YOB - The Unreal Never Lived
Mehr über Yob
- Genre:
- Doom Metal
- Label:
- Metal Blade / SPV
- Release:
- 05.09.2005
- Quantum Mystik
- Grasping Air
- Kosmos
- The Mental Tyrant
Nach bereits zehn Monaten stehen die Extremdoomer aus Oregon mit dem Nachfolger ihres superben dritten Albums "The Illusion Of Motion" in den Startlöchern, und wie der Vorgänger folgt auch das erneut genial betitelte "The Unreal Never Lived" dem Schema, knapp über fünfzig Minuten Musik in vier ausladende Kompositionen zu verpacken, deren Spielzeiten zwischen neun und einundzwanzig Minuten in Anspruch nehmen. Es ist also gleich von Anfang an klar, dass die Jungs um Sänger und Gitarrist Mike Scheidt auch dieses Mal keinerlei Kompromisse eingehen und weiterhin ihre ganz eigene Vision von Doom Metal zelebrieren, und das ist gut so.
Dabei klingt "The Unreal Never Lived", das zudem von einem wirklich atemberaubenden Cover geziert wird, keineswegs wie eine Neuauflage des Vorgängers, sondern hat durchaus seinen eigenen Charme und fügt dem Arsenal der Band neue Facetten hinzu, die sich allerdings logischerweise nicht sofort erschließen, sondern die ihr euch erst erarbeiten müsst, indem ihr das Album einige Male aufmerksam und intensiv hört. Dazu sei jedoch gesagt, dass die neue Scheibe von YOB bereits von Anfang an fesselt und das Erarbeiten so eher zum Vergnügen wird als übermäßig anzustrengen. Ihr könnt euch also von dem sphärischen Einstieg von 'Quantum Mystic' mit Donnerschlag und entspannt orientalischem Basslauf an auf ein tolles Hörerlebnis freuen, das eine wahnsinnige, teils durchaus gewollt perseverative aber niemals eintönige Aura hat und dabei streckenweise fast mantrisch-hypnotische Wirkung entfaltet. Die bedingungslos heftigen und schneidenden Riffs fließen aus den Boxen wie langsam erkaltende Lava, werden aber oftmals durch psychedelische Passagen unterbrochen, bei denen Bass oder Gitarre den Melodielinien eines Sitarspielers zu folgen scheinen, nur um wieder Platz zu machen für massiv verzerrte Gitarrenwände, die sich unfassbar hoch auftürmen und ein Entkommen unmöglich machen. YOBs Musik ist wie eine Spirale, die den Hörer immer tiefer in die spirituelle Welt der Protagonisten und in den Kosmos der eigenen Gedanken entführt. Dabei thront Mikes Stimme über allem. Sie ist außergewöhnlich und sehr emotional, dabei derart vielseitig, dass sie vom hohen, klagenden Gesang mit abgedrehten Hooklines, über bizarres Wimmern bis zu derbem Growlen alles abdeckt, was in den Gefühlswelten extremen Dooms benötigt wird. 'Grasping Air' ist mit gerade mal neun Minuten Spielzeit regelrecht kurz geraten und dabei auch sehr fesselnd. Gerade das unbarmherzig monotone Hauptriff gibt dem Stück mit seiner Verwandtschaft zu doomigeren SATYRICON-Stücken eine tiefschwarze Ausstrahlung, die auch der flüsternd-wehklagende bis boshafte, gelegentlich auch leicht verhallte Gesang perfekt unterstreicht.
Das ebenfalls mit guten zehn Minuten ins Ziel laufende 'Cosmos' ist der vielleicht am schwersten verdauliche Titel des Albums und lässt den Akkorden viel Zeit, ihr brummendes Werk zu verrichten und sich in den Schädel zu fräsen. Dabei ist die Schwere dieses Stückes schon fast nicht mehr in Worte zu fassen. Fans von NEUROSIS oder KHANATE dürften sich begeistert zeigen, wobei auch Liebhaber etwas traditionellerer, metallischerer oder rockigerer Doomvarianten auf ihre Kosten kommen, wenn sich die Band in leichtere, psychedelische Passagen wagt, die sowohl Fans des psychedelischen Rocks der 70er als auch Stoner-Rockern blendend reinlaufen dürften, da es YOB gelingt, trotz der perseverativen Momente auch sehr viele eingängige und fesselnde Melodien in ihren Sound zu integrieren anstatt nur vor sich hin zu dröhnen. Zu den dominierenden Growls gibt es auch hier wieder die eine oder andere Passage, die Mike mit seinem unverkennbaren Klargesang veredelt, der im Doom Metal durchaus einen Sonderstatus einnimmt.
Mit 'The Mental Tyrant' haben die Jungs das dickste Ding aber noch in der Hinterhand behalten. Der Einundzwanzigminüter beginnt als purer, sehr getragener und extrem sphärischer Space-Rocker mit einem erstklassigen Seelentrip als Einstieg, der sich erst nach dreieinhalb Minuten in schwerere Regionen vorwagt und trotz aller monumentalen Epik und ausladender Arrangements keine Sekunde Leerlauf zulässt. Viel mehr möchte ich über diesen Hammertrack eigentlich auch nicht mehr verraten, nur so viel: Er hält auch nach Einsetzen des Gesangs noch einen ganzen Stall voll Überraschungen parat und präsentiert sich mir so als eines der großartigesten extremeren Doomwerke der letzten Jahre.
Dasselbe gilt auch für das ganze Album, mit dem Mike & Co. nun endlich die breitere Anerkennung zuteil werden sollte, die sie schon lange verdient haben. Ich finde jedenfalls, dass man diese Art von Doom musikalisch nicht besser in Szene setzen kann, und nachdem auch das Artwork absolut erstklassig geworden ist und die sich mit orientalischem Mystizismus und Quantenphysik befassenden Texte gehobene Ansprüche erfüllen, kann ich erneut nicht umhin, der doomenden Gemeinde - sofern sie auch Extremeres als den epischen Doom Metal von CANDLEMASS und Co. verträgt - eine bedingungslose Reinhör-Empfehlung zu erteilen. Diese Band hat eure Aufmerksamkeit definitiv verdient.
Anspieltipps: Quantum Mystic, Grasping Air, The Mental Tyrant
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle