Buck - Der wahre Pferdeflüsterer
- Regie:
- Cindy Meehl
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Buck
1 Review(s)
25.12.2012 | 12:28Crazy Horse und der Pferdebändiger
Mehr als ein Jahr begleitete die Filmemacherin Cindy Meehl Dan 'Buck' Brannaman quer durch die USA und Europa. Entstanden ist dabei ein naturgewaltiger Film und das sensible Porträt eines Menschen, der mit einer ganz besonderen Gabe gesegnet ist. Buck Brannaman ist Pferdeflüsterer...
Der 1962 geborene Reiter war Vorbild für Nicholas Evans' Roman "Der Pferdeflüsterer" und während der Dreharbeiten zum gleichnamigen Film Coach und Double von Robert Redford, der hier darüber erzählt.
In den USA sorgte der Film "BUCK" für Begeisterung. Beim Sundance Festival wurde BUCK mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, beim Zürich Film Festival und beim Bergen International Filmfestival als Bester Dokumentarfilm. (erweiterte Verleihinfo)
Mehr Info: www.buck-derfilm.de
Filminfos
O-Titel: Buck (USA 2010)
Dt. Vertrieb: NFP
VÖ: 11.10.2012
FSK: ab 6
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur/ Drehbuch: Cindy Meehl
Musik: diverse
Darsteller: Dan Brannaman u. Familie
Inhalte
Dan 'Buck' Brannaman zieht mit seiner mobilen Pferdeklinik 40 Wochen im Jahr quer durch die Vereinigten Staaten, von North Carolina bis nach Montana. Dort, im alten Westen, steht seine eigene Pferderanch, wo seine Frau und seine fast schon erwachsene Tochter leben. Sie wird einmal seine Tradition des Pferdeheilens und schonenden Zureitens fortführen. Somit wird die Tradition, in der Brannaman selbst steht, nicht enden.
Er selbst hat sein Handwerk von mittlerweile legendären Pferdemännern erlernt und ihr geheimes Wissen erworben, aber bis dahin war es ein weiter Weg. Aufgewachsen in Montana, als Kind vom Vater schwer misshandelt, ist Bucks Lebensgeschichte außergewöhnlich. Schon von Kindesbeinen an musste er mit seinem Bruder in der kleinen Dressurshow seines Vaters 'Ace' Brannaman auftreten, Seilkunststücke vorführen und mit Pferden und Ponys alle möglichen Tricks vorführen. Für jeden Patzer gab es hinterher Prügel.
Die Striemen und Narben wurden erst an der Schule von einem Turnlehrer entdeckt, gemeldet und zum Anlass genommen, dem Vater das Sorgerecht zu entziehen. Buck und sein Bruder kamen zu Pflegeeltern, die die beiden, nicht als erste Waisen, liebevoll aufzogen. Von seinem Ziehvater, den er zunächst fürchtete, wurde Dan gleich zum Zäuneflicken und anderen praktischen Farmarbeiten eingeteilt.
Doch erst als Buck den 'Pferdeflüsterer' kennenlernte, begann er zu ahnen, dass es einen alternativen Weg gab, Pferde zur Kooperation zu bringen und sie zu heilen: mit Sanftmut, tiefer Empathie und der Ablehnung jeglicher Gewalt. Das ist in einer Zeit weitverbreiteter brutaler Dressurmethoden - siehe den "Totila"-Skandal - nicht selbstverständlich.
Das verrückte Pferd
Bei seiner Arbeit mit der Pferdeklinik entdeckte Buck, dass er manchmal zuerst den Besitzer des Pferdes ansprechen muss. Während alljährlich unzählige Menschen zu ihm kommen und hoffen, dass er die Probleme ihrer Pferde löst, stehen sie auf einmal selbst im Mittelpunkt und müssen sich ihrem eigenen Leben stellen. So etwa die hilflos wirkende Judy, eine Frau um die 30, die ein ganz besonders verrücktes oder krankes Pferd besitzt. Der nicht kastrierte falbe Hengst beißt Bucks Assistenten vor laufender Kamera durch den Hut in die Kopfhaut, so dass sofort Blut fließt. "Das muss genäht werden", weist Buck an.
Diesem Vorfall und dem verrückten Pferd wird außerordentlich viel Zeit gewidmet, ebenso dessen Besitzerin Judy, die völlig beschämt und verzweifelt ist. Sie erzählt, wie der Hengst bei der Geburt minutenlang ohne Atem war und wohl deshalb einen Hirnschaden davontrug. Die hilflosen Versuche, ihn zu "normalisieren", bezahlte so manche Reiter mit Verletzungen. Buck sagt ihr, dass es für ein solches Pferd keine Hilfe mehr gibt, nicht einmal mehr von ihm. Zuviel sei an ihm schon von den Menschen verbrochen worden.
