Brokeback Mountain
- Regie:
- Ang Lee
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Brokeback Mountain
1 Review(s)
21.11.2007 | 15:53Filme unterhalten. Sie regen zum Denken an, polarisieren. Sie vermitteln einen Zustand, eine Moral, zeigen Gefühlswelten auf. Was der Zuschauer dabei mitnimmt, ist ihm selbst überlassen. Inwiefern er sich unterhalten lässt, das Gesehene interpretiert und verarbeitet, bleibt ebenfalls ein Privileg, das jeder für sich selbst genießen darf. Nicht selten wird dieses Privileg ausgenutzt. Der Film, nicht ein Film, wird falsch verstanden. Die Perspektive, der Fokus verlegt. So entstehen Kontroversen und Diskurse, die meines Erachtens nicht immer ihren Sinn und Zweck erfüllen.
So erging es zumindest Ang Lees Cowboy-Drama "Brokeback Mountain", als dieser 2005 die weltweiten Kinoleinwände zierte. "Brokeback Mountain" behandelt die heimliche Liebe zweier Cowboys zu einer Zeit, die derartige Beziehungen untersagt, an einem Ort, der homosexuelle Gefühle mit dem Tod bestraft. Die Aufregung und Empörung auf Seiten der konservativen Zuschauer war dementsprechend groß. So wurden Stimmen aus christlich-konservativen Kreisen laut, die dem Film vorwarfen, er propagiere einen homosexuellen Lebensstil und untergrabe christliche Wert- und Moralvorstellungen. Die Botschaft des Films, so heißt es, sei hochgradig unmoralisch, da die Konsequenzen des Ehebruchs in den Hintergrund rücken, und auf politischer Ebene bedenklich, zeichnet man ein uramerikanisches Männlichkeitssymbol als homosexuelles Männerbild über.
Dabei hat Ang Lees emotional ergreifendes Liebesdrama derartige Anschuldigungen nicht verdient. Es steht nicht die Sexualität der beiden Männer Ennis del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) im Vordergrund, denn diese ist beliebig austauschbar, sondern die schmerzhaften, schier unerträglichen Gefühle, die diese Affäre nicht legalisieren, sie im Verborgenen halten und somit die Zweisamkeit augenscheinlich in Stücke reißt.
1963, Wyoming. Der 19-jährige Ennis del Mar ist ebenso wie der Rodeoreiter Jack Twist auf Jobsuche. Sie bewerben sich bei Ranchbetreiber Joe Aguirre als Hirten für seine Schafherde und erhalten kurzerhand die Anweisung, die Herde zu einer ausgedehnten Weide auf dem Brokeback Mountain zu führen. Nachts teilen sich Ennis, der sein Zelt am Camp aufschlägt, und Jack, der bei der Herde schläft, die Wache auf. Aus Arbeitskollegen werden schnell Freunde, die sich am Lagerfeuer mit Whiskey in der einen und Zigarette in der anderen Hand über die Dinge der Welt unterhalten, wobei es eher Jack ist, der seinen Gedanken Sprache verleiht. Als Ennis eines Nachts derart betrunken ist, dass er unmöglich den Weg zur Herde zurück findet, schläft er bei Jack im Zelt. Und da passiert es. Nicht nur aus eigenem Selbstschutz heraus, tun die beiden die Sache als einmalig ab, auch die moralischen Bedenken der konservativen Gesellschaft lassen diese Beziehung vorerst erstarren. Nach Beendigung der Sommerarbeit trennen sich beide ohne freundschaftliche Geste voneinander.
Ennis kehrt zu seiner Verlobten Alma zurück, heiratet diese und zieht zwei kleine Tochter mit ihr auf, während Jack die gutaussehende Texanerin Lureen zur Frau nimmt. Die Jahre vergehen und Jack wird allmählich bewusst, dass seine Ehe an Oberflächlichkeiten kaum zu übertreffen ist. Er sehnt sich nach seiner Liebe Ennis, schreibt ihm eine Postkarte, um kurz darauf mit ihm auf dem Brokeback Mountain seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ihre Liebe scheint voller Hoffnung erfüllt, mit dem schleichenden Wissen, diese nur im Geheimen abhalten zu können. So treffen sich beide zweimal im Jahr auf dem Brokeback Mountain. Nein zu ihrem Leben, ja zu ihrer Liebe. Doch die ersehnte Zweisamkeit, ein Leben zwischen den beiden auf einer von ihnen aufgezogenen Ranch, hat keine Chance. Und das kann Jack nicht ertragen. Er versucht das letzte Mal, für ihre Liebe zu kämpfen ...
Hollywood steht schon lange als Synonym für reines Unterhaltungskino - stets die so genannte "Traumfabrik". Wohl mehr für den Geschäftsmann als für den Cineasten überraschen finanziell hoch budgetierte Blockbuster nicht mehr mit erfolgreichen Einspielergebnissen und das trotz mangelnder Überzeugungskraft. In einer Welt, in der Geld regiert, ist nicht mehr viel Platz für Experimente oder Anderes. Das Kino der heutigen Generation ist merklich ein Entertainment-Produkt, bei dem der Aspekt, den die Kunst inne hat, klein geschrieben wird. Schließlich ist alles eine Frage der Verkaufsstrategie, des Marketings und der großen Namen. Hinzu kommen teure Spezialeffekte und eine möglichst schlichte Story und fertig ist der Kassengarant. Dass Meilensteine, Klassiker und Kultfilme so nur schwer zu realisieren sind, liegt im Regelfall auf der Hand. So erfreut sich die Filmgemeinschaft über jeden meisterlichen Beitrag abseits der Massentauglichkeit.
