ZAHN - Adria
Mehr über Zahn
- Genre:
- Post Rock / Elektro
- ∅-Note:
- 4.00
- Label:
- Crazysane Records
- Release:
- 01.08.2023
- Zebra
- Zehn
- Schmuck
- Apricot
- Faser
- Tabak
- Yuccatan 3E
- Amaranth
- Velour
- Kotomoto
- Idylle
Experimentell, aber auch sehr, sehr anstrengend.
Ein berliner Trio, das instrumentelle Musik spielt. Das ist der Ausgangspunkt, aber der Hörer stellt fest, dass das nur die halbe Wahrheit ist, die Band zelebriert ihre Stücke nämlich geradezu und wirft alles in die Waagschale, derer sie habhaft werden konnte.
Aber langsam, erst einmal die Fakten. "Adria" ist das zweite Album der Drei und umfasst über 80 Minuten Musik auf zwei CDs. Als Produzent wurde Peter Voigtmann engagiert, den man von THE OCEAN kennen darf, für das Mastering zog man nach Stockholm zu Magnus Lindberg, der auch bei CULT OF LUNA mitwirkt. Eine gewisse Tendenz in Richtung Post-Rock und Elektronik kann man dadurch eventuell erwarten, aber so einfach macht es uns ZAHN nicht.
Oder anders gesagt: Überhaupt nicht einfach. Diese Doppel-CD ist definitiv nicht Easy Listening und noch deutlicher nicht vorhersehbar, es sei denn in der Tatsache, das die Band gerne mal mit verschiedenen Sounds spielt, sodass man sich auf alles gefasst machen muss. Einzig die Tatsache, dass fast immer irgendwann doch noch ein Lied entsteht, hält die elf Stücke zusammen. Außer beim Opener 'Zebra', der mit über dreieinhalb Minuten Keyboardgedudel nervt. Das kann man als Intro durchgehen lassen, aber das nachfolgende 'Zehn' braucht auch nochmal mehr als eine Minute, bis irgendetwas Erwähnenswertes passiert. Immerhin freue ich mich dann über einen mitreißenden Post-Rock-Kracher. Hey, jetzt haben sie mich, cool!
Leider nein. 'Schmuck' kommt auf beinahe zehn Minuten und beginnt wieder mit minutenlangen Soundcollagen. Hier müsste der Schiedsrichter einschreiten, das ist Zeitspiel. Ich bin durchaus progaffin und jazzgeeignet, mag auch elektronische Klänge, aber hier musiziert das Trio über zwei Drittel des Stückes ausschließlich für sich selbst. Dass man in 'Apricot' danach in einen GRAUZONE-Gedächtnis-Rhythmus verfällt, macht es nicht besser, weil auch das mit atmosphärischen Waber-Synthies mehr als die Hälfte des Stückes ausgewalzt wird.
Mittlerweile bin ich leider nicht mehr begeistert, sondern zunehmend verwirrt und warte auf irgendetwass, das mich dazu animieren könnte, diese Scheibe mehr als einmal aufzulegen. 'Faser' bringt beinahe zwölf Minuten auf die Waage, mir schwant Furchtbares. Aber diesmal darf ich mich über Elektro-Post-Rock mit Schmackes freuen, auch wenn es wieder einmal zu lange dauert, bis mal etwas Wucht ins Stück einzieht. Die beiden Antipoden aus Noiserock und Elektro-Spielerei funktionieren gut, allerdings wird es gegen Ende dann auch wieder zu lang für meinen Geschmack. Und das war bereits die komplette erste CD!
Ähnlich geht es auch auf Tonträger Nummer zwei zu, fette Post-Rock-Sounds wechseln sich mit Experimenten ab, die dynamische Bandbreite wird komplett ausgereizt, die Musiker und auch die Techniker haben ganze und sehr lobenswerte Arbeit geleistet, vor allem, weil 'Tabak' dann zur Abwechslung auch wirklich mal eine beeindruckende Komposition ist. Aber 'Yucatan 3E' ist schon wieder viel Gedudel mit wenig Ansätzen, ein strukturiertes Stück zu finden, erst 'Amaranth' holt mich dann wieder ab in einer Melange aus Garage, Sludge, Grunge und Noise, wofür man aber wieder viel zuviel Zeit benötigt. Der Rest bietet noch einmal einen Aufhorcher, als in 'Idylle' ein wohltemperiertes Saxophon erklingt, dessen warmer Klang einen unerwarteten Kontrapunkt zur kühlen Elektronik setzt.
Was mache ich jetzt damit? Ich habe es noch ein paarmal versucht, aber "Adria" ist für mich ein interessantes Experiment, das ich ganz sicher nicht zum Vergnügen anhören werde. Dass mir die Auswahl des Albumtitels und das tolle Coverfoto, das aber auch mit dem Inhalt einfach keine Verbindung zu haben scheint, nicht weiterhilft in meiner Suche nach dem Sinn des Ganzen, rundet nur meine Verwirrung ab. Mir kommt dieser Doppeldecker vor wie ein studentisches Klangexperiment voller erzwungenem Tiefsinn, bei dem ich sicher bin, dass mir die drei Berliner ihre Gedanken zu dem Albumtitel und -foto nennen und die Intention in Namen wie 'Velour', 'Faser' und 'Zebra' erklären könnten. Ich bin mir aber auch genauso sicher, dass ich wahrscheinlich keiner der Ausführungen auch nur entfernt würde folgen können.
Daraus folgt zweierlei: Erstens dass ich dem Album leider keine gute Note geben kann, denn wir bewerten ausdrücklich subjektiv und ich möchte die CDs nie wieder am Stück hören, ich fände maximal eine Viertelstunde Musik für meine Ohren, versteckt als Passagen in den einzelnen Stücken. Und zweitens die Erkenntnis, dass ich wahrscheinlich einfach zu doof bin für "Adria". Ich empfehle daher jedem, mal reinzuhören in diesen intellektuellen Künstlersound für die frühen Morgenstunden auf dem verranzten Teppich der Fachschaft nach der ASTA-Party, bei dem einem Dinge durch den Kopf gehen, die nicht nur plötzliche Gedanken sind, sondern möglicherweise etwas mit dem Konsum der vergehenden Nacht zu tun haben könnten.
- Note:
- 4.00
- Redakteur:
- Frank Jaeger