Menschenarzt
Buck lehrt so auch die Menschen, dass "ihr Pferd der Spiegel ihrer Seele ist, und sie manchmal nicht mögen werden, was sie sehen. Manchmal hingegen schon." Heute bringt er in seinen Lehrgängen den Menschen die Wichtigkeit von Respekt, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit nahe. Es ist verblüffend zu sehen, wie ihm ein Pferd willig auf Schritt und tritt folgt, ohne dass er auch nur eine einzige Geste ausführen muss, die als Anweisung gelten könnte.
Der Film
Dass Buck als Vorbild für Tom Booker in Evans' Roman "Der Pferdeflüsterer" diente, ist unübersehbar. Während der Autor durch Abwesenheit glänzt, ist Robert Redford, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller des Films, gerne bereit, seine Eindrücke wiederzugeben. Es gab beispielsweise eine schwierige Szene, in der Scarlett Johansson ein scheinbar krankes Pferd wiedersehen soll. Der angeheuerte Pferde-Coach konnte das Filmpferd einen ganzen Tag lang nicht dazu bringen, das zu tun, was gebraucht wurde - und Zeit ist nicht nur beim Film Geld. Buck schaffte es jedoch in 20 Minuten, verrät Redford verblüfft. Fortan trug Buck erheblich zur Glaubwürdigkeit des Films bei.
Mein Eindruck
Mit Menschenproträts ist das ja immer so eine Sache, vor allem wenn diese Menschen dann auch noch großspurig als "Volkshelden" etikettiert werden. So einer soll Buck Brannaman nämlich sein. Meist erweisen sie sich dann dieser Hülle, diesem Popanz, als nicht gewachsen und enttäuschen die Erwartungen. Auch Buck Brannaman begegnete ich zunächst mit entsprechenden Zweifeln und Vorbehalten. Doch je mehr ich über ihn erfuhr, desto interessanter wurde er.
Brannaman spricht nämlich in einem gleichbleibend ruhigen, sachlichen Tonfall, wie er für die ausgeglichenen Menschen des US-Westens vielleicht typisch ist. Wenn er Gefühle zeigt, dann körperlich, so etwa indem er seine Frau und seine Tochter herzlich umarmt. Seine Hauptbeschäftigung gilt jedoch naturgemäß den Pferden, schließlich verbringt er 40 von 52 Wochen des Jahres mit ihnen. Auch ihnen gegenüber tritt er ruhig und sachlich auf, redet immer mit ihnen und streichelt sie - wenn er darf.
Seine Auftritte vor Publikum - maximal 40 bis 50 Besucher mit Pferdeinteressen - sind ebenfalls von Ruhe und Sachlichkeit geprägt. Doch was er ihnen auf seinen Pferden zeigt, dürfte er sie in Erstaunen versetzen. Ich bin zwar alles andere als ein Fachmann für Pferde, aber ich stelle es mir schwierig vor, ein Jungpferd, das bislang nur die freie Weide kannte, an Zaumzeug, Decke und Sattel zu gewöhnen. So manch einer nimmt nun an, der "Bronco" müsse "gebrochen" werden, wie man das in uralten Western sieht. Das wäre für Buck Brannaman eine Verbrechen an der Kreatur. Er bringt die Pferde dazu, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Seine Biografie dient zur Erklärung und Rechtfertigung seiner kooperativen Methode. Durch die Misshandlungen, die er von seinem Vater zu erdulden hatte, ist ihm jede Gewaltanwendung zuwider und nun versucht er, auch andere Reiter von solchem Missbrauch abzubringen. Seine Methode der Kooperation mit dem Pferd funktioniert bestens, und es ist eine beeindruckende leistung, wenn eine ganze Staffel solcher "neuen" Reiter zusammenarbeitet, etwa beim Kälber einfangen.
Die Biografie wird uns nicht in einem Stück aufgezwungen, sondern in kleinen, verdaulichen Häppchen verabreicht. Wir ahnen dann schon, dass das Schlimmste erst noch kommt. So ist es dann auch. Und wir sind froh, wenn die Zeugen der Gegenwart uns versichern, dass es Buck seelisch wieder gut geht, und seine Familie ist der beste Beleg dafür.
Dass seine Arbeit notwendiger denn je ist, belegt der zweite Star der Dokumentation: das "Crazy Horse" von Judy. Es geht wahrlich auf keine Kuhhaut, was die Menschen an diesem falben Hengst verbrochen haben. Vor laufender Kamera zeigt das Tier, wie aggressiv es gemacht worden ist. Grundlos beißt es einem Assistenten in den Kopf. Es ist ziemlich klar, dass das Tier zwar nicht auf der Stelle erschossen werden muss, dass man es aber einzuschläfern hat - auch Buck ist dieser Meinung. Aber nur durch seine Geburtsumstände (s.o.) und die Menschen wurde es zu dem "Teufel", der es jetzt ist. Buck muss also den Menschen fast noch mehr beibringen als den Tieren.
