Behind the Mask - The Rise of Leslie Vernon
- Regie:
- Glosserman, Scott
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Behind the Mask - The Rise of Leslie Vernon
1 Review(s)
05.05.2011 | 14:13Das geschieht:
Die Studenten Taylor, Doug und Todd können ihr Glück kaum fassen: Als sie eine Dokumentation über berühmte Serienmörder der Neuzeit drehen, stoßen sie auf Leslie Vernon, der gerade hart an seinem Debüt als Killer arbeitet. Der freundliche junge Mann freut sich über die Chance, sein Wissen zu teilen und den angestrebten Ruhm medial zu mehren. Er lädt deshalb das Trio ein, ihn bei seinen Vorbereitungen zu begleiten und zu filmen.
Leslie verschafft Einblicke in den oft wenig glamourösen Job des Serienkillers. Er schildert die Kriterien, die seine Opfer erfüllen müssen, lässt sich von seinem Mentor Eugene, einem Mörder im Ruhestand, einschlägige Tipps geben und präpariert Haus und Grundstück, das er als Metzel-Stätte auserkoren hat.
Zunehmend fasziniert folgt ihm die Doku-Crew und lässt sich auch für kleinere Handreichungen rekrutieren. Ein erster Probe-Mord gelingt, und schließlich ist der große Tag gekommen. Leslie lockt einige Teenager in seine Falle, setzt die sorgfältig entworfene Maske auf und beginnt sein blutiges Werk. Nun kommen vor allem Taylor doch Bedenken. Sie überredet Doug und Todd, die ahnungslosen Opfer zu warnen und zu retten. Wie sie dabei feststellen müssen, hat Leslie seinen Mordplan längst ohne ihr Wissen verändert bzw. erweitert: Er schließt jetzt auch die drei Studenten ein …
Killen allein reicht längst nicht mehr
Alt-Mörder Eugene bringt es auf den Punkt: Wehmütig erinnert er sich an alte Zeiten, als ein Serienkiller vor allem in großer Stückzahl metzeln musste, um berühmt zu werden. Der Beginn des Multimedia-Zeitalters hat für eine radikale Änderung gesorgt. Die Pioniere dieser neuen Ära hießen Jason Vorhees, Michael Myers oder Freddy Krüger. Sie hatten erkannt, dass der Killer von heute quasi für eine unsichtbare Kamera morden muss, wenn er sein Zielpublikum erreichen und eine treue Anhängerschaft um sich scharen will, die ihm zuverlässig verschafft, wonach er giert: Aufmerksamkeit und Anerkennung seiner schauerlichen Taten.
Was sich realiter (noch) auf hirnarme Möchtegern-‚Superstars‘ beschränkt, die sich auf der Suche nach leistungsfrei einzufordernden Ruhm in ‚Casting-‘ und ‚Talent‘-Shows zum Affen machen, denkt Regisseur und Drehbuch-Mitautor Scott Glosserman einen Schritt weiter und konsequent durch. Soziopathen sind erstens auch nur Menschen, und so lange es sich selbst in Sicherheit weiß, könnten sie zweitens für ein abgebrühtes Publikum wohl tatsächlich live und in Farbe töten.
Glosserman setzt diese Prämisse kompromisslos und scheinbar bierernst um. „Behind the Mask“ beginnt als „mock documentary“ (oder „mockumentary“), d. h. als vorgeblich echte und objektive Abbildung realen Geschehens. Dabei beachtet der Regisseur strikt die in diesem Genre typischen Regeln und wahrt auch stilistisch die Form. Der Zuschauer erlebt die Handlung aus der ‚Sicht‘ der Kamera, die entweder Doug oder Todd in Augenhöhe halten. Die dabei entstehenden Bilder sind wacklig, schlecht ausgeleuchtet und kontrastarm: das Ergebnis eines qualitativ eingeschränkten Equipments, wie es eine Universität ihren Studenten zur Verfügung stellen würde. Dazu sind die Szenen ‚roh‘, setzen unvermittelt ein, brechen plötzlich ab, enthalten noch Sequenzen, die später geschnitten und neu montiert werden müssten.
Die Kamera als Filter des Gewissens
Sowohl Todd und Doug als auch Taylor werden Zeugen bei der Planung und Durchführung diverser Morde. Dabei greifen sie nicht ein: Sie projizieren sich selbst in die Rollen neutraler Beobachter – Todd und Doug hinter der Kamera, Taylor davor, wo sie in der Rolle der Moderatorin aufgeht. Sie spüren zwar ein gewisses Unbehagen, doch erst spät können sie sich aus ihrer passiven Position lösen.
In diesem Moment kippt „Behind the Mask“ von der ‚Dokumentation‘ zum Spielfilm bekannten Musters um. Dies war – quasi als Vorgeschmack bzw. Warnung – schon zuvor mehrfach kurz geschehen. Die Kamera wird unsichtbar, löst sich vom Geschehen, erhebt sich in die Luft, durchbricht Wände. Das Bild wird scharf, sauber ausgeleuchtet, die Farben werden satt. Die Fiktion wirkt realistischer als die ‚Realität‘ des dokumentierten Geschehens.
Geschickt hat Glosserman Taylor und ihre Gefährten nicht nur ihrer schützenden Distanz beraubt. Er macht sie zu aktiven Darstellern jener mörderischen Vision, die Leslie Vernon nunmehr lebt. Die drei Studenten mischen sich zwischen die bisher aus der Ferne voyeuristisch beobachteten und bespöttelten Teenager. Sie wissen, was geschehen wird, und teilen es einander sowie den Zuschauern mit, was amüsante Dialoge und Szenen heraufbeschwört, in denen die Mythen und Archetypen des Slashers gleichzeitig exerziert und persifliert werden.
Mit Angela Goethals hat Glosserman eine Idealbesetzung für die Rolle der Taylor Gentry gefunden. Schon äußerlich stellt sie mit Unterbiss und Habsburger-Trichterlippe einen deutlichen Kontrast zu den jungen Standard-Schönheiten dar, die Leslies eigentliche Opfer bilden sollen. Goethals spielt die emotional gehemmte, neugierige, angeekelte, faszinierte Taylor mit einer vor allem im ‚normalen‘ Slasher unüblichen Überzeugungskraft. Vor allem im ‚Dokumentations‘-Teil des Films wirkt sie bemerkenswert authentisch.
Vom Tellerwäscher zum Medienstar
Paroli kann ihr glücklicherweise die männliche Hauptrolle bieten. Nathan Baesel ist ein Monster, wie man es in dieser täuschenden Freundlichkeit und jugendlichen Eleganz selten zuvor gesehen hat. Von einem Moment zum nächstem mutiert er vom jovialen, liebenswerten, eifrigen Mann von nebenan zum bedrohlichen Killer und sogleich wieder zurück. Das Drehbuch versieht Leslie darüber hinaus mit teuflischer Intelligenz. Er spielt nicht nur den mörderischen Schrecken der nahen Zukunft, sondern auch mit ‚seinem‘ Filmteam, das, in seiner Unbedarftheit Leslie sträflich unterschätzend, diese Manipulationen nicht bemerkt.
Der erschreckende Höhepunkt ist erreicht, wenn der von Leslie gejagte und in die Enge getriebene Todd seine ‚Freundschaft‘ mit dem zuvor gefilmten Killer appelliert und ihm die im Horrorfilm typische, weil die Bedrohung durch die Tilgung von Gesichtszügen verstärkende Maske abnimmt: Darunter kommt Leslies wahres Gesicht zum Vorschein, und das verrät nichts als blinde Mordgier.
Nicht einfach nur Rest, sondern Ergänzung
Das Restensemble von „Behind the Mask“ verstärkt den erfreulichen Eindruck, den dieser Film fast jederzeit hinterlässt. Wieder spielt Glosserman mit Klischees. So entpuppt sich die süße, jungfräuliche Kelly, der Leslies Hauptinteresse gilt, als lebenslustiges Flittchen, während ihr Freund, für den im Slasher die Funktion des mutigen Retter reserviert ist, sich als feiger Hohlkopf entpuppt. Solche Brüche sorgen für ständige Überraschungen, die der in Sachen Einfallsreichtum im Horrorfilm nie verwöhnte Zuschauer mit Freude registriert.
