WHITECHAPEL - Hymns In Dissonance
Mehr über Whitechapel
- Genre:
- Death Metal / Deathcore
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Metal Blade Records
- Release:
- 07.03.2025
- Prisoner 666
- Hymns In Dissonance
- Diabolic Slumber
- A Visceral Retch
- Ex Infernis
- Hate Cult Ritual
- The Abysmal Gospel
- Bedlam
- Mammoth God
- Nothing Is Coming For Any Of Us
Eine wahrhaft böse Überraschung!
Fans des früheren Bandschaffens dürften Ströme von Freudentränen vergießen, denn "Hymns In Dissonance" ist nicht einfach nur ein back-to-the-roots-Album. Es ist die Widerlegung einer scheinbaren Unabänderlichkeit im Metal-Sektor: Verlässt einmal eine Band ihre rohen Wurzeln und öffnet sich einem breiteren Publikum, gibt es keinen Weg zurück, und alle Versuche, irgendwann wieder an die alten Tage anzuknüpfen, können bestenfalls bedingt überzeugen. WHITECHAPEL hingegen setzt mit Album Nr. 9 ein bösartiges, bestialisches, geradezu teuflisches Statement, angesichts dessen die melodiös-metallischen Entwicklungen der vorangegangenen drei Veröffentlichungen wie weggeblasen scheinen und das blutig rohe Erbe der ersten Alben sogar noch auf die Spitze getrieben wird.
Ja, die Ernsthaftigkeit, mit der klassischere Metal-Bereiche auf "The Valley" und "Kin" erprobt wurden, darf 2025 auch in Nuancen anklingen und verleiht gerade den variableren Stücken 'Mammoth God' und 'Nothing Is Coming For Any Of Us' mehr Tiefgang als die vielen eindimensionalen Abrissnummern aus den 00er Jahren. Gleichzeitig ist es geradezu unfassbar, welch abgrundtiefer Hass und welche Zerstörungswut bei 'Prisoner 666', 'A Visceral Retch' oder 'The Abysmal Gospel' plötzlich wieder hervorbrechen. Nach den autobiographisch geprägten Vorgängeralben wird auf "Hymns In Dissonance" nun eine menschenverachtende Sekte thematisiert und die von ihr genüsslich ausgelebten sieben Todsünden vorgestellt. Das Sextett darf also wieder tief in seinem Misanthropie-Fundus wühlen: Nun ist die Highspeed-Doublebass wieder am Start, nun grunzt und grinded Phil Bozeman wieder durch die Szenerie, nun zermalmen die Gitarren wieder jegliche Harmonie und Nachdenklichkeit, wie sie bei WHITECHAPEL zuletzt ja hörbar waren.
Gleichzeitig offenbaren auch die neuen Nummern nach einigen Hördurchgängen, dass in ihnen mehr steckt als stumpfsinniges Deathcore-Gemetzel. Der Titeltrack liefert beispielsweise die volle Bandbreite aus Death Metal, Grindcore und einem überraschend punkigen Drive, ehe in einer phänomenalen Bridge auf wahnwitzige Weise die Handbremse gezogen wird - einmal kollektiv-ekstatisches Headbangen bitte! Überhaupt steht brutaler, neumodischer Death Metal im Vordergrund; von Deathcore will ich in dem Zusammenhang gar nicht sprechen. 'Hate Cult Ritual' liefert atemberaubende Hochgeschwindigkeitsparts, die nur gelegentlich von groovigen Sequenzen unterbrochen werden; eine brodelnde Dystopiekeule aus der Hölle, schmissiges Gitarrensolo inklusive. 'Bedlam' ist dann wieder eine dieser stampfenden WHITECHAPEL-Nummern, bei denen ein unerbittlich verheerendes Höllenmammut von der Leine gelassen wird. 'The Abysmal Gospel' könnte eine Mischung aus HATEBREED, NAPALM DEATH und AT THE GATES sein; eine unvergleichliche Vermählung von brutalem Hardcore- und Grind-Gemetzel, schweißtreibenden Blasts und melodischen Gitarrenleads.
Hängen bleiben bei mir vor allem die verblüffend brutale Eröffnung mit 'Prisoner 666', der sehr variable Titeltrack sowie die beiden schließlich doch noch etwas nachdenklich-melodisch gefärbten Schlussnummern 'Mammoth God' und 'Nothing Is Coming For Any Of Us' (einfach großartig, diese Gitarrenmelodien im Schlussteil!), die zeigen, dass die Entwicklung der Vorgängeralben nicht einfach auf die Müllhalde getreten wurde. "Hymns In Dissonance" überzeugt als brutale todesmetallische Abrissarbeit, ermüdet in Teilen aufgrund der schier ungebremsten Brutalität allerdings und lässt mich auch etwas wehmütig an die vielseitigen "Kin" und "The Valley" denken. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass WHITECHEPAL wie selbstverständlich glaubwürdig an das frühere Schaffen anzuknüpfen vermag - ein Umstand, den kaum eine andere ursprünglich im extremen Metal beheimatete Kapelle von sich behaupten kann. Am Ende gibt es noch Abzüge in der B-Note für einen oftmals übertrieben zerrenden Sound, der Schlagzeugeinsatz und Gitarrenriffs immer wieder fast ungenießbar macht.
Anspieltipps: Prisoner 666, Hymns In Dissonance, Nothing Is Coming For Any Of Us
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause