Black Book
- Regie:
- Paul Verhoeven
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland, Großbritannien, Niederlande
- Originaltitel:
- Zwartboek
1 Review(s)
09.01.2008 | 15:36Paul Verhoevens Filme in ein Schema einzuordnen, fällt wahrlich nicht leicht. Sie bedienen fast alle Genres, doch eine Gemeinsamkeit hatten bislang nahezu alle seine neueren Filme: Sie waren immer umstritten, ihnen lastete immer ein Hauch von Skandal an. Ob das nun "Basic Instinct" mit Sharon Stones Familienjuwelen, der faschistoide "Star Ship Troopers" oder "Robocop" und "Total Recall" waren, alle waren wegen einer oder mehrerer inhaltlicher Zutaten ein Gesprächsthema, welche die Jugendschützer sogar bei einigen Werken zu einer Indizierung veranlassten. Der aktuelle Film von Verhoeven ist nun also "Black Book" - ein Holocaust-Kriegsfilm, der in den Niederlanden spielt. Auch dieser hatte im Vorfeld schon für viel Aufregung gesorgt. Doch der Reihe nach.
Die Handlung:
Rachel (Carice van Houten) ist Jüdin und hat früher in Berlin als Cabaretsängerin gearbeitet. Inzwischen lebt sie im von Nationalsozialisten besetzten Holland und hat bei einer christlichen Familie Unterschlupf gefunden um sich dort bis zum Kriegsende vor den Nazis zu verstecken. Doch das Glück scheint ihr nicht hold zu sein, denn genau dieses Haus wird von einer Bombe getroffen - so muss sie eine neue Lösung finden.
Sie entscheidet sich für die Flucht auf einem Schiff, auf welchem sie zu ihrer Verblüffung auch ihre Familie trifft. Diese hatten über einen Kontaktmann von ihrem Fluchtplan gehört und wollen, um die Familie zusammen zu halten, nun auch über den Seeweg nach Belgien flüchten. Doch das mit vielen Flüchtlingen beladene Boot wird von einer Patrouille entdeckt - alle Flüchtlinge, darunter auch Rachels Eltern und ihr Bruder, werden erschossen. Rachel überlebt nur aufgrund eines Streifschusses, durch den sie halb bewusstlos ins Wasser fällt und so nicht entdeckt wird. Als sie erwacht, befindet sie sich bei Mitgliedern der niederländischen Freiheitsbewegung, unter ihnen auch Hans Akkermanns (Thom Hoffman). Bei dieser Organisation kann sie erst einmal Unterschlupf und Arbeit finden.
Kurz darauf fragt Akkermanns sie, ob sie für ihn einen kleinen Auftrag übernehmen möchte. Es sollen Waffen in einem Zug geschmuggelt werden und Rachel soll als seine Geliebte die Aufmerksamkeit der Nazis auf sich ziehen, um so von den Koffern mit dem brisanten Inhalt abzulenken. Sie stimmt zu, färbt sich die Haare um arischer auszusehen und bekommt auch einen neuen Pass. Doch bei der Durchführung des Plans geht einiges schief und um einer Durchsuchung zu entgehen, hetzt sie ins Abteil von Hauptsturmführer Ludwig Müntze (Sebastian Koch), dem Befehlshaber in dieser Region. Er findet sofort Gefallen an der schönen Frau - eine Durchsuchung findet in seinem Abteil natürlich nicht statt.
Diese vom Hauptsturmführer entgegengebrachte Sympathie muss von der Widerstandsbewegung für Spionagezwecke ausgenutzt werden - so schickt man Rachel ins Hauptquartier der Nazis um den Hauptsturmführer vollends für sich zu gewinnen. Als sie dort ankommt, erkennt sie auch Günther Franken (Waldemar Kobus) - er gab auf dem Boot den Schießbefehl, dem alle Flüchtlinge zum Opfer fielen. Es muss für Rachel einen Weg geben, um die Toten zu rächen...
