Don't Come Knocking
- Regie:
- Wim Wenders
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland, Frankreich
- Originaltitel:
- Don't Come Knocking
1 Review(s)
16.01.2008 | 14:56Einführung:
Ich hatte vor diesem Film, wie ich zu meiner Schande zugeben muss, erst ein einziges Mal Kontakt mit Filmen von Wim Wenders. Damals hatte ich "Himmel über Berlin" gesehen und genau der gefiel mir (damals) überhaupt nicht. Wie ich diesen großen Regisseur bislang vollkommen übersehen bzw. ignorieren konnte, ist mir ehrlich gesagt ein vollkommenes Rätsel. Schande über meine Filmsammlung.
Jetzt habe ich aber einige Filme von ihm in meine Sammlung aufgenommen und "Don't Come Knocking" aus der "Wim Wenders Edition" habe ich auch gleich geguckt. Bei den Kritikern ist das Werk ja sehr positiv aufgenommen worden. Hier meine Eindrücke...
Weitere Infos:
Filmographie von Wim Wenders (Auswahl ohne Kurzfilme):
- Don't Come Knocking (2005)
- Land of Plenty - Auf der Suche nach Wahrheit (2004)
- The Soul of a Man (2003)
- Viel passiert - Der BAP Film (2002)
- Ten Minutes Older: The Trumpet (2002)
- The Million Dollar Hotel (2000)
- Buena Vista Social Club (1999)
- Am Ende der Gewalt (1997)
- Jenseits der Wolken (1995)
- Lumiere and Company (1995)
- Die Gebrüder Skladanowsky (1995)
- Lisbon Story (1994)
- In weiter Ferne, so nah! (1993)
- Bis ans Ende der Welt (1991)
- Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten (1989)
- Der Himmel über Berlin (1987)
- Tokyo-Ga (1985)
- Paris, Texas (1984)
- Hammett (1982)
- Der Stand der Dinge (1982)
- Chambre 666 (1982)
- Nick's Film - Lightning Over Water (1980)
- Der Amerikanische Freund (1977)
- Im Lauf der Zeit (1976)
- Alice in den Städten (1974)
- Falsche Bewegung (1974)
- Der Scharlachrote Buchstabe (1972)
- Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1971)
- Summer in the City (1970)
Handlung:
Howard Spence (Sam Shepard) ist ein leidlich erfolgreicher Westernheld-Darsteller und seine Karriere nähert sich seinem Ende. Er hat alle Höhen und Tiefen des Schauspieler-Daseins durchgemacht – Alkohol, Frauen, Drugs und Rock'n'Roll. Alles hat ein wenig nachgelassen, bei Frauen ist er aber noch immer sehr beliebt.
Jetzt hat er aber von diesem unsteten Leben die Nase gestrichen voll und verlässt deswegen fluchtartig seinen derzeitigen Drehort ohne der Filmcrew etwas davon zu mitzuteilen.
Jeder Tag, an dem nicht gedreht werden kann, kostet sehr viel Geld. Aus diesem Grund fahndet ein Versicherungsermittler der Filmgesellschaft nach Howard, um keine Zahlungen wegen Drehausfall zahlen zu müssen. Der Schauspieler versteckt sich deshalb bei seiner Mutter, welche er schon seit 30 Jahren nicht mehr gesehen hat.
Nachdem er es sich in seinem alten Zuhause so richtig gemütlich gemacht hat, macht seine Mutter so ganz nebenbei eine Bemerkung. Sie fragt, wie es denn seinem Kind so gehe. Bei ihr hatte sich vor ca. 30 Jahren eine Frau gemeldet, die sich nach Howard erkundigt hatte, weil sie schwanger von ihm sei.
Howard Spence trifft diese Mitteilung wie ein Schlag! Er überlegt kurz, welche seiner zahlreichen Beziehungen für seine Vaterschaft in Frage kommen könnte und macht sich umgehend auf die Reise um sein inzwischen wohl schon 30-jähriges Kind zu suchen. Vielleicht auch der rechte Zeitpunkt, um ein neues Leben zu beginnen.
Kritik:
Ein Film über die verpassten Chancen eines ungewöhnlichen Lebens – so lässt sich nüchtern betrachtet die recht gewöhnliche Handlung beschreiben (Oder steckt vielleicht doch mehr dahinter?). Das Besondere an "Don't Come Knocking" ist, was Wim Wenders mit filmischen Mitteln aus dieser Geschichte gemacht hat, denn mit spektakulären Bildern, tollen Schauspielern und einem ergreifenden Soundtrack holt er wieder einmal das Maximum aus einem Thema heraus und verleiht dem Film damit seine eigene ganz besondere Note.
Eine weiterführende Deutung der Handlung möchte ich hier nicht versuchen, denn jeder Zuschauer sollte schließlich selbst seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
So konzentriere ich mich nun lieber auf technische Aspekte, wie die malerischen Bilder. Man hat ja Wenders schon öfters vorgeworfen, in seinen Filmen Amerika nur klischeehaft und einseitig zu zeigen. Das ist ganz offensichtlich auch bei diesem Film der Fall. Allerdings denke ich, dass er diese klischeehafte Darstellung Amerikas in "Don't Come Knocking" bewusst verwandt hat, denn ein Westerndarsteller ist ja schon ein Klischee an sich. Diners, Wüste und eine durch Industrie geprägte Kleinstadt in Montana – so lassen sich die Locations am besten beschreiben und fügen sich in somit in das Gesamtbild harmonisch ein.
Technisch ist der Film erstklassig. Ich hatte von diesem Ausnahmeregisseur auch nichts anderes erwartet. Als durchgängiges Stilmittel wurden die Sättigung der Farben und der Kontrast des Bildes hinaufgesetzt, sodass sich die Plastizität der Schauplätze förmlich ins heimische Wohnzimmer drückt. Weite Kamerafahrten (und die Kamera umrundet den Darsteller auch schon mal minutenlang) wechseln sich mit Stillshots ab – wirklich klasse! Einige Aufnahmen erinnerten mich an den amerikanischen Maler Edward Hopper, dessen Gemälde fast wie Screenshots von "Don't Come Knocking" anmuten.
Ein weiteres, die Atmosphäre maßgeblich bestimmendes Element stellt der manchmal an "Paris, Texas" erinnernde, sehr ruhige Soundtrack dar. Dieser erreicht im Zusammenspiel mit den tollen Bildern, dass der Film dem Zuschauer dauerhaft im Gedächtnis verankert bleibt – nicht zuletzt auch wegen den melancholischen Liedern des "vermeintlichen Sohnes". Ich habe dabei eine Gänsehaut bekommen. Gerade bei den Auftritten dieses Sängers wurde ich zwangsläufig auch an die Werke von David Lynch erinnert. Bei ihm kommen solche Gesangseinlagen in gleicher Machart vor und sind inzwischen auch so etwas wie ein Markenzeichen für seine Werke geworden. Alles in allem also ein sehr guter und über die gesamte Länge unterhaltsamer Film, bei dem die sich nie in den Vordergrund drängende Technik einen großen Anteil an der im Film herrschenden Atmosphäre erzeugt. Action gibt es fast keine.
Wenn man allerdings ganz böse sein will, dann könnte man Wenders vorwerfen, dass er Amerika wie zuvor bei "Paris, Texas", wieder nur in Klischees gepackt hat und sich auch bei Lynchs Werken ungeniert bedient. Doch ich sehe das etwas entspannter. Vielleicht wollte Wenders die angesprochenen Elemente auch bewusst mit einem Augenzwinkern zitieren, denn plump kopiert sind die angesprochenen Szenen nicht.
Jedenfalls kann ich den Film nur als ein einziges Ereignis bezeichnen, das mir sicher dauerhaft im Gedächtnis bleibt. Ein Film, der in der Filmgeschichte als "ganz großes Kino" zu finden sein wird. Ruhiges, echtes Kino von einem Mann, der wirklich weiß, was er macht.
Die DVD:
Ich besitze das Doppel-DVD Digipack von Arthaus (Kinowelt). Genau so sollten alle Digipacks aussehen – Artwork, Verarbeitung, Ausstattung – alles auf höchstem Niveau! Ich konnte jedenfalls nichts finden, was ich beanstanden könnte. Sogar ein dickes, aufwändig gestaltetes Booklet mit vielen Filminfos ist enthalten.
Die Bild- und Tonqualität gibt ebenfalls absolut keinen Anlass zu Kritik und rundet das positive Bild dieser Veröffentlichung ab. Beim Bild muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass Wim Wenders als Stilmittel einen hohen Kontrast und kräftige Farben verwendet hat.
Tonformate:
- Englisch (Dolby Digital 5.1)
- Deutsch (Dolby Digital 5.1)
- Hörfilm Tonspur für Gehörlose (Dolby Digital 2.0 Stereo)
- Kommentar von Wim Wenders (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Extras der Film DVD:
- Audiokommentar von Wim Wenders
- Filmtrailer zu "Don't Come Knocking"
- Interviews mit Darstellern und dem Regisseur
- Wim Wenders Biografie (Texttafeln)
- Deleted Scenes (mit Audiokommentar von Wim Wenders)
- Trailer weiterer Filme des Labels (Paris Texas, Goal!, Whisky, French Kiss, Die Liebe am Nachmittag)
Extras der Bonus DVD:
- Going Places - A Journey with "Don't Come Knocking" von Peter Schwartzkopff (über 90 Minuten lang – Englischer O-Ton mit Deutschen UT’s)
- Videotagebücher (25 Minuten lang)
Fazit:
Ein Film für Cineasten oder solche, die es werden wollen. Ein Mann auf der Suche nach seiner Vergangenheit, seiner Familie und nach seinen verpassten Chancen. Eine Abrechnung mit seinem Leben.
Technisch wurde der Film perfekt in Szene gesetzt und auch der Soundtrack weiß, wie bei Wenders-Produktionen üblich, vollauf zu begeistern.
Der Film wird, obwohl die Erzählweise sehr langsam ist, nie langweilig. Ich ziehe meinen Hut vor Wim Wenders – er ist einer der ganz Großen. Ein wahres Meisterwerk und Kino in seiner reinsten Form.
- Redakteur:
- Detlev Ross