Die Dokumentation versucht nicht, durch Behauptungen zu überreden, sondern durch erzählendes Zeigen zu überzeugen. Selbst einem blutigen Laien wir mir leuchten die Beispiele für ausgezeichnetes Reiten ein. Brannaman führt Dressurakte vor, die so manchem Schockemöhle & Co. gut zu Gesicht stünden, und das ohne jeden Pomp und ohne Anstrengung fürs Pferd. Natürlich ist es nie verkehrt, auch Zeugen sprechen zu lassen. So bekommt Buck einen guten Leumund. Aber dessen hätte es gar nicht bedurft. Wer Augen hat zu sehen, der wird auch so verstehen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- O-Trailer
- Deleted Scenes
- Programmvorschau (Trailershow)
Mein Eindruck: die DVD
Der Standard von Bild und Ton bewegt sich auf dem Niveau eines guten Fernsehers. Das ist ja einer Doku ja auch angemessen, wo es nicht darum geht, Actionszenen aufzumotzen. Für Leute, die des US-Englischen (noch) nicht mächtig sind, empfiehlt sich die Zuschaltung der deutschen Untertitel bei allen Beiträgen.
EXTRAS
1) O-Trailer (2:21 min)
Der Trailer arbeitet mit allen Tricks. Ein Off-Kommentar hebt sentenzenhafte Einzeiler von Buck hervor, Zeugen wie Robert Redford loben Bucks erstaunliche Eigenschaften und Fähigkeiten, es werden Zeitungszitate hervorgehoben und schließlich sogar ein suggestiver Song im Hintergrund eingespielt. Wer da nicht gleich zum Cowboy oder Cowgirl werden will, dem ist offenbar nicht zu helfen.
2) Deleted Scenes (25:08 min)
Es gäbe noch viele weitere Geschichten von Bucks guten Taten zu erzählen. Manche davon finden sich in diesem halben Dutzend geschnittenen Szenen wieder. Diese machen zusammen fast eine halbe Stunde aus, und einige Szenen lohnen sich durchaus. Allerdings muss man schon Pferdefan sein, um die Lektionen Bucks interessant zu finden.
3) Programmvorschau
a) Alles wird gut (von Niko von Glasow)
b) Am Ende eines viel zu kurzen Tages (mit Andy Serkis)
c) Das Blaue vom Himmel (Historiendrama mit Hannelore Elsner)
d) Die Thomaner (Kirchenchor in Leipzig; wird heuer 800 Jahre alt)
e) Familientreffen mit Hindernissen (von & mit Julie Delpy)
f) In Darkness (Warschauer Ghetto 1943, von Agnieszka Holland)
g) Pina (über Pina Bausch, von Wim Wenders)
h) Ruhm (nach d. Roman v. D. Kehlmann, mit Senta Berger, Heino Ferch u.a.)
i) Vier Leben (im Menschen)
j) Woody Allen: A Documentary (von Robert Weide)
Unterm Strich
Mit all den verschiedenen Elementen, die Cindy Meehl in ihre Dokumentation gepackt hat, sorgt der Film für ständige Abwechslung. Die Gefahr, dabei einzuschlafen, besteht nur für Menschen, die mit Pferden absolut nichts am Hut haben - oder sie lediglich als Nahrungsquelle betrachten...
Buck Brannaman, so stellt sich heraus, ist nicht so sehr ein Pferdeflüsterer als vielmehr ein Menschenlehrer. In seinem fünfzigjährigen Leben - er wurde 1962 geboren - hat er zahlreiche Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt, die er nun professionell an sein Publikum weitergibt. Wie bei der EDV, so erkennen selbst Digital Natives, befindet sich das Problem nicht IM Arbeitsgerät, sondern davor: in diesem Fall im Reiter.
Zuwendung, Einfühlungsvermögen, Geduld sind Tugenden, die zunehmend seltener bzw. mit größerem Aufwand umzusetzen sind, denn die Welt dreht sich durch die hochleistungsfähigen Netzwerke immer schneller. Respekt, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit - die kann hingegen jeder im täglichen Leben praktizieren und zeigen, sofern er oder sie nur die nötige Grundeinstellung aufbaut. Den ersten Schritt dazu bildet die Einsicht, dass es a) so etwas überhaupt gibt und b) das es ganz schön nützlich und sinnvoll wäre, sie auch zu praktizieren.
Das erfordert jedoch Mut, Vertrauen und eine Überzeugung, die Buck zwar an den Tag legt, aber die man selbst erst erwerben muss. Wie das geht, verschweigt der Film. Offenbar ist es jedem Zuschauer bzw. Reiter selbst überlassen, diese Tugenden aufzubauen und in die Tat umzusetzen. Deshalb bleibt bei mir die Skepsis bestehen, ob der Film bei den Menschen überhaupt etwas zum Besseren bewegen kann. Doch wenn wenigstens die Tiere etwas davon haben, dann ist vielleicht schon viel erreicht, vielleicht sogar das Notwendigste.
Die DVD
Die Silberscheibe ist unspektakulär in Qualität und Ausstattung, die Deleted Scenes sollten sich Leute ansehen, die vom Film begeistert und überzeugt worden sind.
Der Film hat in den USA laut Filmstarts.de mittlerweile mehr als eine Million Dollar eingespielt. Das ist für eine Doku über bissige Vierbeiner doch recht beachtlich.
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer