Abrechnung in San Franzisco
- Regie:
- Maurizio Lucidi / William Garroni
- Jahr:
- 1975
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- Gli esecutori / The Executioner / The Sicilian Cross / Opium Road
1 Review(s)
26.03.2006 | 19:06James Bond und Mike Hammer im Kampf gegen die Mafia!
Im Hafen von San Francisco wurde der Mafia Heroin im Wert von mehreren Millionen Dollar gestohlen. Erbost sendet der "Pate" seine Killer aus. Anwalt Ulyssses (Roger Moore) und sein Freund, der Rennfahrer Charlie (Stacy Keach), packen die Sache auf ihre Art an. Ein Mafia-Krieg beginnt ...
Die deutsche Fassung wurde um Szenen aus der englischsprachigen Originalfassung ergänzt und das zahlte sich aus. Und wer Harald Juhnkes Stimme noch einmal in jugendlicher Frische hören, braucht nur den goldenen Worten von Stacy Keach zu lauschen.
Filminfos
O-Titel: Gli esecutori / The Executioner / The Sicilian Cross / Opium Road (Italien 1975/1976)
Dt. Vertrieb: Koch Media
DVD-Veröffentlichung: 3.3.2006
FSK: ab 16
Länge: ca. 100 Min.
Regisseur: Maurizio Lucidi (Verfolgungsjagd: William Garroni)
Drehbuch: Ernest Tidyman und Randal Kleiser
Musik: Luis Bacalov
Ausführende Produzenten: William Garroni, Samuel Z. Arkoff
Darsteller: Roger Moore ("James Bond 007", "Die 2”), Stacy Keach ("Mike Hammer”), Loretta Persichetti, Ivo Garrani, Fausto Tozzi, Ennio Balbo u. a.
Handlung
Ulysses (Moore) ist in Sizilien aufgewachsen, hat seinen Vater verloren, durfte in England Jura studieren und arbeitet jetzt für seinen Wohltäter Salvatore Francesco als Steueranwalt, die sämtliche Tricks und Schlupflöcher ausnutzt. Der Haken dabei: Sein Boss ist bei der sizilianischen Mafia. Don Salvatore kontrolliert aber nur einen Distrikt von San Francisco – alle Bosse zusammen sind in der "Organisation" zusammengeschlossen. Hier kann man Probleme beseitigen, die es immer mal wieder gibt. Wie jetzt zum Beispiel …
Gerade jetzt ist die Kacke wieder mächtig am Dampfen. Und das kam so. Der Bischof der Stadt, Pater Francis, ein alter Freund Don Salvatores, nimmt dessen großzügige Spende entgegen: das Holzkreuz, das die heimatliche Kirche in Sizilien geschmückt hat, soll nun auch die Fischer von Frisco beschützen. Aber wie es scheint, hat Don Sal auch wenig an seinen Nutzen bei der Spende gedacht: Im Kreuz befindet sich ein Hohlraum, der bis obenhin mit Heroin vollgepackt war. War, denn es wurde geraubt. Die drei Transporteure des Kreuzes findet man erschossen.
Der Bischof fackelt nicht lange, als er die Wahrheit erfährt: Er ohrfeigt seinen Jugendfreund, nennt ihn einen Mörder und exkommuniziert ihn kurzerhand – vor den Augen seiner Frau. Noch nie wurde der Don derartig gedemütigt.
Klar, dass diese Scharte wieder ausgewetzt werden muss. Don Sal tut so, als sei er der Geschädigte, dem man das Heroin geklaut hat. Sein Ziehsohn Ulysses soll herausfinden, wer den Stoff hat und ihn wiederbeschaffen, egal wie. Ulysses, der insgeheim für die "Organisation" arbeitet, überlegt nicht lange: Er weiß schon, wer den Job, Frisco aufzumischen, mit Wonne erledigen würde: Charlie Hanson (Keach). Charlie ist passionierter Rennfahrer und bekommt in Frisco jede Menge Gelegenheit, am Steuer die Sau rauszulassen. Wenn dabei eine Million Dollar für ihn rausspringt, fährt er auch mal ohne Führerschein. Von Polizisten scheint die Stadt eh nichts zu halten: Es taucht im Film kein einziger auf.
Doch zuerst muss Ulysses herausfinden, wer die Männer sind, die den Stoff geklaut und die drei Toten auf dem Gewissen haben. Sie kamen mit Sicherheit aus Sizilien, also muss er dort zuerst suchen. Doch schon der Anfang seiner Ermittlung erweist sich als lebensgefährlich: eine Schrotflinte hier, eine Autobombe da, und die gesuchte Liste der Namen ist im Innern eines Fischs versteckt. Bella Italia …
Mein Eindruck
Nie und nimmer wäre es einem amerikanischen Drehbuchschreiber eingefallen, die Hälfte des Films in Sizilien spielen zu lassen. Aber bei dieser italienischen Produktion ergibt dies durchaus einen Sinn. Denn samt und sonders handelt es sich bei den Mafiapaten um Männer, die Sizilien verließen, um in Amerika ihr Glück zu machen. Sie haben es geschafft: Villen und Paläste haben sie mit den Millionen aus ihren Unterweltgeschäften ergaunert.
Die Fassade der Wohlanständigkeit und des Erfolgs wird zunächst vom katholischen Bischof gutgeheißen, doch als man sein Kreuz für Heroinschmuggel zweckentfremdet, geht ein tiefer Riss durch die Fassade. Don Salvatore wird exkommuniziert – zumindest von den Gottesdiensten ausgesperrt. Sein Ziehsohn Ulysses soll es wieder richten und begibt sich wie weiland sein Namensgeber auf eine Odyssee.
Ulysses wird im Filmtitel nicht zufällig als Exekutor, als Henker bezeichnet, doch dieser Titel nimmt im Laufe der Handlung eine höchst ironische Bedeutung an. Dass der Anwalt die drei Typen findet, die den Stoff geklaut haben, ist eher Nebensache – obwohl die Jagd auf sie und ihre Exekution fast die ganze zweite Hälfte des Films ausmacht. Nein, es ist das, was Ulysses über sich selbst und Don Sal herausfindet, was das Finale so spannend macht. Der gegen den Feind ausgesandte Henker kehrt zu seinem Auftraggeber zurück: Dieser ist derjenige, über den er zu richten hat. Denn wie Ulysses nie müde ist zu wiederholen: "Dies ist eine Familienangelegenheit."
Dabei gibt sich aber das Drehbuch eine unlogische Blöße, wie ich finde. Wenn Ulysses schon als Junge wusste, wer seinen Vater tötete, warum wusste er dies dann Jahre später nicht mehr? Hat er vielleicht einen Schlag auf den Kopf bekommen? Na, das wäre aber ein schönes Jurastudium geworden. Etwas passt hier nicht ganz zusammen.
~ Die Darsteller ~
Roger Moore passt natürlich ausgezeichnet in den Maßanzug, den er im ganzen Film tragen darf. Schließlich ist er hier die Verkörperung des eleganten Geheimagenten, der die Verbrecher um- und die Frauen reihenweise flachlegt. Sehr schade, dass ihm das Drehbuch nur eine einzige Frau gönnt, eine Dumpfbacke von superblonder Sekretärin. (Ungewohnt ist auch der geänderte Synchronsprecher: statt Niels Clausnitzer ist es hier Erik Schumann.) Moore hat Besseres verdient. Man sieht ihm seine Unzufriedenheit an.
Dieser Frust vertieft sich noch, als er sich mit Stacy Keach auseinander setzen muss. Ist Ulysses der Kopf, so ist Charlie Hanson der Bauch und die Faust, das ausführende Organ. Keach darf hier rülpsen und fluchen, was das Zeug hält. Außerdem darf er einen Amischlitten zu Schrott fahren, und diese Aufgabe erledigt er mit sichtlichem Vergnügen. Diese Viertelstunde voll Bäng! und Boing! bringt die Handlung des Films aber keinen Deut weiter: reine Show. Ebenso die Verfolgungsjagd in den Hügeln: Die beiden Supernas(s)en landen im Wasser der Bucht.
Die Schwäche des Films liegt darin, dass die beiden nicht miteinander können. O, sie können zwar Szenen gemeinsam spielen, und da stecken Tempo und Action drin. Aber sie bekommen keinen einzigen witzigen Dialog auf die Reihe. Die fehlende Interaktion macht das Gespann auswechselbar. Der Produzent hat einfach "James Bond" und "Mike Hammer" zusammengespannt und sie ins Rennen geschickt. Das Ergebnis ist halbgar, aber erträglich.
~ "Neue" Szenen ~
Zwei Szenen wurden nachträglich wieder in die deutsche Fassung eingefügt, unterlegt mit deutschen Untertiteln. Man kann darüber spekulieren, warum sie ursprünglich daraus entfernt wurden.
Szene Nr. 1: Roger Moore alias Ulysses betritt einen der unzähligen Strip-Clubs in der "Naked City". Dabei ist gleich zu Beginn eine Prostituierte im Outfit eines Nazis zu sehen, ähnlich wie Charlotte Rampling in "Der Nachtportier" in Lack und Leder. Das fand der deutsche Verleih wahrscheinlich etwas zu riskant.
Szene Nr. 2: Charlie Hanson kauft im Supermarkt Milchpulver, um das wiederbeschaffte Heroin für eine Täuschungsaktion des oberschlauen Ulysses zu ersetzen. Charlie fragt eine Kassiererin, wo er das Zeug finden kann. Sie gibt eine hammerharte Antwort, die wesentlich mehr umfasst als Richtungsanweisungen. Sie sagt ihm nämlich, was man mit Milchpulver kochen kann und dass dieses Gericht dann "beschissen schmeckt" ("tastes like shit").