Kritik:
Es ist schön, dass auch ein hollywoodverwöhnter Regisseur wieder zu seinen europäischen Wurzeln zurück findet. Paul Verhoeven ist zurück - im Gepäck hat er neben den filmischen Zutaten Hollywoods, auch die Tugenden des europäischen Kinos. Diese Zutaten vermischt Verhoeven nun in "Black Book". Eine sehr genießbare Mischung, wie ich finde.
"Black Book": Ein Film, der mich förmlich überrannt hat und der nach meinem Geschmack nicht viele Kritikpunkte bereitstellt. Ich fange am Besten mit dem Einzigen, mich wirklich störendem Manko an. Direkt am Anfang des Films sieht der Zuschauer die Hauptfigur Rachel, wie sie nach dem Krieg in Israel als Lehrerin arbeitet. Sie überlebt also - diese Spannung wird dem Zuschauer schon in den ersten Minuten genommen. Schade, das ist aber wohl für die von Verhoeven geplante, etwas reduzierte Dramaturgie notwendig. Denn durch diesen kleinen "Kunstgriff" steht Rachel als Überlebende fest, die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird eher auf ihr Umfeld gelenkt.
Nun zu positiven Aspekten in "Black Book" - von denen es wahrlich sehr viele gibt. Die zentrale Hauptfigur ist Rachel. Um ihre Person konstruierte Verhoeven eine äußerst fesselnde Geschichte aus Spionage-Thriller, Romanze und Holocaust-Drama, die durch die vielen Zutaten zu einem unterhaltsamen und harmonisch dicht gewebten Genreteppich wurden. Die Zutaten passen einfach hervorragend zusammen und es kommt während der langen Laufzeit von 140 Minuten niemals zu einem störenden Durchhänger.
Rassante Actionsequenzen, aus denen die Hollywooderfahrung Verhoevens sprechen, dazu dann nervenzerreißende Spionage, Intrigen - alles muss die hübsche Jüdin unter einen Hut bringen, die sich dann zu allem Überfluss auch noch in den übermächtigen Feind verliebt. Eine monumentale Unterhaltungsgranate. Die Handlung findet in einem prachtvollen Set statt, das Hollywood sicher auch nicht aufwändiger inszeniert hätte. Um die gewünschte, eher warme Atmosphäre des Films richtig in Szene zu setzen, hat Verhoeven auf Karl Walter Lindenlaub zurückgegriffen, der auch schon für "Independence Day" verantwortlich zeichnete.
Auch bei den Schauspielern hat Verhoeven genau die richtigen Darsteller für die schwierigen Rollen gefunden. Carice van Houten als Rachel, die bildhübsche Jüdin, der wirklich niemand etwas Böses tun könnte, den schmierig-ekligen Günther Franken, verkörpert von Waldemar Kobus - im Amt ein absolut harter korrupter Mensch, der sich auf Feiern aber auch schon mal durch seinen Gesang lächerlich macht - und Sebastian Koch als Hauptsturmführer Ludwig Müntze - ein Nazi, der bereits an der Gerechtigkeit seines Tuns zweifelt und dadurch unsicher wirkt. Alle diese Darsteller agieren äußerst authentisch und wecken wie gewünscht die unterschiedlichen Emotionen beim Zuschauer.
Die Unterhaltung ist also auf höchstem Niveau - warum also die andauernde Kritik an "Black Book"?
Zum Einen gibt es einige plakative Erotik-Szenen und sehr blutige Elemente im Film, auf die Verhoeven wie in einigen seiner bisherigen Werke wohl nicht verzichten möchte. Frauen, die sich zu ihrem eigenen Vorteil dem Feind hingeben; Nazi-Feiern, die an römische Gelage erinnern. Auf der anderen Seite gibt es den niederländischen Widerstand, der mit antisemitischen Parolen provoziert und eine Nazi-Größe, welche auf einmal zu einem besseren Menschen wird - vielleicht, weil er den Krieg als bereits verloren ansieht. Es fällt dem Zuschauer wirklich nicht leicht seine Sympathien gerecht auf die Protagonisten zu verteilen. Die einzig durch und durch schlechte Figur ist Günther Franken. Die einzig wirklich gute, unantastbare Figur in diesem Durcheinander bleibt Rachel, welche dafür als Belohnung auch noch ein Fäkalienbad bekommt. Was für eine Aussage.
