor der Tür stand und fragte, ob denn alles in Ordnung wäre.
Und wie alles in Ordnung war! Hätte gar nicht in ordnunger sein können!
Und jetzt sagt ihr euch sicherlich: Na und, ist doch alles Ewigkeiten her. Geschmäcker ändern sich und was will er uns nun wieder von altbackenen Metalscheiben vorschwärmen. Völlig falsch. Erstens hat sich meine Meinung in Bezug auf dieses Wunderwerk musikalischen Schaffens nicht im Geringsten geändert und zweitens fallen mir höchstens noch eine Handvoll anderer Scheiben ein, die frischer klingen als es das Debüt der TYGERS OF PAN TANG auch heute noch tut.
Das NWoBHM-Flagschiff, das damals noch als Quartett agierte, zelebriert auf "Wild Cat" zehn Mal reinsten Heavy Metal. Dieser beweist, dass auch eine vermeintlich undynamische Produktion, der Verzicht von doppelläufigen Gitarrenmelodien und der Einsatz eines leicht quäkenden Sängers, superbe Songstrukturen nicht zerstören können. Das gebotene Material ist einfach so überzeugend mitreißend, dass nur ein Tauber ungerührt - oder ungeschüttelt - davon bleiben kann. Man spürt, dass die Jungens bereits enorme Liveerfahrung in den Knochen hatten - man hatte immerhin bereits mit MAGNUM die englischen Fans in Begeisterung versetzen können und das ohne ein Album in der Hinterhand - und dass sie wussten, welches Songmaterial einfach sofort zündet. Und dabei wandelt die nach Michael Moorcocks Buch "Stormbringer" benannte Truppe auf sehr eigenständigen Pfaden. Ihre Vorbilder dürften maximal JUDAS PRIEST und MOTÖRHEAD, sowie einige härtere US-Truppen wie TED NUGENT oder AEROSMITH gewesen sein, da sie selbst mit zu den Begründern der NWoBHM zu zählen sind und daher kaum Artverwandtes als Richtlinie vor der Nase hatten. Herausgekommen ist dabei ein Album, das wie kaum ein anderes als prototypisch für die gesamte NWoBHM-Szene angesehen werden darf.
Die vier Burschen verfielen nämlich nicht dem Irrglauben, dass Härte und Aggressivität allein gute Kompositionen ausmachen würden. So landen auf dem grandiosen Longplayer neben straighten Bangern wie dem Titelsong oder der vorab erschienen Single 'Don’t Touch Me There' auch diverse längere Nummern, die einfach aufgrund ihrer Atmosphäre zu faszinieren verstehen. Erwartet jetzt keine progressiven Elemente in den Kompositionen der TYGERS. Ganz im Gegenteil setzte die Truppe auf vermeintlich gradlinige Strukturen. So taktiert Drummer Big Dick seine Felle vorwiegend im Midtempo und bricht nur selten in schnellere Gangarten aus. Basser Rocky bedient so etwas wie den Leadbass, da er bei den vielen grandiosen Soloausflügen von Klampfer Rob Weir die entstehenden Soundlöcher stopfen muss. Und besagter Gitarrist überzeugt mit simplen, aber höchst effektiven Riffs und einem völlig eigenständigen flirrenden Solostil, der allen Songs eine höchst eigene Note aufdrückt.
Hinzu kommt Jess Cox mit seiner leicht quakenden, rauchigen Stimme, die einfach fantastisch zu den mitreißenden Nummern passt. Einzeln sicherlich alle eher durchschnittliche Musiker, entwickelten sie aber als Team eine Dynamik, die einfach unbeschreiblich ist.
Diese Eigendynamik kann nicht von einem fetten Soundgewand reproduziert werden und genau deshalb klingen heute auch viele fett produzierte Newcomer nicht annähernd so authentisch und ungezügelt, wie es die TYGERS damals taten (und für mich heute noch tun). Klar, der zu jener Zeit noch unbekannte Knöpfchendreher Chris Tsangarides zauberte einen amtlichen Sound aufs Band, aber nach heutigen Maßstäben klingt das natürlich nicht sonderlich fett.
Ein Fakt, der einen spätestens beim Abschluss-Tripple nicht mehr stören wird, denn während 'Suzie Smiled' mit messerscharfen Riffs über einem markanten Uptempo-Beat erfreut, saugt 'Badger Badger' mit ungebremster Durchschlagskraft und grandiosem Chorus an deinem Energievorrat. Eine kurze Verschnaufpause gibt es nur beim faszinierenden Solo bevor man danach beinahe ein Speed-Metal-Tempo anschlägt. Dies alles ist aber nur das Vorspiel zu oben (kurz) erwähntem Übersong. Bei 'Insanity' gibt es einfach kein Halten mehr. Diese Nummer ist für mich DER Mitsing/Bang/Luftgitarrespiel-Song schlechthin. Sollte es davon eine Karaoke-Version geben, ich würde meinen Vorsatz brechen und mich der Peinlichkeit aussetzen, die solch ein Unterfangen unweigerlich mit sich bringen würde. Spätestens wenn Jess Cox in seiner unnachahmlichen Art "Insanity" ins Mikro haucht und damit den ultralangen Solopart einläutet, steht für mich jedes Mal die Welt für zwei Minuten still. - Gedenksekunde - Nach dem Song herrschte bei mir lange Zeit entweder totale Stille oder er wurde einfach noch einige weitere Male aufgelegt.
Das ist heute anders, denn es gibt eine grandiose CD-Version von dem Album, welches mit acht superben Bonüssen(gerne auch Boni gennant) ausgestattet ist. Diese sind alles Songs der 7“s und sie stehen dem regulären Material in keiner Weise nach. Auch das fluffige Cover von ZZ TOPs 'Tush' vermag sich gelungen ins Gesamtbild einfügen, so dass man insgesamt von einem rundum überzeugenden Silberling reden kann.
Auch wenn ich diese Platte wohl immer durch den rosaroten Kopfhörer wahrnehmen werde, sollte jeder, der die Anfänge unserer Musik kennen lernen möchte und auch jeder, der Qualität von Musik nicht allein durch Image, fette Sounds und Frickelorgien definiert, hier ein paar Ohren nehmen. Nicht umsonst zierte das Covermotiv als Megapatch meine erste Kutte.
Anspieltipps: Insanty; Suzie Smiled; Badger, Badger; Euthanasia; Slave To Freedom
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae