WINGER, KIP - From The Moon To The Sun
Mehr über Winger, Kip
- Genre:
- Rock
- Label:
- Frontiers / Soulfood
- Release:
- 09.05.2008
- Every Story Told
- Nothing
- Where Will You Go
- Pages And Pages
- Ghosts
- In Your Eyes Another Life
- Runaway
- California
- What We Are
- One Big Game
- Why
- Reason To Believe
- Monster
Welch ein Genuss für die Sinne! Hier geht es nicht um kommerzielle Aspekte, partytaugliche Songs, Erwartungshaltungen, Schubladen oder wohlbekannte Strukturen. KIP WINGER stand bei seinen Solowerken bisher immer für grenzenlose Freiheit und musikalische Unabhängigkeit, vor allem bei "This Conversation Seems Like A Dream" und "Songs From The Ocean Floor". Der Amerikaner nimmt sein Publikum an der Hand mit auf eine Reise, entführt sie in fremde Welten und entschleunigt dabei Zeit und Raum. Er muss niemandem mehr etwas beweisen, er will lieber verzaubern. Und wenn er darüber hinaus noch zum Nachdenken anregen kann, hat Mr. Winger seine Aufgabe erfüllt.
Im Vorfeld von "From The Moon To The Sun" hat der Sänger und Bassist (oder vielleicht war es auch nur seine Plattenfirma) sich selbst mit Pop-Ikonen wie Sting, David Bowie und Peter Gabriel verglichen. Größenwahn, dem er noch nicht ganz Taten folgen lassen kann, was aber seinen Anspruch an sich und seine Musik sehr gut verdeutlicht. Wer sich eine Scheibe von KIP WINGER zulegt, darf keinen seichten Pop-Rock oder glatt gebügelten Melodic Rock erwarten. Seine Musik ist eher ruhig, manchmal gar traurig und melancholisch, jedoch nie düster oder depressiv, aber auf jeden Fall immer nachdenklich und überaus erwachsen. Für dieses Album muss man sich Zeit nehmen, in die Stimmungen und Farben eintauchen und die Bilder, die dabei entstehen, auf sich wirken lassen. In einer hektischen Alltagsumgebung, sei es auf der Arbeit, beim Autofahren oder zu Hause, funktioniert es nicht. Da verliert die Scheibe ihre Magie und wird schnell langweilig oder gar nervig. Hintergrundmusik durchaus, aber nur in einer ruhigen Atmosphäre.
Großartige Gitarrenriffs, explosive Stimmungsschwankungen oder ausufernde Soloteile darf man von "From The Moon To The Sun" nicht erwarten. Die Rhythmusklampfen sind, sofern überhaupt vorhanden, gerade mal leicht angezerrt - die obligatorische Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang nur das überragende 'Nothing'. Auch die Drums sind spärlich eingesetzt und müssen gegen Ende hin sogar einigen Samples und Loops weichen. Ansonsten regiert die vom Meister selbst gespielte Akustikgitarre, das Piano und Keyboards sowie die fantastische Stimme von KIP WINGER. Nach dem rockigen Einstiegsduo 'Every Story Told' und 'Nothing' setzt er verstärkt auf balladeske Töne, die er mit der schönen Pianoballade 'Where Will You Go', dem mit grandiosem Violinensolo ausgestattete und an PETER GABRIEL erinnernde 'Pages And Pages', das mit einem Gänsehautchor versehene 'In Your Eyes Another Life' und dem recht traurigen 'California' exzessiv auslebt. Als Auflockerung präsentiert uns KIP WINGER mit 'Ghosts' ein sehr dramatisches Instrumental, das wie ein Musical arrangiert ist und angeblich für eine Ballettaufführung geschrieben wurde. Sehr interessant mit etlichen Streichern und atemberaubenden Violinen. Gegen Ende gibt es auf der europäischen Pressung noch eine überarbeitete und mit vielen modernen Elementen aufgemotzte Version des Songs 'Monster', der bereits auf "This Conversation Seems Like A Dream" zu hören war. Diese Version ist aber um Längen stärker und bildet einen fulminanten Abschluss eines wirklich vielschichtigen Albums.
Natürlich haben sich gegen Ende hin ein paar Verschleißerscheinungen eingestellt und nicht jeder Song will mehr so richtig zünden ('Runaway', 'Why', 'Reason To Believe'), ändert aber nichts an der Tatsache, dass die kompletten sechzig Minuten ihr Eintrittsgeld und die Reise wert sind. Da er sich auch mit unter anderem Andy Timmons (Gitarre), Ken Mary und Rod Morgenstein (beide Drums) und seinem jahrelangen "partner in crime" Cenk Eroglu umgeben hat, bleiben auch in dieser Hinsicht keine Wünsche offen.
Jeder, der Musik noch aus Genuss konsumiert, die Zeit dazu hat, sich darauf einzulassen, sich einfach fallen lassen und einem Musiker ohne Erwartungshaltung folgen kann, der dürfte von "From The Moon To The Sun" von KIP WINGER nicht enttäuscht sein. Allen anderen sei dieses Werk nur bedingt empfohlen, denn es kann sich durchaus als schwere Kost herausstellen. Die beiden wichtigsten Faktoren für dieses Album heißen Ruhe und Zeit. Großes Kino.
Anspieltipps: Nothing, California, In Your Eyes Another Life
- Redakteur:
- Chris Staubach