UNDER-RADIO - Bad Heir Ways
Mehr über Under-Radio
- Genre:
- New Heavy Artrock
- Label:
- Lion Music
- Release:
- 17.05.2004
- Bad Heir Ways
- Centerpiece
- Noel (The Christmas Truce)
- Wedding Song
- You Wont See The Blood Until Your Throat Has Been Cut
- Cornerstone
- Devil`s From A Midwest Town
- 1916
- Build A Monument
- Safety In Numbers
Beim ersten Hören des Zweitwerks von UNDER-RADIO hatte ich meine Schwierigkeiten mit der Musik. Da die Gruppe unter dem Begriff Prog Rock läuft, erwartete ich einfach etwas anderes. Die meisten dürften diesen Begriff entweder mit Neo Progressive Rock à la ARENA und IQ oder retro-orientierten Sachen wie den FLOWER KINGS und SPOCK`S BEARD assoziieren (oder mit Mischungen aus beidem). Von diesen Klängen sind UNDER-RADIO allerdings meilenweit entfernt. Da sich auch keine Verbindungen zum Jazz Rock oder zur pink-floydigen Psychedelia ausmachen lassen, bleibt schließlich der New Artrock übrig, dessen Speerspitze derzeit PORCUPINE TREE darstellen. Und damit wird man UNDER-RADIO schon gerechter. Sie verwenden – wie für New Artrock charakteristisch – jede Menge Einflüsse aus dem Alternative-Rock-Bereich und rotzen oft einfach nach vorne los, anstatt wie der Bombast-Prog in elegischen Stimmungsbildern zu schwelgen.
Der Hauptinitiator von UNDER-RADIO ist der New Yorker Gitarrist Eric Zimmermann, der für das Songwriting verantwortlich zeichnet. Er begann dieses Instrument unter der Fuchtel des DREAM THEATER-Gitarristen John Petrucci zu lernen, was man jedoch heute kaum noch heraushören kann. Eric Zimmermann prägt neben dem Bassisten Matt Bissonette (bekannt u.a. für sein Spiel bei JOE SATRIANI) am nachhaltigsten das Klangbild von UNDER-RADIO. Typisch für die ganze CD ist der äußerst basslastige tiefgestimmte Gitarrensound, der krachend aus den Boxen wummert. Dazu passend schlittert die Band mit dem Opener 'Bad Heir Ways' nur knapp am Stoner Rock vorbei. UNDER-RADIO verwenden keine Keyboards, welche für eine Progband normalerweise unverzichtbar sind. Stattdessen wurden einige Gastmusiker engagiert, die mit Mandoline, Percussion und Violine den Sound der Band anreichern. Die Stimmung der Musik erweist sich damit als sehr eigen – man segelt tatsächlich, wie im Presseinfo verlautbart, unter keiner Flagge.
Ein weiterer wichtiger Einfluss ist offensichtlich der Bluesrock. Insbesondere 'Devil`s From A Midwest Town' ist Bluesrock in Reinkultur. Sänger Robbie Wycoff scheint mit seinem rauen Organ sowieso aus dieser musikalischen Ecke zu kommen. Manchmal stellt sich für seine gleichwohl ausdrucksstarke Stimme das Problem, in dem wummernden Gitarrensound nicht unterzugehen. Ebenso vom Blues beeinflusst zeigt sich das Stück '1916' – nur dass hier Akustikgitarren die führende Rolle übernehmen. Der einprägsame Refrain liegt ganz auf dieser Linie.
Das locker-flockige Rockriffing scheint ja besonders den Amerikanern zu liegen. 'Built A Monument' ist der schweißtreibende Beweis. Mehrere coole Rockmelodien dürften jedem Biker das Herz höher schlagen lassen. UNDER-RADIO eignen sich gut, den Soundtrack für das Unterwegssein auf der Autobahn zu liefern. Dreckigen Rock 'n' Roll spielen sie in dem kurzen 'Wedding Song', auf dem Mark Zonder, ehemals FATES WARNING, an den Drums zu hören ist. Mit dem Sound seiner ehemaligen Band hat das hier überhaupt nichts zu tun. 'Centerpiece' tendiert stark in Richtung Alternative, lässt manchmal aber auch ein paar Wave-Einsprengsel aufglimmen.
Etwas proggiger kommt der achtminütige Track 'Cornerstone' daher, welcher von einigen interessanten Breaks lebt. Die Gitarre leitet im Stakkato das Stück ein. Danach erklingen ein melancholischer Gesang sowie psychedelische und ruhige Gitarren, die jedoch erstmal purem Rock weichen müssen. Ein eingängiger Refrain wird von herrlich hämmernden Drums abgelöst. Im Mittelpart finden sich viele psychedelisch-noisige Klänge, die ein wenig an TOOL erinnern. Die Violine schiebt sich in den Vordergrund, bevor der Refrain und ein rockiges Gitarrensolo 'Cornerstone' abschließen. Mit einem mystischen Intro beginnt 'Safety In Numbers'. Lauter Heavy Rock holt den Hörer gleich wieder auf den Boden herunter. Atmosphärische Klänge vermischen sich mit Einflüssen aus dem Funk Rock, dessen Spuren sich im weiteren Verlauf nie ganz verlieren. Die Melodie des Tracks ist einprägsam. Einfach geil kommt eine schwer in den Bauch fahrende Basslinie, die auf den Refrain folgt. Mit dunklen Vocals und Percussion endet der Track so mystisch, wie er begonnen hatte. Akustikgitarren und traurige Violinenklänge bestimmen 'Noel (The Christmas Truce)'. Der Gesang darf hier sanft und melancholisch sein.
Diese drei Stücke würde ich als die Höhepunkte des Albums bezeichnen.
Insgesamt gesehen, schwelgt auf dieser Scheibe weniger Prog – vielmehr kracht eine ordentliche Portion Heavy Rock. Irgendwie wirkt die Musik, als hätten ein paar Proggies ihr Piano und das Keyboard in die Ecke gestellt, sich trotz bedeckten Himmels mit schwarzen Sonnenbrillen versehen, Bänder um die Stirn gebunden und wären mit ihren Motorrädern zum Proberaum gebraust. Die Musik braucht allerdings ein paar Durchläufe, um sich vollständig zu erschließen.
Anspieltipps: Centerpiece, Noel (The Christmas Truce), Cornerstone, Devil`s From A Midwest Town, Safety In Numbers
- Redakteur:
- Jörg Scholz