Sind alle Menschen gleich? Richten sie ihr Tun wirklich nur darauf aus, um für sich den größten Nutzen zu erreichen? Jeder auf seine Weise, ob nun im Widerstand, als Opfer oder Täter. Jeder macht das, was ihm in seiner jeweiligen Situation richtig zu sein scheint und ihm den besten Nutzen bringt. Auch nach der Befreiung geht es weiter mit den Ungerechtigkeiten – die Befreier werden ebenfalls zu Tätern. Wo ist der wirklich einzig richtige Weg? Hat nicht jeder ein wenig Schuld bei dieser Entmenschlichung zu tragen? So hat der Film diese letztendlich etwas diffusen Aussagen und damit scheint er bei den Kritikern einen Nerv getroffen zu haben - sonst wären die Kritiken längst verstummt.
Mich persönlich hat noch eine weitere Frage beschäftigt. Darf ein Film mit einem so ernsten Thema als pure, reißerische Unterhaltung dienen, oder sollte er auch den Auftrag haben die historischen Fakten richtig darzustellen?
"Black Book" unterhält - und wie. Einen Film der mich derart mitgerissen hat, habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die angesprochenen Kritikpunkte ändern an dieser Tatsache dann auch nur wenig.
Die DVD:
Die Bildqualität bei dieser Warner-Veröffentlichung kann ich als gut bezeichnen. Die vom Regisseur gewollten warmen Farben wurden ohne große Verluste auf die DVD gebracht. Bei der Bildschärfe fehlt das letzte Quentchen ebenso, wie beim etwas zu hohen Kontrast, der ein paar Details in den dunklen Bildteilen verschwinden lässt. Die Kompression arbeitet aber gut, sodass Kompressionsartefakte nur selten zu sehen sind.
Beim Ton ein ähnliches Niveau - vielleicht etwas frontlastig, aber auch der Subwoofer hat bei actionreichen Szenen einiges zu tun. Der Score klingt klar und sauber, wobei ich mir eine DTS Tonspur gewünscht hätte. Außer dem deutschen Ton in Dolby Digital 5.1 gibt es noch Englisch/Niederländisch in Dolby Digital 5.1 zu hören. Untertitel in Deutsch und Deutsch für Hörgeschädigte komplettieren das Einstellungsmenü.
Extras:
- Interview mit Paul Verhoeven, Sebastian Koch (Ludwig Müntze), Carice van Houten (Rachel), Christian Berkel (General Käutner) und Waldemar Kobus (Günther Franken).
- Kinotrailer
...sagen wir mal so: Sehr übersichtliche Extras.
Fazit:
"Black Book" ist ein äußerst unterhaltsamer Genre-Mix aus Thriller, Romanze und Holocaust-Drama der durch die vielen unterschiedlichen, aber auch sehr gut verwobenen Zutaten zu keiner Zeit langweilig wird.
Der reißerisch inszenierte Handlungsstrang wird kontinuierlich weiter entwickelt und die finale Auflösung dürfte auch für den geübte Kinogänger eine echte Überraschung darstellen - vorhersehbar ist "Black Book" zu keiner Zeit. Die guten Schauspieler sind ebenfalls ein Garant dafür, dass der Zuschauer emotional in die Handlung eingebunden wird.
Die kleinen Tabubrüche rütteln zwar auf, sie mindern aber keineswegs das Vergnügen an diesem hervorragend gemachten Film. Einer der wenigen, wirklich guten Filme aus dem Jahre 2006.
- Redakteur:
- Detlev Ross