Diesen Ausdruck fand der Verleih vermutlich auch nicht ganz zumutbar, schon gar nicht bei einer Kassiererin, die keinerlei Veranlassung hat, so über Produkte ihres Arbeitgebers herzuziehen. Die Italiener fanden das wohl witzig. Besonders dann, wenn man das verblüffte Gesicht von Stacy Keach dazu sieht.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1.78:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D, Englisch
Extras:
- Deutscher Original-Kinotrailer (1:23 Min.)
- Englischer Original-Kinotrailer (3:30)
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial (72 Seiten: Poster, Szenenfotos, Werberatschlag)
- 8-seitiges Booklet von O. Bayan (Autor von R. Moore "His Films and Career")
Der Film wurde digitally remastered, wie die DVD-Credits angeben. Während die Qualität des Tons Dolby Digital 2.0 entspricht, aber Stereoton nicht ausnützt, so wusste mich das schier makellose Bild zu beeindrucken. So stelle ich mir Remaster-Versionen vor. Das einzige Manko, das ab und an auftaucht, sind die verschwommenen Glanzlichter, die wie ein Weichzeichnereffekt wirken, wenn das Gegenlicht ziemlich grell ist. Dieser Fehler war auch schon in "Prison on Fire" von 1987 zu finden. Es ist offenbar schwierig, diesen Fehler auszugleichen.
Neben den beiden Originaltrailern in englischer und deutscher Sprache findet der Filmkenner eine höchst ansehnliche Bildergalerie. Hinter diesem unscheinbaren Namen verbirgt sich eine 72 Bilder lange Semi-Dokumentation. Zunächst gibt es jede Menge Filmplakate zu sehen. Der Film hatte jede Menge verschiedener Titel: Gli esecutori / The Executioner / The Sicilian Cross / Opium Road /Street People.
Daraus erklärt sich auch die hohe Zahl an Szenen- bzw. Aushangfotos: Es sind über 50 Stück. Leider gibt es dabei erhebliche Überlappungen, so dass man oft zweimal das gleiche Motiv unter verschiedenen Titeln findet. Nicht nur in Farbe, sondern auch noch in Schwarzweiß.
Informativer sind da schon die abgebildeten Pressehefte und der Werberatschlag des deutschen Verleihs Adri-Film. Allerdings ist die Schrift derartig winzig, dass man am DVD-Player die Zoomfunktion voll ausfahren muss, um etwas von diesen Texten lesen zu können.
~ Das Booklet ~
Oliver Bayan hebt in seinem aufschlussreichen Artikel die Ähnlichkeiten zu Genrefilmen hervor. Dazu gehört zunächst einmal die Serie "Die Zwei", in der ja auch Roger Moore als ein Brite mitspielte, der sich mit einem Ami zusammentut. Charlie Hanson nennt Ulysses des öfteren ironsich "Euer Ehren", was der Serie entnommen sein könnte. Die Rückblendentechnik erinnert an Leones "Spiel mir das Lied vom Tod", in dem die Backstory nur scheibchenweise Aufschluss über die Beziehung zwischen Frank und Mundharmonika erteilt. Das Drogenthema wurde in "French Connection I + II" am bekanntesten behandelt.
Moore hatte schon seit 1961 Beziehungen zu Italien: Er war mit einer Tochter des Landes verheiratet und trat mit Luisa Mattioli 1962 in "Un branco di vigliacchi" auf. Offenbar bekam er – ähnlich wie Lex Barker und Henry Fonda vor ihm – ein finanzielles "Angebot, das er nicht ablehnen" konnte – er machte also bei "Abrechnung in San Franzisko" mit.
Die Auto-Action in dem Streifen ist William Garroni übrigens einwandfrei gelungen, und für Kenner wahr(schein)lich ein Genuss. Manche Einstellungen erinnern an "Bullitt" (1968) mit Steve McQueen und an "Is’ was, Doc?" (1972) mit Barbra Streisand und Ryan O’Neal. Moore kam 1984 nach San Francisco zurück, um hier ein paar Szenen für "Im Angesicht des Todes" zu drehen.
Unterm Strich
Für Fans des Actionfilms der siebziger Jahre ist dieser Streifen sicherlich ein Leckerbissen, den sie sich nicht entgehen lassen. Zumal die Bildqualität zum größten Teil absolut bestechend ist und die Soundqualität durch Dolby Digital 2.0 verbessert wurde.
Die Story kann es zwar nicht mit "French Connection" aufnehmen, aber für eine Menge Action und Sinnlichkeit ist dennoch Platz. Ungewöhnlich ist das Rachemotiv, das an "Spiel mir das Lied vom Tod" erinnert und durch Rückblenden aufgebaut wird. Schiller würde hier von "tragischer Ironie" sprechen, aber über so viel Schicksalsbewegtheit sind die abgeklärten modernen Produzenten sicherlich schon längst hinweg: Ihnen dient der Showdown mit dem Erzbösewich 90ē$ ˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙
- Redakteur:
- Michael Matzer