Deathwatch
- Regie:
- Bassett, Michael J.
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Horror
- Land:
- GB/D/F/I
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23.07.2008 | 08:13Das geschieht:
Der I. Weltkrieg geht in sein viertes Jahr, doch an der Westfront rührt sich weiterhin nichts. Die Deutschen und ihre alliierten Gegner haben sich in Schützengräben verschanzt und eingegraben, die nicht selten unterirdischen Tunnelstädten aus Schlamm gleichen. Attacken auf den Gegner enden immer wieder in Blutbädern, die Front bleibt erstarrt - ein zerstörtes, grausiges Niemandsland, in dem sich unbestattet die Leichen türmen.
In einem der unzähligen Angriffe verliert die Y-Kompanie unter dem Kommando des jungen, noch unerfahrenen Captain Jennings den Kontakt zu den eigenen Leuten und verirrt sich im dichten Nebel. Sie stoßen auf einen Schützengraben der Deutschen, in dem sie sich verbergen und auf Rettung warten wollen. Die müden Männer achten nicht auf das seltsame Benehmen der wenigen deutschen Soldaten, die sie in dem Graben vorfinden: Statt den Briten Beachtung zu schenken, scheinen sie sich gegen einen unsichtbaren Gegner zu verteidigen und können leicht niedergemacht werden. Nur der Soldat Friedrich überlebt und wird gefangen genommen. Seine angstvollen Beteuerungen, in dem Graben ginge etwas Mörderisches um, verhallen ungehört.
Doch die Briten werden argwöhnisch, als sie in dem Grabensystem immer wieder auf die verstümmelten Leichen deutscher Soldaten stoßen, die sich offensichtlich gegenseitig umgebracht haben. Der erfahrene Sergeant Tate, der eigentlich das Kommando führt, ordnet erhöhte Wachsamkeit an. Aber in der Nacht erhebt sich etwas aus dem von Blut getränkten Boden, das sich nicht mit Karabinern und Handgranaten in Schach halten lässt. Friedrich wusste, wovon er sprach: Eine unsichtbare Kraft bemächtigt sich der Männer und hetzt sie gegeneinander auf. In dem labyrinthischen Grabensystem beginnt ein Kampf auf Leben und Tod, den auch die Besonneneren nicht verhindern können. Was die mörderische Macht nicht schafft, das vollenden Angst, Wahnsinn, Dreck und die allgegenwärtigen Ratten ...
Der Krieg, der Tod und der Wahnsinn
Der politisch korrekte Zeitgenosse wird vermutlich umgehend den Zeigefinger erheben: Darf man das, nämlich eine Geistergeschichte in einem Umfeld erzählen, das überreich durch reales Grauen geprägt ist? Die Grabenkämpfe an der Westfront des I. Weltkriegs bilden ein Kapitel der Geschichte, das heute schwer zu erfassen ist. Fast fünf Jahre lang lagen sich Millionen von Männern in einem Grabensystem gegenüber, das 750 Kilometer durch Belgien und Frankreich lief. Mit Maschinengewehren, Giftgas, primitiven Panzern, mit Handgranaten, Bajonetten, Spaten und Keulen fielen sie immer wieder verbissen übereinander her, führten eine bizarre Mischung aus Hightech-Krieg und urzeitlichem Schlachten und starben zu Millionen, während der Frontverlauf sich kaum veränderte.
Der schiere Wahnsinn dieses sinnlosen 'Krieges' prägte auch jene, die ihn überlebten, für den Rest ihrer Tage. Allgegenwärtiger Schlamm, ständiger Beschuss, wahnwitzige Sturmläufe in Maschinengewehrfeuer, verwesende Leichen und fette Ratten: "Deathwatch" arbeitet mit diesen und anderen Elementen der Realität, gegen die sich die Geistergeschichte behaupten muss.
Regisseur und Drehbuchautor Michale Bassett gelingt das unmöglich Scheinende, indem er beide Komponenten verschmilzt. Es ist kein 'normales' Gespenst, das durch die Schützengräben irrt, um sich für im Leben erlittenes Unrecht zu rächen oder Erlösung zu suchen. Die Erde selbst lehnt sich gegen die Menschen auf, die sie wie riesige Maulwürfe durchwühlen, mit Blut förmlich tränken und mit Leichen verpesten. Sie bedient sich der Methoden ihrer Peiniger, mordet mit Schlamm, Ratten und Stacheldraht - und sie dunstet den Irrsinn aus, der die Männer der Y-Kompanie erfasst und sie zur gegenseitigen Auslöschung zwingt. In der beschriebenen Umgebung ist das nicht einmal ungewöhnlich; "Deathwatch" schildert im Grunde eine 'normale' Episode des I. Weltkriegs.
Ungewissheit als Mittel der Spannung
Wie in jeder guten Geistergeschichte spart Bassett eine endgültige Auflösung aus bzw. überlässt sie den Zuschauern. Vieles bleibt rätselhaft. Wie passt Friedrich in das Geschehen? Ist er Opfer oder Täter? Sind die Ereignisse überhaupt real oder fanden die Männer beim schrecklich fehlgeschlagenen Angriff in den Anfangsminuten des Films den Tod und irren als Geister in einer Halbwelt umher, ohne sich dessen bewusst zu sein? Wieso entkommt der Gefreite Shakespeare, obwohl er seinen geisterhaften Doppelgänger sieht, d. h. ebenfalls tot sein dürfte? Entkommt er wirklich, oder beginnt für ihn der Schrecken von Neuem? Sind die Männer der Y-Kompanie in einer Endlos-Schleife gefangen, müssen sie den Spuk immer und immer wieder durchleben?
Einige dieser Fragen entstehen durch Drehbuchlücken. Seltsame Handlungssprünge zeugen von Stellen, wo solche nachträglich am Schneidetisch nicht mehr behoben werden konnten. Glücklicherweise sind solche Fehler selten.
Nachgedacht hat Bassett über die Frage, welche Spezialeffekte er mit dem zur Verfügung stehenden Budget realisieren konnte: Sie sind - obwohl vor allem im Finale recht aufwändig - überzeugend, d. h. als solche nicht oder selten zu erkennen, und obwohl Bassett auf echte Splatter-Momente weitgehend verzichtet, wirken manche Szenen überaus verstörend. (Als Achillesferse erweist sich einmal mehr die CGI-Technik, die Geldknappheit nicht toleriert.) "Deathwatch" erweist sich angesichts der beschränkten Mittel und der Zeitnot, die sich erschwerend auf die Dreharbeiten auswirkten, auch hier als gelungenes Werk.
Deutsche Gründlichkeit erhöht die Verwirrung ...
Positiv sei angemerkt, dass Bassett konsequent darauf verzichtet, eine Frau in die Handlung zu schmuggeln, um die potenzielle weibliche und vor allem zahlungsfähige Zuschauerschaft zu aktivieren. Also findet sich im verfluchten Schützengraben keine deutsche Krankenschwester oder ein französisches Bauernmädchen, sondern nur bereits erwähnter Friedrich.
Der ist als Deutscher freilich zumindest in der deutschen Fassung von "Deathwatch" schwer zu identifizieren. Für die Synchronisation ergab sich ein schwieriges Problem: Die Briten sollten natürlich deutsch sprechen. Andererseits verstehen sie diese Sprache nicht, was für das Geschehen mehrfach von Bedeutung ist. Diese sprachliche Kluft entfiele, würden auch die Deutschen deutsch sprechen.
Verwirrt? Es geht noch eine Stufe grotesker: Man entschied, die Deutschen in der deutschen Fassung FRANZÖSISCH sprechen zu lassen! Blödsinniger geht es wirklich nicht mehr. Selbst chinesisch wäre logischer gewesen, kämpften im I. Weltkrieg doch die Deutschen gegen die Franzosen, während die Briten mit Letzteren alliiert waren.
Die Leiden der Schauspieler
Gedreht wurde "Deathwatch" wie so viele Horrorfilme der Gegenwart in Prag. Die Tschechische Republik hat sich als Produktionsstätte etabliert, weil die Löhne niedrig sind, während das professionelle Können hoch ist. In der Tat kann sich die Kulisse sehen lassen. Obwohl im Grunde nur ein Graben, ist sie weit mehr als ein Loch im Boden, sondern ein Labyrinth sorgfältig gestalteten Grauens, das zu allem Überfluss von ständigem Regen geflutet wird.
Die Darsteller darf man bewundern und bedauern, denn sie mussten in einem echten Dreckloch arbeiten, in dem ungemein fähige Requisiteure und Modellbauer unter Beweis stellten, wie entsetzlich überzeugend sie Verwesung, Verrottung, Verpestung und andere Scheußlichkeiten bildhaft machen konnten. Ständig stürzen die Schauspieler in schlammig-schleimige Pfützen, während der Regen auf sie niederprasselt. Da ständig Atemwolken vor ihren Mündern schweben, dürfte dieses Wasser nicht angewärmt gewesen sein ... Der Eindruck einer zum Alltag verkommenen Unmenschlichkeit ist jedenfalls perfekt!
Wie es für eine 'kleine' Produktion ebenfalls üblich ist, wurden keine 'Stars', sondern kostengünstige Darsteller angeheuert. Bassett tat beim Casting manchen guten Griff, denn die Besetzung kann sich sehen lassen. Der im englischen Film ein wenig kundige Zuschauer wird viele bekannte Gesichter erkennen, denn vor der "Deathwatch"-Kamera agierten fast ausschließlich erfahrene Schauspieler, die trotz oft junger Jahre bereits lange Kino- und TV-Filmografien vorweisen können.
Andy Serkis ist seit seinem Auftritt als Gollum in den "Herr-der-Ringe"-Filmen natürlich kein Unbekannter mehr. Hier gibt er einen herrlich psychopatischen Mistkerl, dem der Krieg die Möglichkeit gibt, seinen mörderischen Neigungen zu frönen. Kris Marshall ist in England vor allem als nichtsnutziger Luftikus aus der Serie "My Family" bekannt. In "Deathwatch" legt er deutlich unfreundlichere Züge an den Tag. Jamie Bell, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 16 Jahre 'alt' war, wirkt schon aufgrund seiner Jugend überzeugend in seiner Rolle als Charlie Shakespeare, der sein Geburtsdatum fälschte, um als Minderjähriger in den "Großen Krieg" ziehen zu dürfen. Er hat sich inzwischen in guten und/oder weltweit erfolgreichen Filmen wie "King Kong", "Flags of Our Fathers" oder "Hallam Foe" Starruhm erspielt. Torben Liebrecht ist, obwohl ebenfalls noch jung an Jahren, ein Veteran des deutschen Films und vor allem Fernsehens, obwohl man in seinem mysteriösen Friedrich kaum den Mimen aus Produktionen wie "Polizeiruf 110" oder "Wilde Engel" erkennen wird.
Man sollte Michael Bassett im Auge behalten. "Wilderness" (2006), sein zweiter Film, gilt als Splatter der besseren Sorte, und Opus Nr. 3 ist der mit Spannung erwartete "Solomon Kane" (2008), der einer Figur des bekannten Horror- und Fantasy-Autors Robert E. Howard ("Conan") Filmleben verleiht.
Daten
Originaltitel: Deathwatch (GB/D/F/I 2002)
Regie u. Drehbuch: Michael J. Bassett
Kamera: Hubert Taczanowski
Schnitt: Anne Sopel
Musik: Curt Cress, Chris Weller
Darsteller: Jamie Bell (Private First Class Charlie Shakespeare), Ruaidhri Conroy (Private Colin Chevasse), Laurence Fox (Captain Bramwell Jennings), Dean Lennox Kelly (Private Willie McNess), Kris Marshall (Private Barry Starinski), Hans Matheson (Private Jack Hawkstone), Matthew Rhys (Corporal Doc Fairweather, Andy Serkis (Private Thomas Quinn), Hugo Speer (Sergeant David Tate), Torben Liebrecht (Friedrich), Hugh O'Conor (Anthony Bradford), Mike Downey (Martin Plummer), Roman Horak (deutscher Soldat) u. a.
Vertrieb: Universal Pictures Germany (www.universal-pictures.de)
Erscheinungsdatum: 23.10.2003 (Verleih-DVD) bzw. 20.11.2003 (Kauf-DVD)
EAN: 5050582101201 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch)
Untertitel: Englisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 91 min
FSK: keine Jugendfreigabe
DVD-Features
Neben einem 15-minütigen Blick "Behind-the-Scenes" ist vor allem die Featurette "Rat Handling" interessant, da es gar nicht so einfach ist, dickköpfige Nager für einen Horrorfilm zu dressieren. Diverse Schauspieler und Michael Bassett stehen im Rahmen der üblichen, d. h. mehr oder weniger nichtssagenden Interviews Rede und Antwort. Es folgen die Filmografien der Hauptdarsteller, während wirklich erhellende Extras wie zwar gedrehte aber im fertigen Film geschnittene Szenen oder Audiokommentare - darunter ein sehr eigenwilliger Beitrag von Andy Serkis -, wie sie der englischen Version von "Deathwatch" aufgebrannt wurden, leider durch Abwesenheit glänzen.
- Redakteur:
- Michael Drewniok