V. A. A TASTE OF BELGIUM - A Taste Of Belgium
Mehr über V. A. A Taste Of Belgium
- Genre:
- Prog Rock
- Label:
- Prog-Nose; Prog-resiste
- Release:
- 01.09.2006
- PANOPTICUM - Say No More
- MADELGAIRE - Regrets
- QUANTUM FANTAY - Niek Shlut
- BEOND THE LABYRINTH - (Tearing Down The) Icons
- GHIRIBIZZI - Don't Fear The Unknown
- AMANDA - Demain
- KARMA DEPTH - Second Chance
- GLOBALYS - Eagle, Eggs & Bacon/ Premix 2006
Ich liebe die belgische zeitgenössische Musik. Was dieses kleine Land an Vielfalt und einfach nie versiegender Fülle von hervorragenden Werken zu bieten hat! Fassungslos starre ich auf eine solche Fülle von Bands und weise auch darauf hin, dass der heute so zelebrierte Metalcore Anfang der 90er auch in Belgien formell schon gespielt wurde. Die vielen Frickler und Eigenbrötler nicht zu vergessen, welche in betörender Anzahl zumeist Musik mit einem sehr hohen Wiedererkennungswert produzieren. Und diese Stilvielfalt. Eine Aufzählung spare ich mir, es ist allemal von großem Unterhaltungswert geprägt, sich auf Webseiten mit dem Domainabschluss "be" herumzutreiben.
Und jetzt mal die Gitarrenavantgarde: ein Prog-Sampler aus den belgischen Muckerhäusern PROG-NOSE und PROG-RESISTE. Prog, Prog überall. Dies ist ein Projekt, das der Welt, also uns - "A Taste Of Belgium" - den Geschmack Belgiens näher bringen möchte. Humor haben sie ja, die Wallonen, die Flamen. Haben hinten auf dem Beipackzettel in eine stilisierte belgische Landkarte die teilnehmenden acht Bands eingezeichnet, als wären es Kleinstädte. Laut Hinweis des belgischen Kenners Geert Fieuw ist der Großteil der hier aufgeführten Bands aus dem flämischen Gebiet. GLOBALYS, AMANDA und MAGELGAIRE finden sich in der Wallonie. All das zeugt vom allumfassenden Anspruch dieser Compilation. Ein weiterer Tipp direkt aus Belgien ist der Club 'Spirit of 66', nach Eigenaussage "der einzige Club in Belgiën, der Hardrock, Metal, Prog und so weiter programmiert." (Geert Fieuw). Ein viel schöneres Wort für "auftreten lässt". Ich sags ja, die Belgier besitzen Pragmatismus und Einfallsreichtum.
Auf jeden Fall ist dies hier eine Kollaboration von zwei belgischen Prog-Zines. Zum einen das im Norden beheimatete PROG-NOSE-Webzine, wo die Flamen lustig klampfen. Das zweite ist das französischsprachige Magazine PROG-RESISTE. Beide stellen sich im Inneren der CD auch beiliegend gleich mal vor. Das lohnt sich nachzulesen: PROG-NOSE ist eine Non-Profit-Association mit dem Ziel, unterstützend für "relevante" Musik zu werkeln. Hauptsächlich Netzaktivitäten mit etwa 2000 Hits am Tag. Außerdem arbeiten ein paar Feste und Freelancer dem Ganzen PROG-thematisch zu. Die Mitglieder von PROG-NOSE greifen wohl auch dadurch auf ein feines Netzwerk bei der Suche und Tauscherei von atmosphärischer Musik zurück. Forum und Mailinglisten selbstverständlich auch zu finden unter http://www.prog-nose.org.
Am Magazin PROG-RESISTE klabautern fünfzehn Experten für progressiven Rock herum, die dann auf 132 Seiten News, Artikel, Touren usw. präsentieren. Außerdem wird durch diese illustre Schar die PROG-RESISTE-Convention organisiert, die zweitägig dem Peace und dem PROG huldigt. http://www.progresiste.com : Einfach mal informieren.
Alle dargebotenen Bands haben entweder 2005 ein Album angeboten oder sind an den Arbeiten zu neuen Platten. Der Überblick hier bietet sich für eine Vorauswahl daher sehr gut an.
Nun zur dargebotenen Musik. PANOPTICUM bezeichnen ihr gradliniges Spiel als Progressive Rock, der seine Wurzeln in den Neunzigern sucht.
