Fickende Fische
- Regie:
- Almut Getto
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
27.01.2005 | 07:42Nein, keine Sorge, es geht in diesem Film nicht um die Paarungsrituale von Meerestieren.
Hinter dem trashigen Titel verbirgt sich, wie für den deutschen Film typisch, ein sehr ernstes Thema. Auch wenn hin und wieder, im humorigen Teil des Films, die Frage aufkommt, ob Fische wirklich Sex haben, so hat auch dies nicht das Geringste mit der Bedeutung der Handlung zu tun.
Jan gehört zu einer Gesellschaftsgruppe, die als Geist im heutigen Alltag existiert. Er ist sechzehn und hat (durch eine vertauschte Blutkonserve) AIDS. Die Krankheit macht ihn psychisch zum Einzelgänger und Tagträumer. Seine große Leidenschaft ist sein Aquarium, und seine Traumwelt das Leben Unterwasser.
Eines Tages platzt die freche Nina in dieses Leben. Als sich zwischen den beiden Liebe entwickelt, ist Jan hin und her gerissen zwischen der Bürde seiner Krankheit und der Zuneigung zu Nina.
Der Ausspruch "Pädagogisch wertvoll" ist der beste, den man sich für diesen Film vorstellen kann. Zwar sensibel, aber klischeelos wird die Geschichte einer Jugendliebe erzählt, die sich gegen den Schatten der schlimmsten Geschlechtskrankheit der Welt aufbäumen muss. Es ist fast unmöglich, nicht vorher schon zu wissen, worum sich der Plot des Films im Groben dreht. Selbst wenn man sich erfolgreich gegen alle Infos gewehrt hat, begreift man schon nach kurzer Handlungsdauer, womit es Jan zu tun hat. Und so sieht man mit besorgten Augen etwas, was normalerweise eine rundum schöne Geschichte wäre: die Annäherung zwischen Nina und Jan. Regisseurin Almut Getto, die mit "Fickende Fische" ihr Langfilm-Debüt feierte, gelingt es durch diese frühen Andeutungen, den Zuschauer in die Lage von Jan zu versetzen, seine Zerrissenheit mitzufühlen und zu verstehen, warum er so verwirrend handelt. So wird es verständlich, warum Jan Nina bei zwei Gelegenheiten verschweigt, dass er HIV positiv ist.
Getto schickt ihren Hauptakteur an verschiedene Orte, die ihm und somit auch dem Zuschauer immer wieder ein anderes Bild seiner Krankheit zeigen. Sei es das Krankenhaus, wo ein guter Freund von ihm der Krankheit bereits erliegt, oder bei seinem Großvater, der ihm immer wieder neuen Mut gibt, indem er sagt, dass er liebend gern mit ihm tauschen würde, wenn er könnte.
Es gelingt gut, die verschiedenen Welten, in denen Jan lebt, zu visualisieren und immer wieder in der Unterwasserwelt von Jan symbolisch den Handlungsverlauf des Films darzustellen. Trotz des ernsthaften Themas wird nicht versucht, zwangsläufig eine traurige Atmosphäre zu schaffen, sondern lediglich eine sehr gespannte, die hin und wieder eskalieren muss. So ist auch das Ende mehr oder weniger offen und schon eher als Metapher zu verstehen, die den Zuschauer mit gemischten, jedoch insgesamt positiven Gefühlen entlässt.
Der Film dokumentiert ein wenig idealistisch, dass das Leben mit HIV nicht zwangsläufig zu Ende ist. Er deutet beispielsweise an, wie man in Lethargie oder unmächtige Wut über das eigene Schicksal fallen kann oder wie wenig aufgeklärt wir doch über diese Krankheit sind, ohne sich jedoch in irgendeinem Thema festzufahren.
Doch nicht nur die leichtfüßig erzählte Geschichte macht diesen Film aus, auch die Schauspieler stehen dem in Nichts nach. Nahezu jeder überzeugt in seiner Rolle. Allen voran natürlich Tino Mewes, der seinen Charakter zwischen Wut, Gleichgültigkeit, Verdrängung, Träumen und Liebe taumeln lassen muss.
Nicht zuletzt macht auch die Filmmusik diesen Film zu einer mitreißenden Liebesgeschichte zweier Jugendlicher. So ist sie ein Streifzug durch die verschiedensten Genres handgemachter Musik, die scheinbar immer perfekt die jeweiligen Situationen untermalt. Besonderer Gag dabei: Als kleine Band in einem Discokeller spielen keine Geringeren als SEEED.
Der Schock daran ist aber, dass es keinen offiziellen Soundtrack zu diesem Film gibt, was angesichts der Hochklassigkeit der Lieder unverständlich erscheint.
Die DVD an sich ist auch ein Leckerbissen. Beispielsweise ist da ein Extrakapitel über die Entstehung der Animationen im Film. Animationen? Was für Animationen?
Die Animationen der Fische in allen Unterwasserszenen, die wiederum so gut sind, das sie beim Schauen gar nicht auffallen. So soll Tricktechnik sein.
Desweiteren sind ein Trailer des Films enthalten sowie ein Storyboard und ein Musikvideo. Besonders das Storyboard ist interessant, weil es speziell Szenen zeigt, die später aus dem Film herausgefallen sind.
Bei dem Audiokommentar für die DVD wurde sehr liebevoll und ausführlich vorgegangen. Sowohl den Produzenten, die Regisseurin, als auch die beiden Hauptdarsteller kann man sich dabei anhören. Wie es für einen deutschen Film so üblich ist, sind diese Audiokommentare sehr interessant, ganz einfach weil man sie mal ausnahmsweise ohne Mühe verstehen kann. (im Vergleich zum stets neuesten Blockbuster aus den USA). Dabei ist für den Otto-Normal-Zuschauer wohl der Kommentar von Mewes und Rogall am interessantesten. Einerseits, weil sie hauptsächlich interessante und aufschlussreiche Details zu den jeweiligen Szenen geben, aber auch, weil ein Co-Kommentar sehr viel lockerer wirkt als der Monolog von Regisseurin und Produzent. Da lässt es sich auch verzeihen, dass die beiden vielleicht ein paar Mal zu häufig erwähnen, wen sie nun wo wiedergesehen haben. Leider sind die zahlreichen von ihnen erwähnten Stellen, an denen etwas "weggefallen" ist, nicht auf der DVD enthalten. Hier wäre also eine Extra-Option mit zusätzlichen Szenen noch das Sahnebonbon gewesen.
Insgesamt wurde der Film übrigens in viel zu wenig Kapitel eingeteilt, so dass man, sollte man mal eine bestimmte Stelle suchen, ewig herumspulen muss. Trailer zu anderen "Filmen" sind auch noch drauf, die man mindestens einmal gesehen haben sollte. Denn es handelt sich hierbei um die wohl grottigsten Trailer zu den grottigsten Filmen, die je gedreht wurden. Also unbedingt einmal antun!
Auch wenn die Machart der DVD einerseits schön ausführlich ist und andererseits über ihre eigenen Füße stolpert: Der Film an sich hat seine Auszeichnung mit dem Deutschen Filmpreis verdient, genauso wie jedes Lob. Jeder sollte ihn einmal gesehen haben, des Inhalts wegen und um "Fickende Fische" den Beweis antreten zu lassen, wie quietschlebendig der deutsche Film ist.
- Redakteur:
- Michael Langlotz