"Brokeback Mountain" ist einer jener Meisterwerke, die dem Konstrukt des Mainstreamkino keine Beachtung schenkt, sogar ein Thema behandelt, dass alles andere als gut vermarktbar ist: ein Tabuthema. Ein ungewöhnliches noch dazu, verzwickt Regisseur Ang Lee doch die Ereignisse in ein traditionelles, amerikanisches Männerbild: Cowboys, das sind harte Männer, reitend auf ihren Pferden, naturverbunden, selbstbewusst.
Dabei ist "Brokeback Mountain" alles andere als ein "schwuler Cowboyfilm". Es ist schon erstaunlich, wie feinfühlig Ang Lee seine Geschichte erzählt. Die Bilder, die er zeigt, sind keineswegs plakativ, sie schwingen nicht einmal mit dem Moralfinger. Sie sagen mehr als tausend Worte, deuten an, sie symbolisieren die Liebe zweier Menschen, zweier Männer. Eine Liebe, die nur im Geheimen von Bestand ist. Ang Lee fokussiert die Gefühle der beiden Cowboys, die voneinander getrennt nicht leben wollen und nicht leben können. Und das nicht nur aus Angst, verstoßen zu werden, dem Tod ausgeliefert zu sein, sondern auch, vor allem am Anfang ihrer Zweisamkeit, aus Selbstschutz. Auf dem Brokeback Mountain, fernab der Zivilisation, können sie bedingt ihren Traum ausleben, aber ohne die Hoffnung, diesen Traum jemals ganz zu erfüllen. Und genau das ist es, das sowohl Jack als auch Ennis unerträglich aufs Gemüt schlägt.
Und das alles vor dem Panorama einer unbefleckten Naturlandschaft. Kameramann Rodrigo Prieto ("21 Gramm", "Babel") fotografiert die sich Zeit lassende Handlung, basierend auf Annie Proulx gleichnamiger Kurzgeschichte, in einzigartigen Bildern: gewaltig in ihrem Aussehen, kraftvoll in ihrer Wirkung. Die massige Berglandschaft, die reinen Seen, die grünen Weiden und der Wolken übersäte, blaue Himmel stehen im Kontrast zu Jacks und Ennis Gefühlsleben, ihrem Verhältnis zueinander. Während die Natur das Sinnbild der Unschuld und Unberührtheit ist, finden sich die beiden in ihrem Leben voller Konventionen und Verpflichtungen nicht mehr zurecht. Ang Lees Intention nicht die Sexualität, sondern die Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wird mit dieser Symbolik eindeutig untermauert. Seine inszenatorischen Fähigkeiten sind lobenswert. Ein Meister auf seinem Gebiet, der es versteht, Emotionen authentisch, ehrlich und ohne Zwang auf die Leinwand zu zaubern.
Doch ohne überzeugende, schauspielerische Leistungen funktioniert ein derart ergreifendes Drama nicht. Was sich Ang Lee als Cast gönnt, gilt als Goldgriff, besetzte er die Haupt- und Nebenrollen mit den angesagtesten Newcomern und Hoffnungsträgern dieser Schauspielergeneration. Der extrovertierte Rodeoreiter Jack Twist wird von Jake Gyllenhaal verkörpert, unter anderem bekannt aus dem Kultfilm "Donnie Darko" und "Zodiac - Die Spur des Killers". Die körperlichen Trennungen und der unerfüllte Wunsch, sein Leben so zu leben, wie er es für richtig hält, machen Jack, mehr noch als Ennis, zu schaffen. Jake Gyllenhaal gelingt es mit einfühlsamen Blicken, seine Gefühle zu entfalten, die Liebe zu Ennis zu verdeutlichen. Der verdeutlichte Verfall seines Charakters ist seinem Talent zu verdanken. Doch auch Heath Ledger ("Brothers Grimm") ist nicht minder zu loben, gelingt ihm doch das Kunststück, die innere Zerrissenheit ohne den Gebrauch vieler Worte aufzuzeigen.
Fazit:
Kaum zu fassen, dass ein Meisterwerk wie "Brokeback Mountain" bei den Academy Awards nicht mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnet wurde. Den durfte nämlich Paul Haggis´ Gesellschaftsdrama "L.A. Crash" mit nach Hause nehmen, der für sich genommen zwar ein gelungener Film ist, mit Ang Lees Cowboy-Drama aber nicht mithalten kann. Denn "Brokeback Mountain" ist nicht nur formal der eindeutig bessere Film, er ist darüber hinaus das einfühlsamste, emotional ergreifendste Liebesdrama aller Zeiten.
- Redakteur:
- A. C.