Das trifft’s ganz gut. Es tauchen diverse Zwischensoli auf, welche die Vielfalt einer guten Prog-Band in ihrer Gemeinsamkeit eindrucksvoll aufzeigen. 'Say No More' deutet das Können und Spielfreude an. Ja, auch Pop-Elemente haben die Neunziger geprägt.
Verzwickelter kommen MADELGAIRE daher. Bombastischer ausgelegt, geben sich hier Melotron und Orgelklänge die Ehre, die von einem ausgeklügelt vertrackten System des Schlagwerkers begleitet werden. Gitarre und Tasteninstrument treten in Duelle ein, und der wolkige Gesang von Pascal Rocteur scheint die beiden Streithähne wieder zur Raison singen zu wollen. Ah ja, kein Wunder, ein singender Drummer. Runde Sache und trotz der Breaks nie nervig.
"Agapanthusterra?" - so der Name des 2005 erschienen Albums der folgenden QUANTUM FANTAY. 2006 nun folgt das nächste. Sie zelebrieren Spacerock, der sich strengen Regeln entzieht, und haben gute Synthie-Finger, wenn es darum geht, leichtlockere Zwischenspiele in die Songs einzuweben. Weben-Schweben passt hier sehr gut. "This is 'getting high' in a legal way." Verschroben sind sie allemal, oder weiß jemand, was 'Niek Shlut' bedeuten soll?
Die Bombasten von BEYOND THE LABYRINTH frönen "klassischem Rock mit einigen progressiven Einsprengseln". Recht so, der Ansatz ist hier eher im klassischen Hardrock zu suchen, die Jungs haben ja auch alle Langhaarfrisuren vorzuweisen. Sie haben in Benelux des Öfteren für Leute wie DORO, PAIN OF SALVATION oder RIVERSIDE deren Gigs eröffnet.
GHIRIBIZZI ist nicht etwa ein wallonisches Reisgemisch, das ist die nunmehr fünfte Band auf diesem Sampler. Mit markanter Stimme ausgestattet, läuft deren Musik nicht ganz so rund durch wie manch vorherige. Das hört sich ein wenig bemüht an. Moment! Der musikalische Umgang geht in Ordnung, dann aber spart man an der Singstimme und mischt sie doch etwas nach hinten. Mir ist das Ganze etwas flach. Die 2006er Platte heißt "Pan'ta Rhei".
AMANDA möchte sich vorstellen. Das kommt schon nah an das heran, was ich vorhin mit wildem Stilwechsel-Gemisch à la Belgique gemeint habe. Breakbeats treffen auf Hintergrundchöre, eine E-Klampfe streicht den Hintergrund burgund und auf einem Triängelchen sitzend, instrumentiert Thibaut de Halleux munter seine Stimmbänder. Das macht Spaß. Man darf auf die Platte "La Maison De Flore" ab irgendwann 2007 sehr gespannt sein.
KARMA DEPTH sind dagegen wahre Erwachsene. Elemente von Pop bis Ballade, Jazz und Klassikrock mischen sich die vier Musiker zu einem Gebräu, was sich im hiesigen Song 'Second Chance' zwar charakteristisch, doch etwas uninspiriert daherkommt. Man checke die Website. Auf jeden Fall gute Musiker mit melancholischen Ansätzen.
Zuletzt noch GLOBALYS mit 'Eagle, Eggs & Bacon'. Die hauchen 2007 ihr erstes Album in die Space-Gemeinde. Hier wird so richtig im Instrumentenwald gewildert. Ein barockes Spinett trifft die Flöte. Diese wiederum verlässt sich auf ein modernes Soundgewand, erzeugt von klassischen Rockinstrumenten. Das ist Avantgarde-Rock, wie er nur sein kann. Du weißt überhaupt nicht, was dir im nächsten Augenblick auf den Gehöramboss hüpft. Auf Dauer etwas anstrengend, bis die zunehmende Vielfalt in Konstellation und Soundtüftelei etwas das anfängliche Interesse aufgefressen hat.
Zu resümieren ist hier leicht. Belgier haben's drauf: mal mehr und mal weniger. Besuche auf den genannten Websites lohnen sich allemal, um den Prog-Kosmos der westlichen Nachbarn etwas zu entnebeln
Anspieltipps: PANOPTICUM 'Say No More', AMANDA 'Demain', MADELGAIRE 'Regrets'
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben