Eroberer, Der
- Regie:
- Dick Powell
- Jahr:
- 1954
- Genre:
- Abenteuer
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Conqueror
1 Review(s)
24.12.2007 | 14:22Dschingis als Jesus: Tragödie im Wüstensand
Mongolenfürst Temudschin (John Wayne) führt einen erbitterten Krieg gegen die Tataren. In die Geschichte eingehen wird er als gewaltigster Eroberer, den die Welt je sah: Dschingis Khan, Beherrscher eines Weltreiches, das von China bis nach Europa reichte.
Die Dreharbeiten zogen eine der größten Tragödien der Kinogeschichte nach sich. Da der Film in Windrichtung eines Atomwaffentestgeländes gedreht wurde, erkrankte ein Großteil des Filmteams und viele starben an den fatalen Folgen der radioaktiven Strahlung, darunter Wayne, Hayward und der Regisseur Dick Powell. Eine Dokumentation klärt darüber auf.
Filminfos
O-Titel: The Conqueror (USA 1954)
Dt. Vertrieb: Koch Media (5. Oktober 2007)
FSK: ab 12
Länge: ca. 106 Min.
Regisseur: Dick Powell
Produzent: Howard Hughes
Drehbuch: Oscar Millard
Musik: Victor Young
Darsteller: John Wayne, Susan Hayward, Pedro Armendariz, Agnes Moorehead, Thomas Gomez, John Hoyt, Lee van Cleef u. a.
Handlung
Das 12. Jahrhundert. In der Wüste Gobi und der Mongolei bekriegen sich Mongolen, Merkiten, Tataren und andere wegen der knappen Lebensgrundlagen. Das Unheil beginnt diesmal mit dem Überfall des obersten Mongolenfürsten Temudschin (Wayne) auf eine Karawane. Der Merkite Targutai führt die Tatarentochter Bortai (Hayward) als dritte Frau nach Hause. Als die Reisenden die Grenze Temudschins überschreiten, sieht sich der Fürst berechtigt, die scharfe Braut an sich zu reißen. Sein Blutsbruder Yamuga Silberzunge (Pedro Armendariz) gibt vergeblich die resultierenden Folgen zu bedenken. Denn Temudschin hat einen wichtigen Grund: Bortai ist die Tochter Fürst Kumleks, des Mörders seines Vaters Yesugai. Dem kann er mit ihrem Raub eines auswischen.
Kaum ist Bortai in Temudschins Lager angekommen, spielt sie Eiskönigin und versucht, Yamuga für einen Verrat zu gewinnen, damit er sie freilässt. Hier spielt Bortai Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung". Doch bevor es dazu kommen kann, wird das Lager bereits von Targutai überfallen. Die Mongolen verlieren fast alle Pferde. Nachdem Temudschin Targutai getötet hat, flieht er mit Bortai in die Berge. Er trickst die Verfolger aus und erobert Bortais Herz. Zum Zeichen ihres inneren Wandels trägt sie Felle statt ihres früheren Seidenkleides.
Als Temudschin erklärt, er plane die endgültige Vernichtung der Tataren, erklärt ihn Yamuga für verrückt. Doch der Fürst hat einen verwegenen Plan. Wang Khan in Urga hat ein Heer und da er der Blutsbruder Yesugais, Temudschins Vaters, war, ist er Temudschin sehr verbunden. Man braucht natürlich eine List, um Wang Khan für den Krieg zu gewinnen, doch den Einzigen, den es wirklich zu fürchten gibt, ist Wangs Schamane, ein echter Schlaufuchs.
Zusammen reiten Temudschin und Yamuga mit Bortai und Gefolge nach Urga. Nach einem freundlichen Empfang beginnen die Tänze, doch es gibt eine unvorhergesehene Überraschung. Die durch Spott provozierte Bortai tanzt zwar den Schleiertanz à la Salome, doch dann schleudert sie ein Schwert auf die Fürsten! Ist dies ein Omen, dass überall Verrat lauert? Temudschin, völlig unversehrt, hofft es nicht, aber nur die Zeit wird es erweisen ...
Mein Eindruck
Zahlreiche Teilnehmer an den Dreharbeiten starben später an Krebs (s. o.). Kann man den Film dann überhaupt noch als Werk der Unterhaltungsindustrie und als eigenständiges Kunst-Werk betrachten und beurteilen? Es ist sehr schwer. Und noch schwieriger wird es, wenn man den ästhetischen Geschmack des Fünfziger-Jahre-Publikums berücksichtigen will, auf den der Streifen abgestellt war. Historienschinken waren bis zum Jahr 1960 noch gängige Ware, und die Amis ließen viele davon in Spanien oder Italiens Cinecittà drehen. Jedenfalls so lange, bis "Cleopatra" zum teuersten Flop aller Zeiten wurde.
Nachdem schon alle "Eroberer" wie Jesus, Caesar, Alexander, Hannibal und Artus in diversen Bio-Pics durchgehechelt worden waren, um schöne bunte Bilder zu liefern und zugleich monarchistische Herrschaftsstrukturen propagandistisch zu untermauern, blieben nicht mehr allzu viele historische Größen übrig. Eine der letzten war Dschingis Khan.
Unter dem Level von John Wayne gab sich der exzentrische Industrielle Howard Hughes, Besitzer von RKO Pictures, nicht zufrieden. Dick Powell produzierte zwar und führte Regie, doch Hughes war wohl der tonangebende Mann bei der Entstehung dieser Produktion. Denn Hughes und Wayne waren beides Rechtskonservative, die die linkslastige Filmindustrie dazu benutzten, um "America the Beautiful" zu propagieren, so etwa in Waynes Streifen "The Alamo". (Dass ausgerechnet die US-Regierung ihn durch unterlassene Warnung vor dem radioaktiven Drehgelände verriet, gehört zu den tragischen Ironien dieser Kinogeschichtsepisode.)
Doch die eigentliche Umsetzung besorgten Powell und seine Schreiberling Millard. Sie machten aus dem grausamen Eroberer Dschingis Khan einen Heiland und Erlöser. Bortai ist die nicht sonderlich keusche Maria Magdalena dieses Messias', und Yamuga ist sein Prophet, der mit Silberblick in die Ferne schaut und mit Silberzunge des Lob seines Blutsbruders verkündet. Am Schluss begibt sich Yamuga zum Bedauern seiner engsten Freunde in die Wüste, "um den Geistern zu dienen", was wohl auf eine Randexistenz à la Johannes der Täufer hinausläuft.
In der Gefangenschaft Kumleks, des Tatarenfürsten, sehen wir Temudschin sämtliche Leidensstationen des biblischen Jehoschua von Nazareth durchlaufen: Kumlek lässt ihn ins Joch spannen, als würde er den Mann kreuzigen. Er peitscht ihn aus, schmäht ihn als "Häuptling der Mongolen" so wie Jesus als "König der Juden" tituliert wurde, und dergleichen mehr. Klar, dass die treue Bortail diesem geschundenen Märtyrer zur Freiheit verhilft.
Jesus, pardon: Temudschin steigt am Ende des vierten Aktes, als bereits alles verloren scheint (das bekannte "retardierende Moment" in Heyses Dramentheorie) wie weiland Moses auf den Berg, um seinen Gott und vor allem seinen Vater anzurufen (bei Jesus ein und dasselbe) und ihn um Hilfe und Rettung anzuflehen. Rettung auch, weil schon die ersten Unterfürsten über Temudschins Unfähigkeit murren, eine Armee zusammenzurufen, mit der Sich Kumleks Tataren angreifen und besiegen lassen. In solchen Szenen kommt uns John Wayne, der sonst mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, sehr entrückt und am völlig falschen Ort vor.
Erst als die Nebenhandlung um den Schamanen Wangs die Wendung bringt, kann Wayne endlich zeigen, was er am besten kann: reiten, kämpfen, Indianer, pardon: Tataren jagen. Dass sein Temudschin persönlich Kumlek zur Strecke bringt, ist ja wohl Ehrensache. Als der Widersacher endlich besiegt ist, schwören alle Besiegten und Zweifelnden dem Sieger Treue usw. Seltsam, dass ausgerechnet eine grausamer Eroberer, dessen Heere in der Folge Millionen Opfer fordern werden und dessen "Goldene Horde" lange Zeit über ein Riesenreich bis zur deutschen Ostgrenze herrscht (Schlacht an der schlesischen Liegnitz im Jahr 1241), zu einer Erlöserfigur emporstilisiert wird. Da bleibt ein bitterer Beigeschmack übrig.
Die Handlung selbst dürfte nach dem Geschmack jedes Freundes von Action, Intrigen und Romanze sein. Susan Hayward sieht sehr jung aus, als John Wayne ihr das weiße (= jungfräuliche) Seidengewand vom Leib herunterfetzt und sie später mit Küssen "bezwingt". Daran hätte auch Schundromancier John Norman, Autor des berüchtigten Gor-Zyklus, seine helle Freude gehabt. Aber bei ihm wäre wenigstens Dschingis Khan der Barbar geblieben, als den ihn die Geschichtsbücher beschreiben.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0 mono, Englisch in DD 2.0 (stereo)
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: ?
Extras:
- O-Trailer
- TV-Beitrag "Ein Film und seine Folgen" (ca. 18 Min.)
- 16-seitiges Booklet mit Farbfotos
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
Die bearbeitete Fassung dieses alten Streifens will zwar unbedingt weg von roten Tönen des ursprünglichen Materials, doch gelingt es ihr nur schwer. Die Rottöne des Sandes von St. George in Utah sind dominierend in sämtlichen Szenen, die in der Wüste spielen, seien sie nun im Freien oder im Studio gedreht. Der Regisseur ließ dafür sogar (radioaktiven) Sand aus St. George tonnenweise ins Studio karren.
Deshalb sind alle Szenen, die in Urga und entsprechenden Interieurs spielen, eine wahre Entlastung fürs Auge. Hier herrschen dann helle und blaue Töne vor, was auf das Vorhandensein eines Überflusses von Wasser hindeutet, wenigstens durch Assoziation. Die Tonqualität ist zumindest ebenso frei von Fehlern wie das Bild, auch wenn der Standard von DD 2.0 lediglich Fernsehniveau entspricht und in der deutschen Fassung sogar nur in Monoqualität vorliegt.
1) O-Trailer
Dieser Trailer liegt in nicht so guter Bild- und Tonqualität wie der Hauptfilm vor, da er nicht digital überarbeitet wurde.
2) TV-Beitrag "Ein Film und seine Folgen" (ca. 18 Minuten)
91 der 220 Mitglieder des Stabes und der Darsteller starben später an Krebs. Diese Rate ist dreimal so hoch wie der statistische Durchschnitt. Es gibt also einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Sterberate und den Arbeiten an diesem "verfluchten" Filmprojekt. Das große Sterben ging noch bis in die neunziger Jahre weiter (1991 starb John Hoyt).
Der deutsche Journalist Wieland Schulze-Keil machte sich mehr als ein Vierteljahrhundert auf den Weg, um diese Tragödie zu dokumentieren. St. George, Utah, ist eine konservative und regierungstreue Mormonengemeinde, die nur 150 Kilometer vom Atomtestgelände Yucca Flats entfernt liegt. Zwischen 1952 und 1957 fanden dort oberirdische Atombonebenexplosionen statt, u. a. mit "dreckigen" Bomben, die einen Anteil an Strontium-90 und Cäsium-137 aufwiesen. Eine der Bomben hieß sogar - man glaubt es kaum - "Dirty Harry". Sie explodierte am 19. Mai 1954 mit einer Stärke, die größer war als die der Bomben von Hiroshima und Nagasaki.
Die Tests durften wegen des radioaktiven Fallouts nur stattfinden, wenn der Wind nach Osten blies, Richtung St. George, damit die Metropole Los Angeles verschont wurde. Die perfide Logik der Leute von der Atomic Energy Commission zeugt von einem geheimgehaltenen Wissen über die Gefährlichkeit des Fallouts. Dennoch wurde niemand von der Filmcrew davor gewarnt.
Die Winde setzten die Crew, die eh schon radioaktiven Staub schluckte, einer zusätzlichen Strahlenbelastung aus, und während der zwei Wochen, die im Studio gedreht wurde, strahlte der herbeigekarrte Sand - rund 60 Tonnen - weiter. Es gibt sogar ein berühmtes Foto, auf dem Wayne und seine zwei Söhne auf die Skala eines Geigerzählers schauen. Die Jungs suchten zum Spaß nach Uranvorkommen. Dass sie auch den Fallout maßen, ahnten sie anscheinend nicht. Und die Regierungspropaganda wiegte alle in dem Glauben, das Atom sei sicher. Es sei denn, die Russen hatten es. Dann galt die "Duck-and-Cover"-Maßnahme, die darin bestand, sich unter Tischen zu verstecken. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dazu gibt es einen bekannten Dokumentarfilm, der lange vor Michael Moore gedreht wurde.
Der Soldat Tom Saffer, der bei einigen der 160 oberirdischen Tests eingesetzt wurde, berichtet Horrorszenen. Die Bombe detonierte nur zwei Kilometer von den Soldaten entfernt, die nur einen Graben als Deckung hatten und das Skelett des Nebenmannes im Licht der Strahlung sehen konnten. Danach musste die Soldaten den Graben verlassen und den sich erhebenden Atompilz angreifen ...
3) 16-seitiges Booklet mit Farbfotos
Sascha Westphal untermauert all diese Fakten noch einmal in seinem erhellenden und informativen Essay über diese Produktion. Darüber hinaus vergleicht er das Schicksal dieses Films mit jener anderen Katastrophe, die 1982 das Finale des Episodenfilms "The Twilight Zone - The Movie" überschattete. Ein abstürzender Helikopter enthauptete mit seinen Rotoblättern den Darsteller Vic Morrow sowie zwei Kinderdarsteller. Dem Regisseur John Landis wurde der Prozess gemacht, aber das Gericht sprach ihn frei. Seitdem ist dieser Streifen, der bei uns fast nie gezeigt wird, berüchtigt für diese Katastrophe statt berühmt für seine künstlerischen Meriten, zu denen immerhin auch ein gewisser Steven Spielberg beitrug.
Das gleiche Schicksal ereilte "Der Eroberer". Es ist nicht mehr möglich, das Produkt von den Folgen seiner Entstehung zu trennen. Und Marlon Brando, den Powell und Millard für die Hauptrolle vorgesehen hatten, entging einem frühen Krebstod nur durch die Hartnäckigkeit seines Studios 20th Century Fox, das ihn nicht ausleihen wollte. Zwischen Leben und Verhängnis steht manchmal nur die Breite eines Schreibtischs und die Dicke einer Unterschrift. Nur deshalb können wir ihn noch heute als "Paten" und Colonel Kurtz in "Apocalypse Now" bewundern.
4) Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Die Bildergalerie umfasst Standfotos in Farbe und Schwarzweiß, Aushangfotos, ein Presseheft sowie ein deutsches Filmplakat.
Unterm Strich
Die relativ banale Handlung des Action- und Historienstreifens könnte genauso gut in einem Western stattfinden. Die deutsche Synchronisation verdeckt die pathetischen Dialogzeilen, die Wayne und Hayward im Original sprechen müssen (Details dazu im Booklet-Essay), so dass man Wayne noch die Rolle des machohaften Machers abnimmt. Doch die Regie stilisiert seine Erobererfigur auch noch zu einem Erlöser à la Jehoshua von Nazareth hoch, und das wirkt denn doch höchst dubios.
Das Bonusmaterial aus Dokumentation und Filmessay erlaubt es jetzt dem deutschen DVD-Besitzer, sich relativ objektiv mit den Legenden um diesen Film auseinanderzusetzen. Wer will, kann immer noch an einen Fluch auf dieser Produktion glauben, aber wer die Fakten kennt, würde eher zu der Annahme eines kriminellen Vorgangs neigen. Der Hauptschuldige ist nicht so sehr der Ausführende, nämlich Powell, sondern die US-Regierung, die verschwieg, dass der Drehort in höchstem Maße strahlenverseucht war und zudem täglich von radioaktiven Winden belastet wurde. Die Opfer: 91 von 220 Mitwirkenden starben an Krebs. Wie die Doku erwähnt, leiden die als Statisten eingesetzten Pajute-Indianer bis heute unter Krebs, Mutationen und anderen Gesundheitsproblemen. Es ist schwer, den Film unter diesen Vorzeichen zu "genießen" und noch schwerer, ihn objektiv zu beurteilen.
- Redakteur:
- Michael Matzer