WITT, JOACHIM - Neumond
Mehr über Witt, Joachim
- Genre:
- Synthi-Pop / Dark Wave
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Oblivion / SPV
- Release:
- 25.04.2014
- Aufstehen
- Die Erde brennt
- Bis ans Ende der Zeit
- Mein Herz
- Es regnet in mir
- Strandgut
- Ohne dich
- Neumond
- Spät
- Dein Lied
- Frühlingskind
- Fahnenmeer
Er macht sein Ding und das ist gut so!
JOACHIM WITT ist schon eine beeindruckende Persönlichkeit. Seit über 40 Jahren prägt der Hamburger aktiv die deutsche Musiklandschaft und hat sich dabei stets neu erfunden. "Neumond" ist nun das 14. Studioalbum des inzwischen mit langen grauen Haaren geschmückten Sängers. Es führt konsequent den vom 2012er Werk "Dom" neu eingeschlagenen Weg fort. Die NDW-Phase wurde spätestens mit "Kapitän der Träume" beendet. Darauf folgte mit der "Werkreihe Bayreuth" teils sehr erfolgreicher Industrial-Gothic-Rock. Mit Abschluss eben jener Reihe widmet sich WITT mittlerweile eingängigem Synthie-Pop.
Damit hatte ich zunächst so meine Probleme, war der 65-Jährige mit "Eisenherz" doch einer der Hauptverantwortlichen für meine damals erst entstehende Liebe zur harten Musik. Den Bruch, der mit "Dom" einherging, musste ich also logischerweise erst einmal verdauen. "Neumond" geht nun sogar noch einen Schritt weiter. Das liegt vermutlich auch an der Kollaboration mit Martin Engler (MONO INC.), der laut Credits fast die komplette Musik für das neue Album geschrieben und programmiert hat. Viele der neuen Songs sind überraschend tanzbar, einige schielen sogar in Richtung Schlager. Und eine richtige Band dürfte das Aufnahmestudio nicht gesehen haben. Interessant war es übrigens, die neuen Songs auf der "Neumond"-Tour mit kompletter Band zu erleben. Das hätte den Studioaufnahmen auch sehr gut zu Gesicht gestanden. An der Textfront wurde ebenfalls etwas abgespeckt. Joachim Witt hat dem ganz dicken Pathos mittlerweile abgeschworen. Zwar geht es immer noch um tiefe Gefühle, Liebe, Hass, Selbstzweifel, aber die Unterschiede zum früheren Schaffen fallen definitiv auf. Die benutzten Vokabeln liegen nicht mehr ganz so schwer im Magen.
Trotz aller Veränderung und der negativen Kritik gefällt mir "Neumond". Und das liegt vor allem an der unwiderstehlichen Präsenz des Großmeisters. Wenn ich diese Stimme höre, wenn mir Joachim Witt über seine tiefsten Gefühle erzählt, dann kann ich nicht objektiv bleiben. Die musikalische Umsetzung mag weit entfernt von meinen sonstigen Hörgewohnheiten sein, aber sobald der Goldene Reiter seine Stimme erhebt, bin ich völlig gefesselt. Zumal die meisten Lieder auch echt gelungen sind. 'Aufstehen' verpasst mir ob seiner positiven Stimmung und seines mitreißenden Refrains jedes Mal eine Gänsehaut. 'Bis ans Ende der Zeit' ist ein unfassbar gefühlvolles Liebesgeständnis, das mir tatsächlich den Atem raubt, weil mir der Text aus dem Herzen spricht. 'Strandgut' ist ein Popsong, dessen Widerhaken-Refrain sich tagelang ins Gehör nistet. Im Erzähl-Intermezzo 'Neumond' kommt Joachim Witts hintergründiger Humor zum Vorschein. Und mit 'Dein Lied' ist sogar noch eine Nummer vorhanden, die auch in die Neue-Deutsche-Härte-Zeit gepasst hätte. Für Fans von Synthie-Pop und Freunde deutschen Liedguts, das die Grenze zum Schlager ruhig mal übertreten darf, ist "Neumond" definitiv zu empfehlen! Denn immer wenn der instrumentale Abschiedsgruß 'Fahnenmeer' verklingt, huscht mein Finger ganz heimlich zur Repeat-Taste. Ein gutes Zeichen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Marius Luehring