WHITE WILLOW - Signal To Noise
Mehr über White Willow
- Genre:
- Prog
- Label:
- The Laser's Edge / True Music
- Release:
- 29.09.2006
- Night Surf
- Splinters
- Ghosts
- Joyride
- The Lingering
- The Dark Road
- Chrome Dawn
- Dusk City
- Ararat
Eine Scheibe von WHITE WILLOW ist in etwa wie ein gediegener Abend vor dem Kamin, mit einem sehr guten Wein und noch besseren Käsehappen: hat Stil, hat Klasse und gibt es nicht erst seit gestern. Zusammen mit LANDBERK und ANEKDOTEN eröffneten die Norweger Mitte der Neunziger das skandinavische Prog-Revival, welches uns mittlerweile eine Menge toller Bands und Alben beschert hat.
Der Vorgänger "Storm Season" war vor zwei Jahren meine erste Berührung mit den vielseitig rockenden Proggies, die mich aber nie zu hundert Prozent überzeugen konnten, was zum Großteil am mir etwas zu piepsigen, zu sopranigen Gesang lag. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass Sylvia Erichsen nicht mehr bei der Band weilt und ihre Nachfolgerin Trude Eidtang ungleich mehr Kraft, Ausdruck und Variabilität mitbringt. So ist der Opener 'Night Surf' zu gleichen Teilen angenehm treibend, aber auch andächtig-verträumt und einfach rundum schön. Moment, das erinnert doch an etwas ... genau, "Signal To Noise" löst bei mir des Öfteren Assoziationen zu THE GATHERING aus, was jedoch rundum positiv gemeint ist. Vom Gesamt-Feeling her erinnert die neue WHITE WILLOW-Scheibe auch ein wenig an "Home", wobei die Norweger aber deutlich mehr rocken und - man lese und staune - einfach variabler sind. Nicht, dass Anneke und Co. schlechte Arbeit abliefern würden, aber die Marschrichtung der Band zielt nunmal mehr auf Atmosphäre, Emotionen und ruhigere Klangspielereien. WHITE WILLOW hingegen sind auch gerne mal etwas lauter, scheuen sich nicht vor Dissonanzen und schrägen Ideen oder Taktspielereien und bringen eine Unzahl an unterschiedlichen Instrumenten in ihre Kompositionen ein.
So erinnern die fast das komplette Album durchwabernde Armada an Mellotrons sowie analogen und digitalen Synthies auch mal an AYREON oder ERIK NORLANDER (bzw. seine Ehefrau LANA LANE), bleiben aber stets eigenständig genug, um den Hörer zu fesseln und zu beeindrucken. Das gelingt auch ohne Frau Eidtang sehr gut, wie 'Ghosts' beweist. Und bei 'The Lingering', 'Chrome Dawn' sowie 'Dusk City' darf's durchaus auch mal überlang werden, wobei drohende Langeweile-Klippen derart spielerisch umschifft werden, wie es nur eine finger- und kopffertige Truppe schafft, die seit mehr als zehn Jahren im Biz tätig ist. Aber auch easy listening muss sein, und so könnte ich mir das putzige 'Joyride' wunderbar als Single-Auskopplung oder gar im Radio vorstellen. Nah an der Schmalzgrenze dran, aber Trudies Stimme hat einfach zu viel Charme.
Während "Storm Season" beispielsweise durchgehend maximal zwei verschiedene Stimmungen zu bieten hatte (traurig und düster), so nehmen uns WHITE WILLOW auf "Signal To Noise" mit auf eine Reise mit der Emotions-Achterbahn, die auch manchmal während eines einzelnen Songs die Richtung aprubt ändert - so soll Musik gestrickt sein! Hinzu kommt, dass die Kompositionen allesamt unheimlich vielschichtig und aufwändig arrangiert wurden, so dass sich ein Kopfhörer-Trip gleich doppelt lohnt.
Wer auf progressive, schöne, mitreißende und dennoch intelligent gemachte Mucke steht, der kommt an diesem Werk definitiv nicht vorbei - und an WHITE WILLOW an sich sowieso nicht. Grandios!
Anspieltipps: Night Surf, The Lingering, Ghosts
- Redakteur:
- Rouven Dorn