ZEAL & ARDOR - Greif
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/24
Mehr über Zeal & Ardor
- Genre:
- Black Metal/Music
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Redacted GmbH
- Release:
- 23.08.2024
- The Bird, The Lion And The Wildkin
- Fend You Off
- Kilonova
- are you the only one now?
- Go Home My Friend
- Clawing Out
- Disease
- 369
- Thrill
- une ville vide
- Sugarcoat
- Solace
- Hide In Shade
- to my ilk
Monster der Kunst.
Wie würde es klingen, US-amerikanischen Soul und Gospel mit harschem Black Metal norwegischer Gangart zu kombinieren? Was wäre, wenn sich Afroamerikaner den Gehörnten persönlich angeeignet hätten? Von der Idee über die Konzeption bis ins Hier und Jetzt hat sich das einst von Manuel Gangneux initiierte Projekt über die vergangenen zehn Jahre nicht nur zu einer in sich so stimmigen, homogenen Band, sondern vor allem in ein musikalisch wie künstlerisch so wertvolles Monstrum verwandelt, das die eingangs erwähnten Überlegungen schlichtweg in die Tat umgesetzt hat.
Während "Devil Is Fine" den Stein ins Rollen brachte und "Stranger Fruit" jenem noch etwas mehr Feinschliff verlieh, entpuppte sich "Zeal & Ardor" vor zweieinhalb Jahren zu einer blutrünstigen, fleischfressenden, aber per se trotzdem verletzlichen Bestie mit Seele, die die Band spätestens jetzt zu einer der interessantesten und innovativsten Entdeckungen der letzten Jahre machte. Und getreu des Mottos "Erwartet das Unerwartete" steht nun "Greif" in den Startlöchern, das vierte Kunstwerk aus dem Hause ZEAL & ARDOR.
In der Baseler Heimat Manuels zieht der Sage nach und traditionell ein mythisches Mischwesen mit dem Körper eines stolzen Löwen und den mächtigen Flügeln eines Adlers für die Kinder durch die Straßen als Symbol für die arbeitende Bevölkerung. Stärke und Erhabenheit, Epik und Anmut, Durchsetzungskraft und Anpassungsstärke steht dem "Greif" ins Gesicht geschrieben und so hätte für das neue ZEAL & ARDOR-Album wahrlich kein besserer Titel gefunden werden können. Erneut halten Manuel und Co. eine so intensive wie gefühlvolle wie rasende wie auch emotionale Achterbahnfahrt für uns bereit, die einerseits komplett anders klingt als die vergangenen drei Werke, aber ab dem ersten bis zum letzten Ton eines klar macht: Hier ist ZEAL & ARDOR am Werk.
Der gleichbetitelte Vorgänger hatte Schaum vor dem Mund, war finster und böse, steckte dennoch voller Gefühle, so anmutig und schön wie auch herzzerreißend, während sich Black Music und Black Metal in kongenialer Eintracht die Klinke in die Hand drückten. Suchte man damals nach einem Stellvertreter, hätte man durchaus 'Götterdämmerung' nennen können. Die neueste Götterdämmerung ist auf "Greif" allerdings 'Fend You Off', eine der ersten vier Singles. Wir beginnen mit einem schönen wie schaurigen Spieluhrenspiel, ehe Manuels souliger Einsatz sowie ein fettes Riff anschließend Fahrt aufnehmen. Ein so einbrennender wie mitreißender Refrain und das so geniale Gitarrenspiel nach 2:10 Minuten, das sich Schritt für Schritt in Raserei verwandelt, nur um am Ende wieder ins bekannte Klimperspiel umzulenken. Ein für jetzige ZEAL & ARDOR-Verhältnisse so perfekter Track, der gemeinsam mit dem ebenfalls ausgekoppelten 'Hide In Shade' exakt das ausdrückt, wofür die ersten drei Alben im Querschnitt stehen.
Dann haben wir jedoch die entspannte, gefühlvolle Seite des Greifs, die beispielsweise mit 'To My Ilk' hervorragend zur Geltung kommt, dem vor Wochen ersten, gehörten Ton sowie dem letzten Track des neuen Albums – ein Kreis schließt sich also. Weitere Tracks dieser Gangart wären das immens soulige, jazzige 'Disease' sowie das stark in den Fuzz reichende 'Supercoat' mit dieser so eindringlichen Melodie oder auch 'Solace', wohingegen das vor allem gegen Ende ein paar dichtere Wolkenbrüche zu bieten hat. Diese bringen in Form von 'are you the only one now?', dem beinah schon unheimlichen, verstörenden 'Clawing Out' sowie mit dem so stark rockigen wie mitreißendem 'Thrill' sehr viel Zugkraft mit. Nein, hier gleicht kein Ton dem vorangegangenen, hier drücken die Klangcollagen, die durch begeisternde Intermezzi wie 'une ville vide' oder '369' nochmals aufgelockert werden. Zwar weiß durch die immense Vielfalt nicht jeder Track gleichermaßen zu begeistern, deckt das Album dennoch so ziemlich alle Emotionen ab, die der menschliche Geist und der mächtige "Greif" zu bieten hat.
So homogen ZEAL & ARDOR als Band klingt, so einig sich alle unterschiedlichen Charakter dieses Kunstwerks sind, so gut wie die Mannschaft auch zusammengearbeitet hat, so heterogen und Fühler ausstreckend ist "Greif" am Ende auch geworden. Wer ein zweites "Zeal & Ardor" erwartet, wird enttäuscht, denn erneut hat sich ZEAL & ARDOR mit jeder Faser dieses mächtigen "Greif"-Wesens weiterentwickelt und eine so vielfältige wie auch schöne wie auch gewaltige Bestie von der Leine gelassen. Wie auch die beiden Live-Gigs – Amphitheater Gelsenkirchen sowie Tuska in Finnland – die ich bisher von ZEAL & ARDOR sehen durfte, so bannt dieses Team die immense Intensivität ihres Daseins hervorragend auf Platte. Die Band ist wie der "Greif" selbst, wie Black Metal/Black Music, wie die Idee der Afroamerikaner im Tanz des Teufels zu einer anmutigen, mächtigen und durchdringenden Einheit verschmolzen. Einer so heterogenen, vielfältigen und so abwechslungsreichen Einheit, wie ich sie selbst nach "Zeal & Ardor" nicht erwartet hätte.
An dieser Stelle möchte ich euch, liebe Leser, sowohl auf unsere Pommesgabel-Folge mit Manuel aufmerksam machen, in der wir sehr tief in den Hintergründen zu "Greif", aber auch der Entstehungsgeschichte und Live-Darbietungen gegraben haben. Erwähnen mchte ich auch unseren Leitartikel, der über die persönlichen Begegnungen und einmaligen, intensiven Erlebnissen mit ZEAL & ARDOR einiger unserer Kollegen berichtet. Und wenn sich ein einziges Wort durch die gesamte Historie von ZEAL & ARDOR zieht, dann ist es: intensiv.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp