VOM FETISCH DER UNBEIRRTHEIT - Vertilger
Mehr über Vom Fetisch der Unbeirrtheit
- Genre:
- Experimental Black Metal
- ∅-Note:
- 2.00
- Label:
- Tempe Of Torturos
- Release:
- 23.09.2013
- Lachenvieh
- Schabenbrut
- Multiformale Leiberdimension
- Kadavermeer
- Prothesensucht
Entwertet, entmystifiziert, leer und überflüssig
Manchen Alben sieht man schon, ohne einen Ton gehört zu haben, an, dass sie einem weh tun wollen. Und, um mich einmal eines beliebten Vergleichs zu bedienen: Es gibt diese Alben, die sind wie ein Autounfall – man will eigentlich gar nicht hinschauen, aber kann auch nicht wegsehen. Bei manchen wächst die Faszination und man verliebt sich in diese Hässlichkeit, so geschehen zum Beispiel bei FUNERAL MISTs "Maranatha". "Vertilger" ist definitiv ein Autounfall, nur wird man binnen der nächste Sekunde zusammenzucken und sich doch wieder abwenden. VOM FETISCH DER UNBEIRRTHEIT (kurz und schmerzlos: VFDU, vielleicht auch "Verein für..." ach lassen wir das) existiert als Duo und veröffentlicht mit "Vertilger" seine zweite Anstrengung seit 2010, Kunst zu erschaffen.
Die Musik als zwingend primäres Ausdrucksmittel einer Band dient oft gleichzeitig als Katalysator, aber auch als logische erste Tür zu einem sich zunächst verschließenden Konzept. Was aber, wenn diese Musik sich als absolut unzugänglich erweist? Es folgt der Versuch, musikalische "Fakten" und Muster zu erkennen. Jedoch: Wenn die Folge der einzelnen Teile aufeinander größtenteils gänzlich unmotiviert wirkt und es nur bedingt textliche Anhaltspunkte dafür gibt, da das Stimmungsspektrums des Albums inhaltlich eng abgesteckt wurde, kapituliert jeder Hörer. Oder anders gesagt: Etwas schlechtes wird nicht einfach dadurch besser, das es auf den ersten Blick komplex aussieht. Im Großen und Ganzen werden dabei betont chaotische Black Metal-Riffs, die wie ein trauriger Abklatsch diverser Szene-Größen anmuten, mit plötzlich hinzukommenden elektronischen Elementen zwischen Techno und Dubstep (wenn ich mich nicht irre) gemischt, die teils gelungen, teils überflüssig und vollkommen atmosphärelos dazwischen gewurschtelt wurden. Komplettiert wird dies von einem klagend-psychotischen Sänger, der durchweg auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und lächerlichem Schwachsinn balanciert.
Vergleiche bieten sich natürlich mit ABORYM und ABIGOR wegen der elektro-Elemente an. Diese können aber nicht einmal an das eher mittelmäßige aktuelle ABORYM-Album heranreichen, von einem Meisterwerk wie ABIGORs "Time" ganz zu schweigen. Imagemäßig hingegen versucht man sich an der Gestörtheit von ABRUPTUM. Ganz im Stile von IT entledigt man sich aller Menschlichkeit, verachtet das Fleisch und alles Körperliche, was wunderbar detailreich an den Gedanken eines sadomasochistischen Kannibalen aufgearbeitet wird, der "alles Leben als einen verflüssigten Nährstoffkomplex" erkennt. Dabei ist dies keine asketische Entsagung des Fleisches um an Höheres zu gelangen. Über das Dasein lässt man verlauten: „entwertet, entmystifiziert, leer und vernarbt“ – Nihilismus in seiner pursten Form also. „Mensch: Meta-Schabe“. Das wiederum finde ich zugegebenermaßen schön formuliert. Überhaupt, fairerweise sei dem Duo zugestanden, dass sie mit Worten umzugehen wissen. Löblich ist auch die komplette englische Übersetzung aller (grundsätzlich auf Deutsch verfassten) Texte.
Programm scheint die Erschaffung musikalischen Chaos zu sein, ein Paradoxon in sich und konsequenter Weise zum Scheitern verurteilt, sucht man nicht Zuflucht in Metaphern und Umschreibungen des Chaos wie es viele zeitgenössische Bands der schwarzen Avantgarde erfolgreich zu Wege bringe. Die anderen scheitern an der Redundanz, die das Chaos (= Nichts) mit sich führt und kreieren (Pseudo-)Kunst, die sich einzig selbst vernichtet. Das Schlimme daran ist aber, dass das von VFDU vermutlich nicht einmal bemerkt wird. Diverse Alben überfordern den durchschnittlichen Metalhörer ja mit ihrer Komplexität. Hier ist das jedoch nicht der Fall; da ist kein Abwenden aus mangelndem Durchhalte- und Abstraktionsvermögen oder aus Schwäche einer unbequemer Wahrheit gegenüber, oder um unbequeme Kunst zu ertragen - nein, das Album ist hässlich um der Hässlichkeit willen und provoziert Ekel um genau das zu tun. Weder sehe ich darin einen ästhetischen, noch einen inhaltlichen Mehrwert (wobei letzteres natürlich ersteres erheblich mitbestimmt). "Vertilger" braucht man einfach nicht, weil alles schon mal vorher besser getan wurde.
- Note:
- 2.00
- Redakteur:
- Christian Schwarzer