Ein Höllenhund von einem Gauner
- Regie:
- Kazuki Omori
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Action
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- T.R.Y.
1 Review(s)
07.04.2006 | 19:41Unentschlossen: Gaunerkomödie trifft Revoluzzerdrama
Kann sich ein gewöhnlicher Gauner für die Revolution einspannen lassen? Zwei Welten treffen aufeinander: Izawa, der japanische Gauner, wird von chinesischen Revolutionären in den 1920er Jahren für ihre Pläne rekrutiert. Er soll seine eigenen Landsleute, die Japaner, aufs Kreuz legen und den Revolutionären eine große Waffenlieferung in die Hände spielen.
Filminfos
O-Titel: T.R.Y. (JP 2003)
Dt. Vertrieb: e-m-s; 27.04.2006
FSK: ab 16
Länge: ca. 105 Min.
Regisseur: Kazuki Omori
Drehbuch: Izuru Narushima nach dem Roman "T.R.Y." von Naoto Inoue
Musik: Jeremy Enigk
Darsteller: Ken Watanabe, Yuji Oda, Hitomi Kuroki, Shao Bin, Sohn Chang-Min u. a.
Handlung
Shanghai in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, als man es das "Paris des Ostens" nannte. Die Ching-Dynastie steht kurz vor dem Zusammenbruch, das Volk vor einer Revolution. Die Unzufriedenheit macht sich der japanische Gauner Izawa zunutze und betrügt bei illegalen Waffengeschäften. Doch ein Betrug fliegt auf und er landet nicht nur im Gefängnis, sondern muss sich fortan auch vor dem "Rote-Augenbrauen-Killer" in Acht nehmen, den die Betrogenen auf ihn angesetzt haben. Das ergibt eine ziemlich schöne Fight-in-prison-Szene, in der Izawa aber keine gute Figur macht. Von Kampfsport hält er offensichtlich nichts.
Zum Glück findet er Schutz in einer revolutionären Untergrundbewegung, die ihn aus dem Gefängnis befreit. Als Gegenleistung soll er im großen Stil Waffen vom japanischen Kriegsministerium erschwindeln. Die Japaner wollen nicht nur den Untergang der Ching-Dynastie herbeiführen, sondern auch in der Mandschurei einen von ihnen kontrollierten Staat errichten. Mandschu soll ihnen auf diese Weise die dringend benötigten Rohstoffe liefern. Sie haben offensichtlich Großmachtpläne (die dann 1937 zur Invasion führen sollen).
Doch Izawas Plan ist kein leichtes Unterfangen, denn sein argwöhnischer Gegenspieler ist General Azuma (Watanabe), der, vollkommen unbestechlich und von den Preußen ausgebildet, jede Gaunerei zu erkennen scheint. Doch als Izawa per Zufall entdeckt, dass Djian aus der Shanghaier Unterwelt eine große Ähnlichkeit mit einem Ching-Prinzen hat, sieht er eine Chance, den General Saubermann aufs Kreuz zu legen.
Mein Eindruck
Dieser Streifen wurde fürs Fernsehen gedreht und das merkt man ihm in jedem Bild an. Die Revolutionäre sehen proper aus, der Gauner sowieso in seinem schneeweißen Maßanzug – und die Japaner können vor Stärke in ihren Uniformen kaum laufen. Ein Licht umschmeichelt alle Figuren, aber ganz besonders natürlich die Damen, und seien es auch käufliche Geishas.
Dieser Film meint es mit keinem böse, außer vielleicht mit dem Schurken im Stück: dem Killer mit der roten Augenbraue. Warum sich ein Auftragskiller durch dieses Merkmal als solcher kenntlich machen sollte, erschließt sich dem Westler nicht auf Anhieb. Entweder ist dies ein Relikt aus den einfachen Abenteuer-Dramen, mit denen sich das Volk unterhalten ließ (im Gegensatz zum hohen Drama), oder es gehört zu dem Plan der Auftraggeber um Polizeiinspektor Li, der den Besuch des Rote-Augenbrauen-Killers bereits seinem Opfer angekündigt hat. Wahrscheinlich handelt es sich um beides.
Dass sich der Film nie ganz zu seinem optimal passenden Genre, der Gaunerkomödie, entschließen kann, führt zu dem Eindruck eines lauwarmen Mittelwegs, den die Produzenten gegangen sind: Gaunerkomödie einerseits, historisches Revolutionsdrama andererseits. Die Revoluzzer werden niemals als Ziel des Spottes dargestellt, sondern immer ernst genommen. Alles andere hätte die KP der Volksrepublik China wohl nicht lustig gefunden.
Damit der egoistische Gauner Izawa sich zunehmend für die idealistische Revolution einsetzt, muss er sogar selbst einmal einen russischen Revoluzzer namens Alexei gekannt haben. In der Rückblende findet er dessen Leiche in einem von Leichen gesäumten Bunker – und schmeißt typischerweise dessen Knarre weg. Mit Waffen hat Izawa nichts am Hut, und dass er sie den Revoluzzern besorgen soll, stinkt ihm gewaltig. Auf welche Weise er am Schluss doch noch zum Helden des Volkes wird, soll hier nicht verraten werden. General Azuma erkennt schließlich bitter: "Revolution und Betrug scheinen das Gleiche zu sein." Sowas darf nur ein Japaner sagen – dort gab es nie einen Aufstand des Volkes.
Mit der Damenwelt hat er es jedenfalls nicht immer leicht. Allein schon die Tatsache, dass er immer zuerst an sich denkt, bringt ihm den Zorn der Revolutionärin Ai-ling ein. Das hindert sie aber nicht daran, ihm später das Leben zu retten. Dass er einen Schlag bei den Frauen hat, merkt man sogleich an der Reaktion der gewitzten japanischen Geisha, der er mal einen wichtigen Gefallen erwiesen hat und die ihn nur allzu gern in ihre Arme schließen würde. Beim Abschied bittet sie ihn, er möge sich doch bloß nicht in Shanghai totschießen lassen …
Wie man sieht, ist die Story auf Izawa zugeschnitten. Ich mochte mich jedoch nicht mit dem Darsteller Yuji Oda anfreunden. Das lag vielleicht an seinem unjapanischen Gesicht: Er sieht mehr wie ein Filipino aus. Und es lag auch an seinen vergleichsweise langen Haaren – alle anderen haben einen (quasi-) militärischen Haarschnitt. Daher sticht er schon rein optisch als Inbild der Disziplinlosigkeit und des Egozentrismus heraus. Aber auch sein Mangel an Humor, seine ständige Besorgtheit sind nicht dazu angetan, Amüsiertheit aufkommen zu lassen.
Warum ein großer und weltbekannter Schauspieler wie Ken Watanabe hier mitspielt, dürfte wohl mit einem lukrativen "Angebot, das er nicht ablehnen konnte", zusammenhängen. Jedenfalls ist er der einzige aktuelle japanische Schauspieler, der diese zentrale Rolle glaubwürdig ausfüllen kann. Er ist der eigentliche Gegenspieler Izawas und daher von essenzieller Bedeutung für den Plot. Dass sich sein General Azuma vom Titel eines Ching-Prinzen täuschen lässt, spricht aber weniger für seine Intelligenz, als dafür, sich den Klischees und Konventionen beugen zu müssen.
Vielleicht entdecken die Asiaten jetzt die heikle Vergangenheit vor dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Völker reihenweise die Köpfe einschlugen. 1905 der japanisch-russische Krieg, 1937 der japanische Einmarsch in China – und dazwischen jede Menge Stellvertreterkriege, von denen am Rande die Rede ist, so etwa in Korea. Den Anspruch auf historische Authentizität erkaufen sich die Produzenten mit einem ästhetischen Trick: Der Anfang spielt ganz in Sepiabraun und zwischendrin sieht man ein historisches Filmdokument von einem Rennen etc., das überhaupt nicht auffällt. Erst nach einer Weile beginnt die vierfarbige Phase, wie man sie gewöhnt ist.
Das meiste Geld haben die Produzenten in das Finale gesteckt. Frei nach John Frankenheimers fulminantem Vorbild "Der Zug" (mit Burt Lancaster) lassen sie zwei Dampflokomotiven aufeinander prallen. Dass der eine Zug bis obenhin mit Waffen beladen ist, macht die Angelegenheit natürlich besonders brisant: Die resultierende Explosion wird minutenlang in Zeitlupe gezeigt, als habe es nie etwas Schöneres gegeben.
Dass man in Asien keine Scheu davor hat, sich in allen Epochen und Kunstformen zu bedienen, zeigt dann der Abspann-Song: es handelt sich offensichtlich um chinesischen oder japanischen Rap! Na, der passt doch wie die Faust aufs Auge zu dem Bild von Gauner Izawa im Pariser Bois de Boulogne, oder?
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS und DD 5.1
Sprachen: D
Untertitel: D (theoretisch)
Extras:
- O-Trailer
- Trailershow (9 Filme)
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild ist stets einwandfrei, lediglich der nicht ganz einwandfreie Schnitt hat mich geärgert. Dass diesem Streifen ein DTS-Sound spendiert wurde, ist ziemlich erstaunlich. Der klingt natürlich erstklassig - auf einer dafür ausgelegten Anlage. Weniger erstklassig sind die deutschen Untertitel. Bei mir glänzten sie durch penetrante Abwesenheit, obwohl die entsprechende Option aktiviert war. Ebenfalls wenig Begeisterung löst bei mir die Tatsache aus, dass neben der Werbung keine Informationen über die Produktion zu finden sind. Wer sich also über die geschichtlichen Vorgänge im Hintergrund der Handlung wundert, der muss woanders nachschlagen.
Unterm Strich
Die Gaunerkomödie hat endlich das historische Revolutionsdrama erreicht, zumindest in Asien. Das Ergebnis ist eine pittoreske Mischung, die noch nicht so recht westlichen Augen schmecken will. Die TV-Produzenten und der Regisseur haben sich bei zahlreichen Medienprodukten bedient – siehe oben –, um die japanische Buchvorlage "T.R.Y." auf die Mattscheibe zu transportieren. Für Asiaten mag das Thema relativ brisant erscheinen, doch uns Westlern erscheint es wenig interessant, gibt es auf Seiten der Gaunerkomödie relativ wenig Unterhaltsames zu genießen.
Und warum der Streifen mit FSK16 bestraft wurde, erschließt sich mir in keiner Weise. Es handelt sich weder um eine Schlachtplatte à la "Total Recall" noch um eine Nuditätenshow: Alle Damen bleiben sehr züchtig angezogen. Vielleicht soll der Film vor seiner Zielgruppe geschützt werden?
- Redakteur:
- Michael Matzer