YOUNG, NEIL - Psychedelic Pill
Mehr über Young, Neil
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Reprise (Warner)
- Release:
- 26.10.2012
- Driftin' Back
- Psychedelic Pill
- Ramada Inn
- Born In Ontario
- Twisted Road
- She's Always Dancing
- For The Love Of Man
- Walk Like A Giant
- Psychedelic Pill (Alternate Mix)
Der nächste musikalische Frühling des Godfather of Grunge
NEIL YOUNG ist also wieder da. Nach den nicht ganz geglückten Folk-Coversongs auf "Americana" liegt endlich ein neues Studiowerk mit seiner Band CRAZY HORSE vor, das sich, so viel sei vorweg genommen, gewaschen hat. Zwei CDs mit eineinhalb Stunden Spielzeit warten darauf, erkundet zu werden.
Ein guter Test für ein Album ist immer der CD-Schacht im Auto. Gesagt, getan und die erste CD der "Psychedelic Pill" eingeworfen. Eine halbe Stunde später, ich bin mittlerweile durch das halbe Ruhrgebiet gefahren, ändert sich die Anzeige von Track 1 zu Track 2. 'Drifting Back' bringt es nämlich auf stolze 27 Minuten und steht sinnbildlich für die große Qualität von Neil Young und seiner Band: aus kleinen Ideen ausufernde Songs in absoluter Überlänge zu machen, die den Hörer nicht langweilen. Und ganz gleich, ob im Auto oder auf dem heimischen Sofa: "Psychedelic Pill" versüßt so manche Stunde vor den Lautsprechern.
Doch die Eindrücke der ersten Durchläufe sollen sich ja nicht nur auf den ersten Track beziehen. Es gibt schließlich auch kurze Songs, die erwähnenswert sind. Gleich die nächste Nummer, der Titeltrack 'Psychedelic Pill', lässt wieder klar werden, wieso Mr. Young den Beinamen Godfather of Grunge trägt. Kann man diesem Sound widerstehen? Diese wunderbar sphärischen Klampfen in Verbindung mit der einzigartigen Stimme des Meisters?
Nun, ohne jetzt all zu sehr in Klischees zu verfallen, ich muss gestehen, dass Songs wie das großartige 'Born In Ontario' mir die endlosen Weiten Amerikas vor Augen führen, während ich die Musik höre. Nicht etwa spektakuläre Landschaften, sondern einfach Felder und Wälder so weit das Auge reicht. Denn genau so sind die Songs von NEIL YOUNG gestrickt: mit den einfachsten Mitteln wird eine besondere Stimmung kreiert.
Stört es mich, dass im nächsten Song sehr ähnliche Harmonien und Akkordfolgen auftauchen? Nein, seltsamerweise ereilt mich bei der psychedelischen Pille nicht die Suche nach Monotonie, nach Ansatzpunkten für Kritik. Selbst wenn die drei Minuten von 'Twisted Road' absolut unauffällig sind, sind sie dabei trotzdem großartig und wollen immer wieder gehört werden.
Neben den teils abgedrehten, teils pittoresken Kompositionen findet der geneigte Hörer auch Töne der sanften Art unter den neun Songs. 'For The Love Of Man' wird für viele lediglich ein Intermezzo sein, Fans mit mehr Hang zu Kitsch und Klammerblues werden auch diese vier Minuten genießen können. Was aber darauf folgt, ist - man wagt es kaum zu sagen - womöglich einer der größten Songs aus dem Katalog von NEIL YOUNG & CRAZY HORSE. Die Rede ist von dem 16-minütigen 'Walk Like A Giant', das abermals durch die fantastische Gitarre von Mr. Young besticht und durch kleine Spielereien (z.B. die gepfiffenen Backing-Hooks) plötzlich ganz groß wird. Ganz subtil scheren die Instrumente aus dem Gefüge aus, beginnen etwas anderes zu spielen und machen aus diesem Song eine so variable Angelegenheit, dass man wirklich ganz genau hinhören muss. Und so wie in den letzten Minuten dieses Panorama-Gemäldes das vorherige demontiert wird, vermag es kein zweiter. Einfach nur gut!
Mit einer Mischung aus Begeisterung und Verstörtheit klingt das Album aus, Song Nummer neun ist lediglich eine alternative Version des Titeltracks. Was gibt es zu "Psychedelic Pill" zu sagen? Herausgekommen ist dabei nicht weniger als eines der besten Werke, die der Godfather of Grunge mit CRAZY HORSE zusammen aufgenommen hat. Einige Songs haben die Qualität, auch langfristig mit den ganz großen Nummern mithalten zu können und sich den CD-Player auf Tage und Wochen unter den Nagel zu reißen. Wenn jemand mit so einer Vehemenz gegen den Starbucks-artigen Konsum von Musik hetzt wie NEIL YOUNG, ist das angesichts der Musik, die der Mann immer noch schreibt und aufnimmt, mehr als authentisch. Dieses Album lässt sich nicht eben in der S-Bahn auf den Player laden und ist nach den übrigen zehn Minuten bis zum Büro ausgehört. Deswegen: kaufen, hören, genießen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Nils Macher