WINTER'S VERGE - The Ballad Of James Tig
Mehr über Winter's Verge
- Genre:
- Epic / Symphonic / Power Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Pride & Joy Music
- Release:
- 11.09.2020
- It Begins
- A Thousand Souls
- Dead Reckoning
- Timeless
- Killagorak
- I Accept
- Blood On The Foam
- The Sea
- Ballad Of James Tig
WINTER'S VERGE aus Zypern entführt uns musikalisch nach Tiberon, damit wir Zeugen werden, wie Kapitän James Tig den schrecklichen Killagorak jagt.
Oder ist dieses Seemonster etwa doch nicht so heavy-metal-mäßig fies, wie im Info-Text angedeutet wird? Wir werden sehen, beziehungsweise hören.
Werte Leser, den etwas mysteriösen einleitenden Worten könnt ihr entnehmen, dass die zyprischen Powermetaller ein Konzeptalbum vorlegen. Dieses spielt inhaltlich, wie alle Werke der Band, in einem eigens entwickelten Fantasy-Universum namens Tiberon. Die Geschichte zu "The Ballad Of James Tig", dem fünften Studioalbum von WINTER'S VERGE, wurde vom zyprischen Autor und Dramatiker Frixos Masouras geschrieben. Sie handelt von James Tig, der als kleines Kind seine Familie auf dem Meer verlor. Der Junge setzte sich das Lebensziel, den legendären Killagorak zu finden. Dieses Seemonster hat, so glaubt James, seine Familie getötet. Deshalb will er an dem Viech Rache üben!
In Sachen Power Metal gehört WINTER'S VERGE wohl zum Feinsten, was auf der Mittelmeerinsel zu finden ist, wenn man der Plattenfirmeninfo Glauben schenkt. Die seit dem Jahr 2005 bestehende Band hat bereits vier Alben und drei EPs auf dem Kerbholz sowie 2010 und 2016 zwei Europatourneen absolviert, unter anderem als Support von STRATOVARIUS. Die bisherigen Werke orientieren sich stark am Power Metal der etwas melodiöseren, symphonischen Gangart.
Auch wenn sich auf jeder Scheibe der Zyprer gute, live-taugliche Songs finden, die Powermetaller beim Anhören von Zeit zu Zeit anerkennend mit dem Kopf wackeln lassen: Dieses eine Überalbum, das als Synonym für den Bandnamen genannt werden könnte, war bisher nicht dabei! Das wollten George Charalambous (Gesang), Deniel Pavlovsky und Savvas Parperi (Gitarren), Stavry Michael (Keyoard), Miguel Trapezaris (Bass) und Danny Georgiou (Schlagzeug) dringend ändern und gingen diesmal hochambitioniert ans Werk: Riesiger Klangumfang und symphonischer Sound waren die selbstgesteckten Ziele!
Diese wurden beide erreicht. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die Band die Gelegenheit zu Orchesteraufnahmen hatte, jedenfalls hören sich die Passagen und Einspieler mit klassischer Musik sehr echt und klanglich richtig gut an. Wenn das zu Hörende mit Keyboards erzeugt wurde, kann man nur staunen und ehrfürchtig dem Killagorak huldigen! Und was noch viel wichtiger ist: Die Untermalung mit den klassischen Instrumenten passt und wird ideenreich eingesetzt! So wurden zum Beispiel auch manchmal einzelne klassische Instrumente zur Phrasierung benutzt und Chöre verwendet, die sich ebenfalls sehr authentisch anhören. Wenn hierbei technisch getrickst wurde, dürft ihr ebenfalls dem Killagorak zum Dank noch eine Banane in den Gartenteich legen (sofern vorhanden)! Eventuell, so meine Vermutung, hat man dafür mit der Stimme von Teodora Stoyanova Freya von MAGIC OF THE NORTH technisch herumgebastelt, die in einigen Liedern die Rolle der Nina singt. Wenn das vermeintlich "vollständige Orchester" zu hören ist, entfaltet sich wunderbarerweise eine klangliche Wucht, die beeindruckend gut zu den Songs passt und von den Musikern im Vorfeld der Produktion sicherlich erhofft wurde.
So gut der symphonische Klang mit, das unterstelle ich jetzt einmal, im Vergleich zu anderen Produktionen dieses Genres eher schmalen finanziellen Mitteln auf diesem Konzeptalbum auch umgesetzt wurde, ist er doch zugleich die Archillesferse des Werkes! Die Songs klingen durchgängig sehr getragen und die Musiker scheinen in Anbetracht der Ehrfurcht vor ihrem großen Vorhaben geradezu vorsichtig agiert zu haben. Wirklich metallische Power-Eruptionen und unberechenbare, gänsehauterzeugende Gitarrenmomente, vor allem in Bezug auf Soli, finden sich auf der Scheibe trotz aller "klassischen" Wucht kaum. Gerade dieser Konzeptstory über die Jagd nach einem Seemonster hätte in meinen Ohren etwas mehr metallische Wildheit sehr gut zu Gesicht gestanden. Man nehme als Beispiel das zweiminütige Instrumental, währenddessen der 'Killagorak' (Nr. 5) zum ersten Mal erscheint: Anstatt metallischer Monsterpower kredenzt WINTER'S VERGE ein 'Der-weiße-Hai-lässt-grüßen-Stakkato' mit Tuba-Gedröhne, Chor-Gestammel und geflüstertem Rezitativ! Überhaupt: Für mich klingt der Name des Monsters immer nach "Killer-Anorak" oder wahlweise "Killer-Gorilla", aber ich schweife ab... .
Das Album wirkt auf mich im Ganzen zu brav und für den gemeinen Metalhead ein wenig zu anstrengend. Man benötigt einige Durchläufe, um sich hineinzuhören, wofür man auch dringend die erforderliche Aufmerksamkeit und Geduld mitbringen sollte, da sich einem viele Passagen nicht sofort erschließen und man sich bei wenig Erfahrung mit Klassik erst einmal an die vielen musikalischen Phrasierungen mit ungewöhnlichen Instrumentenklängen gewöhnen muss. Und vor der namensgebenden, das Konzeptalbum abschließenden 'Ballad Of James Tig' (Nr. 9) sei gewarnt: Folklorehasser sollten ihren Hörgenuss nach 'The Sea' schnellstens beenden!
Dennoch entdeckt man mit der Zeit viele schöne und bisweilen großartige musikalische Momente auf der Scheibe! Meine Anspiel-Tipps sind 'A Thousand Souls' (Nr. 3), das ohne Frage überaus gelungene 'I Accept' (Nr. 6) zu dem ein Lyric-Video produziert wurde, das ursprünglich meine Aufmerksamkeit auf die Band und das Album lenkte, sowie schließlich das Finale in Gestalt der Stücke 'Blood On The Foam' (Nr. 7) und 'The Sea' (Nr. 8). Die selbst gesteckten Ziele der klanglichen Vielfältigkeit und symphonischen Ausgestaltung konnte WINTER'S VERGE sehr erfolgreich durchgängig umsetzen, das Album hört sich nach dem berühmten "einen Guss" an! Für mein Dafürhalten wird "The Ballad Of James Tig" in den nächsten Monaten von den Fans der Band den Status als Referenzalbum erhalten.
Die Punktevergabe fiel mir bei diesem Album persönlich sehr schwer, ich konnte mich letzten Endes aber mit mir selbst auf 7,5 Punkte einigen. Zur Orientierung: Je nach gedanklich eingenommenem Blickwinkel schwankte ich zwischen 6 und 8,5 Punkten.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timo Reiser