In knappen aber einprägsamen Nebenrollen treten einige Veteranen des Grusel-Genres auf. Robert Englund („A Nightmare on Elm Street 1 – 8) gibt Leslies ständig präsente aber wenig hilfreiche Nemesis als Sam-Loomis-Double („Halloween”). Die im Januar 2010 verstorbene Zelda Rubinstein („Poltergeist“ 1 – 3) karikiert ihre Rolle als Moderatorin der US-Buh!-‚Dokumentarserie‘ „The Scariest Places on Earth“. Hollywood-Veteran Scott Wilson ist grandios als väterlich fürsorglicher Serienkiller im Rentenalter.
In einer winzigen Cameo-Rolle als genervter Anwohner der Elm Street erkennt der Horror-Fan sogar Kane Hodder, den Jason Vorhees aus mehreren „Freitag, der 13.“-Streifen. Auch sonst streut Glosserman zur Freude der Film-Buffs zahlreiche, oft in der Dekoration, den Dialogen oder Namen versteckte Anspielungen auf moderne Horrorklassiker ein. Sie zu nennen würde hier zu weit führen. Außerdem haben genannte Buffs diesen Job schon geleistet; man folge bei Interesse ihren Spuren im Internet.
Mörderisch komisch ist schlimmer als blutig?
Wieder einmal rätselhaft bleibt die Entscheidung der deutschen Zensur (die sich lieber „Freiwillige Selbstkontrolle“ nennt), „Behind the Mask“ nur für Zuschauer ab 18 Jahren freizugeben. Leslies Morde finden in der Regel außerhalb des Bildes statt. Killt er doch einmal vor der Kamera, fallen die entsprechenden Effekte denkbar moderat aus.
Zwar geht eher das sprichwörtliche Kamel durch ein Nadelöhr, als dass es dem normalsterblichen Filmfreund gelingt, sich in ein Zensorenhirn zu versetzen, aber das FSK-18-Siegel muss wohl als Versuch interpretiert werden, die deutsche Jugend vor einem Film zu schützen, der einen Killer positiv und Serienmord als Methode der Selbstverwirklichung darstellt; das naive Publikum würde ansonsten sofort ins Freie eilen, um Leslie tausendfach nachzueifern …
Daten
Originaltitel: Behind the Mask – The Rise of Leslie Vernon (USA 2006)
Regie: Scott Glosserman
Drehbuch: Scott Glosserman u. David J. Stieve
Kamera: Jaron Presant
Schnitt: Sean Presant
Musik: Gordy Haab
Darsteller: Nathan Baesel (Leslie Vernon), Angela Goethals (Taylor Gentry), Robert Englund (Dr. Halloran), Scott Wilson (Eugene), Bridgett Newton (Jamie), Kate Lang Johnson (Kelly Curtis), Ben Pace (Doug Johnson), Britain Spellings (Todd Best), Hart Turner (Shane), Krissy Carlson (Lauren), Travis Zariwny (Dr. Meuller), Teo Gomez (Hasch-Dödel 1), Matt Bolt (Hasch-Dödel 2), Zelda Rubinstein (Mrs. Collinwood), u. a.
Label: Tiberius-Film
Vertrieb: Sunfilm Entertainment (www.sunfilm.de)
Erscheinungsdatum: 17.08.2007 (Kauf-DVD)
EAN: 4041658221887
Bildformat: 16 : 9 (1,85 : 1, anamorph )
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
Länge: 88 Min.
FSK: 18
DVD-Features
Die Verkaufsversion der “Behind-the-Mask”-DVD fügt dem Hauptfilm knapp 80 Minuten Zusatzmaterial hinzu. Zum üblichen „Making of” kommen Aufnahmen vom Casting der Darsteller, getilgte und verlängerte Szenen sowie ein Audiokommentar von Nathan Baesel, Angela Goethals, Ben Pace und Britain Spellings. Die Qualität dieser Features kann der Rezensent nicht beurteilen, weil er sie nicht gesehen hat.
Eine nutzarme, weil Hintergrundinformationen aussparende und sich auf Verkaufswerbung beschränkende Website zum Film gibt es hier: www.behindthemaskthemovie.com
- Redakteur:
- Michael Drewniok