WITCHFYNDE - Give 'Em Hell
Mehr über Witchfynde
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Rondelet Records
- Release:
- 15.02.1980
- Ready To Roll
- The Divine Victim
- Leaving Nadir
- Gettin' Heavy
- Give 'Em Hell
- Unto The Ages Of The Ages
- Pay Now - Love Later
Die NWoBHM auf der Suche nach Hexen und Okkultismus
Wo WITCHFYNDE für manche in Abgrenzung zu VENOM als Beispiel für "echten" Okkultismus im Heavy Metal der frühen Achtziger gilt, da gibt es nicht wenige, die zweifeln, dass es Montalo & Co. mit ihrer Lyrik wesentlich ernster gewesen sei als Cronos, Mantas und Abaddon. Fakt ist dennoch, dass die Band mit ihren Songtiteln, ihren Artworks und mit ihrem generell recht düsteren musikalischen Ambiente zwischen Hardrock, Proto-Doom und krautigem Prog durchaus ihren Einfluss auf die im Entstehen begriffene okkulte Ikonographie des Heavy Metals gehabt haben dürfte.
Gegründet wurde WITCHFYNDE bereits in der ersten Hälfte der Siebziger, als sich nach einigen frühen Wirrungen im Line-up schließlich Schlagzeuger Gra Scoresby und Gitarrist Montalo (alias Trevor Taylor) entschlossen, mit einem okkulten Konzept neue Akzente zu setzen und wohl auch, um damit etwas mehr Erfolg zu haben. Es sollte indes eine ganze Weile dauern, bis die Zusammenarbeit nennenswerte Früchte tragen würde. Im Jahre 1975 waren zwar bereits sehr unausgereifte Demoaufnahmen entstanden, die erst im Jahre 2013 über Vyper Records / Bad Omen Records einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, dabei allerdings noch eine Band präsentierten, die sich selbst und ihren Stil noch nicht so recht gefunden hatte. Das sollte sich allerdings schon bald ändern, fand die Band doch unter dem Einfluss von BLACK SABBATH und diverser okkult ausgerichteter Rockbands ihres Jahrzehnts recht bald zu einem dunkel und etwas muffig klingenden, sich dabei aber sehr theatralisch und wirkungsvoll in Szene setzenden Ausdruck, der 1979 in der Debütsingle "Give 'em Hell" mündete, die im sich gerade formierenden NwoBHM-Untergrund ordentlichen Anklang und Absatz fand, was nicht zuletzt daran gelegen haben mag, dass Tommy Vance der Band einiges Airplay in der "BBC Radio 1 - Friday Night Rockshow" zugestand.
So war das neue Jahrzehnt noch keine zwei Monde alt, als die Hexensucher aus dem Herzen Englands ihr Debüt herausbrachten, welches den selben Titel trug wie die voran gegangene Single. Teufelskopf und Pentagram bedienten das gewählte Klischee ebenso perfekt wie die satanischen Farben schwarz, silber und rot, in welchen das Artwork gehalten ist. Dass sich die Gelehrten heute darüber streiten, ob sich der okkulte Anstrich auch musikalisch widerspiegelt, ist mir hierbei jedoch nicht ganz nachvollziehbar, denn es lässt sich kaum verleugnen, dass WITCHFYNDE sich über weite Strecken des Debütalbums durchaus düster und hintergründig präsentiert. Musikalisch haben wir es mit hartem Rock'n'Roll zu tun, der seine bluesigen Wurzeln vor allem in Montalos Gitarrenspiel nicht verleugnet, der jedoch bereits mit dem recht flott dahin preschenden Opener 'Ready to Roll' eine bemerkenswerte Schwere offenbart. Dazu kommt Steve Bridges relativ weicher und in mittelhohen Tonlagen angesiedelter, dabei aber stets beschwörend wirkender Gesang, der sehr wohl geeignet ist, eine feine Hammer-Horror-Gruselstimmung aufkommen zu lassen, wofür 'The Divine Victim', diese getragene Ode an die auf dem Scheiterhaufen verbrannte Johanna von Orléans ein perfektes Beispiel ist.
Doch das Album hat noch weitere Überflieger am Start, wie etwa das nachfolgende Sechsminutenepos 'Leaving Nadir', das ein gewisser Lars Ullrich viele Jahre später für den von ihm präsentierten "NWoBHM '79 Revisited"-Sampler auswählen sollte, und das aus gutem Grund, zeigt das Stück die Band doch von ihrer besten Seite. Verträumt von entrückt gezupften Gitarren eingeleitet, nimmt das Lied erst nach gut anderthalb Minuten Fahrt auf, entwickelt einen getragenen, Proto-Doom-Drive und glänzt mit intensiven, rituellen, ja, teils gar manischen Gesangsmomenten. Malc Macmillan spricht in seiner "The N.W.O.B.H.M. Encyclopedia" zwar ein vernichtendes Urteil über das Stück, das er als undurchdringlichen, verzichtbaren Unfug bezeichnet, doch ich wähne mich in guter Gesellschaft, wenn ich dem sehr geschätzten Chronisten hier entschieden widerspreche, denn für mich bringt genau dieses Stück die Magie der Band perfekt auf den Punkt. Dass es der recht gemächliche und gewöhnliche Rock'n'Roller 'Gettin' Heavy' danach etwas schwer hat, das Niveau zu halten, kommt wenig überraschend, doch durch die leicht hysterischen Züge der Schreie im Refrain sorgt auch dieser Titel für etwas Aufmerksamkeit, bevor die A-Seite der Platte ihr Ende findet.
Die Rückseite des Vinyls beginnt dann mit dem bereits von der Single aus dem Vorjahr bekannten Titelstück, das fraglos ein weiterer Klassiker der frühen NWoBHM ist und den Hörer mit seinem harten Riffing und dem angezogenen Tempo in seinen Bann zieht. Dass die Scheibe danach ein wenig nachlässt, das liegt vorrangig an dem folgenden Neunminüter 'Unto the Ages of the Ages', der alleine mehr als die Hälfte der B-Seite in Anspruch nimmt und bei dem es das Quartett mit dem entrückt-sphärischen Geschwurbel ein wenig übertreibt. Die Atmosphäre ist trotz einer heftigen BLACK SABBATH-Schlagseite und unverkennbaren Krautrock-Einflüssen zwar halbwegs originell und diverse Gesangselemente haben ihren Reiz, doch leider kippt das Stück durch seine Länge, die gesprochenen Passagen mit ambientem Sphärenrauschen und den fehlenden roten Faden etwas zu sehr ins Esoterische. Als würde sie für diese kleine Länge entschädigen wollen, schließt die Band ihr Album hernach jedoch mit dem kürzesten Stück, dem recht hart, dabei aber doch verhältnismäßig fröhlich rockenden 'Pay Now - Love Later' ab, das unmissverständlich klar macht, dass es bei WITCHFYNDE eben doch nicht nur um Tod und Teufel, sondern durchaus auch um weitaus weltlichere Dinge ging.
So bleibt am Ende ein sehr schönes Album, das aus meiner Sicht zumindest vier echte Volltreffer zu bieten hat, und das durch sein Gesamtkonzept einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des okkult und diabolisch angehauchten Metals ausübte. Natürlich nicht in dem Maße wie BLACK SABBATH, VENOM oder BATHORY, doch gerade was das finstere Element in den weniger extremen Spielarten des traditionellen Metals angeht, haben Montalo und seine Mitstreiter fraglos ihr Scherflein beigetragen. Allein die Tatsache, dass die Band aus den Midlands danach die Möglichkeit bekam, für 40 Dates mit den direkt an der Schwelle zu großen kommerziellen Durchbruch stehenden Kollegen von DEF LEPPARD durch England zu ziehen, die gerade "On Through the Night" veröffentlicht hatten, mag man als Beleg dafür werten, dass WITCHFYNDE zur damaligen Zeit deutlich mehr Anerkennung erfuhr, als uns heute bewusst ist.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle