VOGELFREY - Nachtwache
Mehr über Vogelfrey
- Genre:
- Folk Rock/Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Flying Dolphin
- Release:
- 25.10.2019
- Ära Des Stahls
- Schüttel Dein Haupt
- Magst Du Mittelalter
- Metamnesie
- Sündenbock
- Alptraum
- Walhalla
- Midwinter
- Spieglein, Spieglein
- Auf St. Pauli
Den Fans wird's gefallen!
Beginnen wir diese Rezension mal unüblich: Statt einiger einleitender Worte über die Band, ihre Entwicklung oder das Genre, fange ich direkt an, die einzelnen Lieder vorzustellen. "Nachtwache" beginnt fulminant - 'Ära des Stahls' klingt erstmal nach MANOWAR, ist aber purer Folk Metal, der durch den Fiddle-Einsatz am Anfang eine klare Richtung vorgibt. Die Strophen punkig, aber mit unpassenden, weil erhabenen, Streichern unterlegt. Der Refrain hingegen hat tatsächlich etwas von True Metal. Textlich rangiert das Ganze zwischen Parodie und Verbeugung vor dem eigenen Genre, was mir eigentlich in Summe gut gefällt.
Dann folgt mit 'Schüttel dein Haupt' ein zugegebenermaßen eingängiges, aber musikalisch gewöhnungsbedürftiges Stück. Hier watet man knietief in der NDH, inklusive tiefer Gitarren und RAMMSTEIN-Gedächtnis-Gesang. Sowas läuft bestimmt gut in der Gothic-Night der lokalen Disco, auf Platte kann ich das aber schwer hören. Die Geige und die lyrischen Fähigkeiten verhindern aber Schlimmeres. Apropos: 'Magst du Mittelalter?' rangiert auf der Fremdschäm-Skala ganz nahe bei HELLOWEENS 'Are You Metal'. Die Strophen sind zwar richtig gut, die Bridge hingegen stumpf. Der Refrain kann musikalisch überzeugen, ist aber textlich arg abgedroschen. So fällt es mir - trotz der angenehmen Härte - echt schwer, Mittelalter ernst zu nehmen oder gar zu mögen.
'Metamnesie' erzählt eine launige Saufgeschichte und bietet soliden Mittelalter Rock. 'Sündenbock' hingegen zeigt, wie man unprätentiös Gesellschaftskritik äußert und wenn das musikalisch so fein verpackt wird, finden selbst Skeptiker wie ich nichts mehr zu meckern. Hier fühlt man sich an eine Mischung aus den guten Liedern von SALTATIO MORTIS und IN EXTREMO erinnert. Es folgt 'Alptraum', das düsterste Stück, das zwar auch NDH-Geist atmet, aber auch im Folkrock-Korsett durchaus zu überzeugen weiß. Wieder kann man IN EXTREMO zu "Sünder ohne Zügel"-Phase zur Referenz nennen. Kommen wir zu 'Walhalla'. Das ist entweder total kitschiger Bockmist - ach, ich geb's ja zu, im Grunde gefällt mir das ganz gut. Übertrüge man den Text ins Englische, wir hätten einen lupenreinen MANOWAR-Track vor uns, und nicht den schlechtesten. Ich bin mir nur noch nicht ganz klar darüber, ob der "Führen/Valküren"-Stabreim echt hätte sein müssen. Naja, in jedem Fall sei hier mal die stilistische Bandbreite erwähnt.
Dementsprechend geht es auch weiter, denn 'Midwinter' bietet ansprechenden und schnellen Melodic Metal. Textlich geht es mal wieder um erhöhten Alkoholkonsum, aber sei's drum, das muss wohl so. 'Spieglein, Spieglein' hingegen zeigt, wie man sehr prätentiöse Gesellschaftskritik äußert. Zwar wird es nicht ganz so plump wie etwa bei J.B.O., aber warnende Lieder über den Smartphone-Gebrauch hinterlassen bei mir immer ein schales Gefühl. Musikalisch regiert abermals die Neue Deutsche Härte. Auch der Abschluss kann mich nicht recht packen. Zwar ist 'Auf St. Pauli' mit gefälligen Melodien und punkigen Vibes durchaus kein schlechter Song, aber der Text spricht mich in seiner Klischeehaftigkeit so gar nicht an.
Also resümieren wir: VOGELFREY geht auch auf Album Nummer Fünf konsequent den Weg weiter, der zuvor schon beschritten wurde. Dass man Alben wie "Nachtwache" richtig gut finden kann, verstehe ich, daher ist meine Kritik auch meist sehr subjektiv formuliert. Auf der Plus-Seite ist auf jeden Fall anzumerken, dass sich diese Band im Gegensatz zu vielen anderen Genrekollegen ihre Härte und Metal-Affinität nicht hat nehmen lassen. Auch ist den Texten ein gewisses lyrisches Vermögen nicht abzusprechen, selbst die banalsten Themen werden handwerklich solide ausgedrückt. Da erlaubt man sich bei IN EXTREMO teilweise peinlichere Ausrutscher. Dass mir die Berliner dennoch mehr taugen, mag damit zu tun haben, dass VOGELFREY letztendlich mehr mit Bands wie TANZWUT oder SUBWAY TO SALLY zu tun haben. Wer also eine intellektuellere Alternative zu FEUERSCHWANZ sucht, wem FIDDLER'S GREEN zu irisch klingen, oder wer schon immer mal RAMMSTEIN mit Fiddle hören wollte, der ist bei VOLGELFREY gut aufgehoben.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Jakob Schnapp