WITT, JOACHIM - Rübezahls Rückkehr
Mehr über Witt, Joachim
- Genre:
- Gothic/Dark Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Ventil / The Orchard
- Release:
- 08.05.2020
- Geist an das Licht
- Kopfschwul
- Die Rückkehr
- Schmerzende Welt
- Gib mir den Himmel
- Steinzeit
- Ich bin immer noch hier
- Wo blüht der Mohn?
- Zora
- Rote Tränen
- Windstille
Auch mit einundsiebzig noch kein bisschen leise.
Man könnte meinen, das Alter brächte Milde mit sich. Mag auch des Öfteren stimmen - auf das Urgestein der deutschen Musik JOACHIM WITT allerdings trifft das keineswegs zu. Passend zum vierzigsten Jubiläum des NDW-Hitlisten-Stürmers "Silberblick" (ja, das Album mit dem güldenen Pferdchensitzer) veröffentlicht der Vollbebärtete mit "Rübezahls Rückkehr" eine Fortsetzung zum 2018er Werk "Rübezahl", mit dem die Rockmusik wieder stärker in den Mittelpunkt rückte. Und genau dort setzt dieser zweite Teil (sozusagen) begrüßenswerter Weise wieder an. Erneut an vielen Fronten unterstützt vom LORD OF THE LOST Chris Harms zimmerte WITT sein wohl härtestes Album seit vierzehn Jahren zusammen.
Denn schon der Beginn ist mit 'Geist an das Licht' durchaus brachial geraten. Musikalisch unerbittlich kraftvoll umgesetzt, ist der Text Klage und Aufforderung zugleich, eine Abrechnung mit dem verkühlten deutschen Gemüt und ein Herbeisehnen von mehr Denkvermögen und Mitgefühl. Aufrüttelnd und laut nimmt schon der erste Song direkt gefangen. Mit 'Kopfschwul' folgt dann ein Song, der auch von RAMMSTEIN hätte stammen können, lyrisch etwas ausgefeilter als die Berliner zuletzt, instrumental dagegen astreiner Industrial Metal - ein echter Brecher, der für noch mehr offene Ohren sorgt.
'Die Rückkehr' hätte natürlich auch als erster Titel Sinn ergeben. Doch da der Hamburger sich hier deutlich zurück nimmt und es sich um eine wundervoll gefühlsam gesungene und romantische Streicher-Ballade handelt, passt Platz drei ziemlich gut, um das Vorherige verdauen zu können. 'Schmerzende Welt' ist wieder etwas schwunghafter, wenngleich ebenso ohne Rock. Stattdessen offenbart sich hier ein schmucker Synthie-Popsong - musikalisch eigentlich überhaupt nicht meins, aber Stimme und Text legen mich, wie schon so oft zuvor, völlig in Ketten. Wenn WITT singt, dann lausche ich.
Bei 'Gib mir den Himmel' gibt es wieder Gitarre, aber die melodische Arbeit lastet auf Tasten. Das pompöse Drama ist absolut treffsicher umgesetzt und gesanglich spart sich der Meister hier in keinster Weise auf, ich mag es unvergleichlich nennen. 'Steinzeit' knallt dann im Refrain wieder voll ins Hartherz. Das harte Riffing bringt die Nackenmuskulatur in Wallung, bevor 'Ich bin immer noch hier' den Ohrwurm malträtiert. Dahinter verbirgt sich ein fein akzentuierter Kracher zwischen Trauer und Mut, ein Höhepunkt auf "Rübezahls Rückkehr".
Und auf einen Höhepunkt folgt direkt ein zweiter, denn 'Wo blüht der Mohn?' hat sich mir schon beim ersten Durchlauf eingebrannt. Eine klangvoll umgesetzte Gesellschafts- und Egoismuskritik mit Aufrüttelcharakter und der Fähigkeit zur Gänsehaut, da bin ich doch direkt Fan. 'Zora' wird eingeleitet vom herzerweichenden Gesang der mir unbekannten Bulgarin Gergana Dimitrova und ist mit seiner ungestümen Dramatik und dem spannenden Text im Gegensatz zum zuvor genannten Lied eines, das erarbeitet werden möchte.
In das Abschlussdoppel leitet 'Rote Tränen' traurig ein. Wieder hochdramatisch geschrieben, gesungen und gespielt bleibt auch dieses Stück gern im Ohr zurück. 'Windstille' greift das Thema der verblühten Blumen direkt im Anschluss wieder auf, ist aber ungleich leichtfüßiger und positiver. Ein toller Abschluss.
Im direkten Vergleich zum Vorgänger erscheint die Rückkehr flüssiger und besser aufeinander abgestimmt. WITT gab zu Protokoll, mit diesem Album bei sich und seiner musikalischen Heimat angekommen zu sein. Und ja, das hört man. Hier passt alles zusammen, die Bayreuth-Phase verwebt sich hier erstmals in Gänze und lückenlos mit der daran anschließenden Electro-lastigen Ära. "Rübezahls Rückkehr" ist ein sehr stimmiges Werk und gehört sicher in die Top 5 der WITTschen Diskographie.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marius Luehring