American Splendor
- Regie:
- Shari Springer Berman, Robert Pulcini
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
30.05.2005 | 07:09"Ordinary Life is Pretty Complex Stuff"
Es war im Jahr 1976, als der einfache Sacharbeiter Harvey Pekar aus Cleveland sein eigenes Leben als Comic zu vermarkten begann. Zwischen Superhelden der Marke Superman und Hulk standen plötzlich Comic-Hefte in den Regalen, die mit Superkräften, Herrschern über das Universum und futuristischen Waffen rein gar nichts zu tun hatten. In "American Splendor" – so der Name der Reihe - wurde aus dem ganz gewöhnlichen (fast schon zu gewöhnlichen) Leben von Harvey Pekar erzählt: Von seiner Arbeit in der Verwaltung eines Krankhauses, Nachmittagen auf Flohmärkten und Abenden im Unterhemd auf der Couch – die Comicvariante des heutigen Reality-TVs. Trotz der Erfolge von "American Splendor" in Amerika und einigen berühmt-berüchtigten Auftritten in der Letterman Late Night Show blieb Harvey Pekar immer noch er selbst: der einfache Sachbearbeiter aus Cleveland, der nach Feierabend seine Erlebnisse notierte, um sie von Robert Crumb – dem Erfinder der legendären "Fritz the Cat"-Comics - zeichnen zu lassen.
Der Aufgabe, die autobiografischen Comics des ewigen Nörglers, des unzufriedenen, kauzigen Harvey Pekars zu verfilmen, nahmen sich Shari Springer Berman und Robert Pulcini im Jahr 2003 an. Eine Herausforderung, will man sowohl die alten Fans der Comics als auch das unbefleckte jüngere Publikum zufrieden stellen. Und was die beiden Regisseure mit "American Splendor" schließlich kreiert haben, ist – wie die Comics – sicherlich nicht jedermanns Sache. Eine Glorifizierung des Gewöhnlichen, in Bildern, die stellenweise aussehen, als hätte man die Kamera vorher in eine Schlammpfütze getunkt. Das triste, der amerikanischen Gesellschaft angepasste Leben, vorgeführt in einer ebenso tristen Umgebung. Kein Film, den man sich nach einem anstrengenden und unbefriedigenden Arbeitstag ansehen sollte.
Und doch treten regelmäßig Momente der Menschlichkeit auf, die in der eingebetteten Szenerie eine ganz besondere Wirkung entfalten können. Da wäre zum Beispiel Toby, der Arbeitskollege von Harvey. Ein Außenseiter, der nach einem Film namens "Die Rache der Eierköpfe" einen neuen, größeren Sinn in seinem Leben sieht. Oder Joyce, Harveys Frau, die trotz der Sterilisation ihres Mannes gerne Mutter sein würde. Und schließlich das letzte Viertel des Filmes, in dem es um Harveys Krebskrankheit geht. All diese Momente, in Verbindung mit einem ganz eigenen Humor, sind Szenen, wie man sie besser nicht hätte realisieren können.
In "American Splendor" wird nichts glatt poliert, nichts darauf getrimmt, dass es dem Publikum möglichst gefallen soll. Kein Kitsch, keine Übertreibungen, keine schönen Leute – das ist die Devise. Die Schauspieler unterstützten das Konzept vollends, allen voran Paul Giamatti als Harvey Pekar – hier in seiner ersten Hauptrolle zu sehen. Schlecht gelaunt, unsymphatisch, sarkastisch, missmutig, stellenweise depressiv ... Besser hätte man den Antiheld nicht wählen können. Auch die im Film verwendeten Aufnahmen vom echten Harvey Pekar sowie Comicausschnitte passen hervorragend ins Konzept des Films: kein klassischer Aufbau, keine Geradlinigkeit. Es ist eine Aufzählung von Begebenheiten mit mehr oder weniger losem Zusammenhang und einer Aufmachung, die dem Film Doku-Charakter verleiht. Sicherlich kein Film für jedermann und für jeden Anlass. Man muss für "American Splendor" schon die entsprechende Zeit und Stimmung mitbringen – verdient hat es das vielfach ausgezeichnete Werk allemal.
Sunfilm präsentieren die DVD von "American Splendor" in einem einfallsreichen Digipack. Allein hierfür lohnt es sich schon, Henry Pekar in die heimische DVD-Sammlung aufzunehmen. Liebevoll gestaltet, mit einem Plastikschuber und einem 24-seitigen Comic als Beilage versehen, ein wahres Schmuckstück.
Die DVD selbst bietet neben dem Hauptfilm in deutscher und englischer Sprachausgabe (Letztere sei dem Zuschauer besonders ans Herz gelegt) Audiokommentare, einen Bericht über die Vorführung auf dem Cannes-Filmfestival, interessante Produktionsnotizen und Biografien. Die Bildqualität ist hervorragend und überzeugt vor allem bei den in leichtem Braunton gehaltenen Szenen, die die Tristesse von Harveys Alltag zum Ausdruck bringen. Alles in allem eine äußerst lohnenswerte Anschaffung!
- Redakteur:
- Christian Debes