2 Tage Paris
- Regie:
- Julie Delpy
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Frankreich / Deutschland
- Originaltitel:
- Deux jours à Paris
1 Review(s)
12.12.2007 | 14:18Ich hatte eine romantische Komödie erwartet und wurde mit einer trockenen Komödie mit viel schwarzem Humor überrascht.
Story:
Marion (Julie Delpy) und ihr Freund Jack (Adam Goldberg) sind auf der Rückreise von Venedig nach Paris, wo sie für zwei Tage Marions Familie besuchen werden. Sie ist Französin, 35 jährig, Fotografin, wohnhaft in New York. Er ist Amerikaner und Innenarchitekt. Sie sind seit zwei Jahren ein Paar und wie sie sagt, ist dies für die heutige Zeit eine extrem außergewöhnlich lange Beziehung. Sie wollte so etwas wie romantische Ferien verbringen, er hat immer nur fotografiert.
In Paris angekommen, müssen sie sich mit den normalen typisch französischen Alltagsproblemen herum schlagen, was Jack enorm viele Schwierigkeiten verursacht. Er ist der Prototyp eines Amerikaners (so wie man sich den Klischeeamerikaner vorstellt), hat Angst vor Bakterien, ist egoistisch, egozentrisch, mit Vorurteilen belastet und sieht sich selber immer im besten Licht. Sie ist eine typische Französin (ebenfalls klischeehaft dargestellt), trifft ihre ziemlich exzentrische Familie, ihre ehemaligen Liebhaber und Freunde und genau dies löst einige Beziehungsschwierigkeiten aus. Am Ende bleibt die Frage: Wie geht es weiter?
Persönliche Meinung:
Wer einen romantischen Film erwartet, wird enttäuscht werden. Es ist eine Komödie mit schwarzem Humor, überspitzt, aber mit einem "dicken" Kern Wahrheit. Trockene Dialoge, spitze Kommentare, witzige Zufälle und Geschehnisse sowie Theorien über das Leben wechseln sich ab, gemixt mit dem Charme von Paris auf eine eher nicht touristische Art und Weise, wie zum Beispiel der Fleischmarkt in Paris mit all den toten Tieren, das Grab von Jim Morrison (welches man als Zuschauer nicht sieht, da so viele Menschen davor stehen und tanzen), die geschlossenen Türen der Katakomben oder eine erotische Kunstausstellung in der Galerie des Vaters.
Überhaupt könnte man denken, dass sich im Leben der Franzosen alles nur um Sex dreht. Denn dies ist eines der zentralen Themen des Filmes, obwohl es am Ende wohl weniger um Sex, als mehr um Beziehungen geht. Jack muss sich mit der Familie, den Exfreunden und ihren für ihn manchmal schockierenden Geständnissen zum Sex herumschlagen und sich mit seiner eigenen Einstellung zu Marions Vergangenheit auseinandersetzen. Ebenfalls Probleme verursacht ihm die in seinen Augen aggressive Art Marions, mit vielen Situationen umzugehen. Man fragt sich, was Marion in diesem erzkonservativen Mann sieht, wieso sie seine humorlose, hypochondrische und egozentrische Art liebt. Von Anfang an kommt Jack als extrem unsympathisch herüber, doch mit der Zeit merkt der Zuschauer, dass auch Marion einige Hunde begraben hat. Beides sind nur Menschen, gefangen in ihrer Art zu denken und zu handeln, beide Kinder einer gewissen Kultur, welche unterschiedlicher jedoch nicht sein könnte.
Der Film bringt so viele witzige Situationen, dass ich einige Lacher hatte, z.B.: Jack will unbedingt das Grab von Jim Morrison besuchen, weil er Val Kilmer mag! (Info: Val Kilmer spielte Jim Morrison in einem Hollywoodfilm). Doch Jim Morrison hat auch für Marions Familie eine, wenn auch ganz andere Bedeutung, welche Jack später schockiert...
Vieles was in Paris oder überhaupt in Filmen romantisch oder schön sein könnte, wird hier sehr realistisch dargestellt und ist somit überhaupt nicht mehr romantisch. Als Zuschauer findet man sich in der realen Welt wieder. Genau dies gefiel mir persönlich so gut an dem Film. Aber wahrscheinlich braucht man ein gewisses Mass an Sarkasmus und Realismus, um diese Geschichte geniessen zu können.
Die Story ist ein gelungener Zusammenbau von Geschehnissen und dem Hören der Gedankengänge von Marion. Zwischendurch bleibt die Geschichte einfach stehen und Marion philosophiert, analysiert oder erzählt einfach, was ihr in Verbindung mit der momentanen Situation durch den Kopf geht. Dies ist sehr abwechslungsreich und macht den Film nie langweilig. Die Story spitzt sich im Laufe der 96 Minuten zu, die Lage wird immer unangenehmer und man fragt sich, wie sich diese zwei so unterschiedlichen Menschen weiter vertragen werden. Sie reden aneinander vorbei, missverstehen sich, kennen sich nicht und teilen doch ein Leben.
Der Schluss ist definitiv das Beste und eine Quintessenz des Lebens. Ist man bereit diese anzunehmen? Mehr möchte ich nicht verraten, denn dann wäre die Geschichte nur noch halb so spannend.
Sprache:
Der Film kann auf deutsch /französisch mit deutschen Untertiteln, wenn die Franzosen untereinander sprechen, oder englisch/französisch mit deutschen Untertiteln gesehen werden. Dies verlangt ein ziemliches Lesetempo, da die Pariser bekanntlich wirklich schnell französisch sprechen.
Darsteller:
Julie Delpy, vor allem bekannt aus "Before Sunrise", "Before Sunset", oder "Drei Farben: Blau", hat sich hier, wie bereits in einigen anderen Filmen, als Produzentin, Regisseurin und Hauptdarstellerin betätigt. Sie überzeugt auf der ganzen Linie. Ich habe gelesen, dass sie, wie auch Marion in diesem Film, extreme Sehschwierigkeiten hat. Man spürt, dass die Story gut überlegt ist, dass viel Persönlichkeit dahinter steckt.
Adam Goldberg, welcher Jack verkörpert, spielt das Ekelpaket ebenfalls sehr überzeugend!
Zu erwähnen wäre dann noch Daniel Brühl. Er wird auf der DVD-Hülle erwähnt und ich hatte einen längeren Auftritt als drei Minuten erwartet! Von mir aus gesehen, ist dies eine reine Kundenfängerei. Seine drei Minuten sind zwar gut gespielt, aber seine Rolle ist dafür sehr eigenartig ...
DVD:
Die DVD bietet den Film wie oben erwähnt mit zwei verschiedenen Tonspuren und jeweils deutschen Untertiteln an. Dazu kommen einige Extras, d.h. den Trailern zum Film, Fotos vom Filmset, einem Bericht von der Filmpremiere und nicht verwendete und erweiterte Szenen. Die limitierte Special Edition enthält neben dem Film noch den Original Soundtrack sowie ein interessantes 16-seitiges Booklet mit Interviews und Hintergrundinfos.
Fazit:
Man kann diesen Film nehmen, wie man will - ich denke aber, dass jeder etwas für sich selber herausholen kann: entweder einen Gedankenanstoss für das Leben oder zumindest ein paar unterhaltsame Momente genießen. Wer ein wenig schwarzen Humor in Beziehungssachen verträgt, wird sich gut amüsieren!
Zitat aus dem Film (und auf dem Booklet), welcher ziemlich genau den Ton des Filmes wiederspiegelt:
"Immerhin hat ein Blowjob Amerikas Chance auf eine große Demokratie zerstört!"
- Redakteur:
- Doris Flückiger