Fidel & Che
- Regie:
- David Attwood
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Drama
- Land:
- Mexiko
1 Review(s)
02.08.2005 | 07:47Lang lebe die Revolution?
Fidel Castro und Che Guevara: zwei Namen, die untrennbar mit der kubanischen Revolution von 1959 verknüpft sind. Castro entwickelt sich vom respektablen Anwalt zum Freiheitskämpfer und wird schließlich Staatspräsident. Guevara, ein ehemaliger Arzt aus Argentinien, wird Politiker und Guerillaführer in Bolivien. Der Film erzählt die Geschichte zweier Männer, die verbunden waren durch politische Ideale und durch diese wieder getrennt wurden. (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Fidel & Che (Mexiko 2002)
Vertrieb: 07.07.2005, http://www.e-m-s.de
FSK: ab 16
Länge: ca. 123 Min.
Regisseur: David Attwood
Drehbuch: Stephen Tolkin
Musik: Jon Altman
Darsteller: Victor Huggo Martin (Castro), Gael Garcia Bernal (Guevara), Patricia Velasquez (Mirta Diaz Balart), Ernesto Godoy (Huber Matos), Margarita d'Francisco (Matalia Revuelta), Cecilia Suarez (Celia Sanchez) Alejandra Gollas (Haydee Santamaria) u.a.
Handlung
Ein Taxifahrer gewährt Touristen eine Rundfahrt durch Havanna - "in Batistas Cadillac" aus dem Jahr 1959. Eine Lehrerin informiert ihre kleinen Schüler darüber, wer der Freiheitskämpfer José Martí war.
Der Alleinherrscher Kubas begibt sich allein in ein kleines Büro, in dem eine ganze Wand von Erinnerungsfotos bedeckt ist. Er blickt zurück ...
Im Jahr 1949 fällt Castro, ein respektabler Anwalt, erstmals auf: Er beschimpft den amerikanischen Botschafter. Der will sich für das beleidigende Verhalten von US-Matrosen entschuldigen, kennt aber nicht mal den Namen des Nationalhelden, dessen Denkmal die Matrosen bepinkelt hatten: José Martí. Als Steine fliegen, wird die Demonstration mit Gewalt aufgelöst. Castro, sein Bruder und Castros Freundin Mirta können sich in Sicherheit bringen. Er beschließt, die Amerikaner zu vertreiben, damit Kuba endlich frei sein kann. Aber das erweist sich als langer Kampf.
Castro agitiert weiter gegen die Regierung, wird Zeuge, wie sich ein Kopf der Opposition selbst erschießt, weil man ihn bloßgestellt hat. Aufgrund seiner Aktivitäten muss sich Castro vor dem Geheimdienst verstecken, und er schließt sich einer Rebellenzelle an, die von einer wohlhabenden Frau namens Natalia (Naty) Revuelta unterstützt wird. Mit dieser fängt Castro ebenfalls ein Verhältnis an und schwängert sie. Bis er seine Tochter zu sehen bekommt, vergehen jedoch Jahre, denn seine nächste Aktion, der Überfall auf eine Kaserne, führt zu einem blutigen Desaster. Er landet im Knast, erleidet Einzelhaft.
Mirtas Bruder, ein Geheimdienstler, hat jedoch das Ohr des Präsidenten Batista und rät dringend dazu, aus Castro bloß keinen Märtyrer zu machen, sondern ihn vielmehr ins Exil zu schicken. In Mexiko lernt Castro endlich den jungen Ernesto Guevara, genannt "Che", kennen, der sich offenbar mit dem, was man eine Revolution nennt, bestens auskennt. Sie stellen eine Rebellentruppe auf und schippern mit einem altersschwachen Kahn namens "Granma" nach Kuba: 1000 Seemeilen. Doch durch einen Sturm kommen sie vom Kurs ab, landen in den Mangroven, statt von ihren Kontaktleuten in Empfang genommen zu werden. So werden sie leichte Opfer der Soldaten, die sie bereits erwarten: Von rund 80 Leuten überleben nur ein halbes Dutzend das Massaker. Der Rest verschanzt sich in den Bergen, wo die Landbevölkerung sie bei ihrer erfolgreichen Guerilla unterstützt.
Am 2. Januar 1959 ziehen die Freiheitskämpfer in Havanna ein. Die CIA hat General Batista fallengelassen, und er ist geflohen. Fortan krempeln die Guerilleros alles um - und schaffen sich in US-Präsident Kennedy einen erbitterten Feind, der beinahe den dritten Weltkrieg riskiert, um die sowjetischen Atomraketen von Kuba fernzuhalten. Auch innenpolitisch läuft keineswegs alles rund, und so sieht sich Che 1965 veranlasst, wieder etwas Revolutionäres zu unternehmen. Er geht nach Bolivien, doch ohne Rückhalt der Landbevölkerung hat er keine Chance ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:3
Tonformate: Deutsch in DD 5.1 und 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
7 weggelassene oder erweiterte Szenen:
- Vor Gericht
- Training in Mexiko
- Auf der Überfahrt
- Nach dem Sieg / Besprechung
- Huber Matos
- Die Verurteilung
- Stimme des Volkes
Trailershow: The last Tunnel; The Machinist; Old Men in new Cars
Mein Eindruck
Die Nacherzählung des revolutionären Kampfes von Fidel Castro und Ernesto Guevara versucht, sich an die überlieferten Fakten zu halten. Doch von wem wurden sie überliefert? Im Vorspann heißt es, man stütze sich auf historische Forschungen und zwei Bücher: "Guerilla Prince" von Georgie Anne Geyer sowie auf "Fidel Castro" von Robert E. Quirk.
~ Der Macho und die Frauen ~
Castro ist ein Egomane, der Verluste an Leuten und Ansehen locker wegzustecken scheint, und obendrein ein Latin Lover, der gleich drei Frauen beglückt: Mirta Balart schenkt ihm den Sohn Fidelito, die reiche Sympathisantin Natalia Revuelta eine Tochter und die Kämpferin Celia Sanchez ihr Leben. (Dass es einmal zu falsch zugestellten Briefen kommt und die eine Frau von der Existenz der jeweils anderen erfährt, ist eine superkurze humorvoll-ironische Episode, die sofort wird vom Drama verdrängt wird.)
Im Gegensatz dazu scheint Guevara überhaupt keine Frauen zu mögen, sondern ausschließlich für die fortwährende Revolution zu leben. Man erfährt in diesem Film nur wenig über Che, denn dies ist sozusagen die Fortsetzung des Streifens "Die Reisen des jungen Che", in der der gleiche Darsteller die Hauptfigur verkörpert. Der Zuschauer muss also den Vorgänger kennen, will er nicht mit ungeklärten Fragen konfrontiert werden.
~ Das dynamische Duo ~
Der Film heißt zwar "Fidel & Che", aber der Titel erscheint im Rückblick wenig gerechtfertigt, denn es gibt allenfalls drei direkte Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren: Sie lernen sich kennen, sie verabschieden sich voneinander - und war da was dazwischen? Ach ja, Che tritt im kubanischen Revolutionsrat ständig als scharfer Hund auf, der einen abtrünnigen Zweifler sofort als Verräter brandmarkt und ins Gefängnis werfen lässt. Aber eine Tirade im Rat hat nichts mit einem privaten Dialog zu tun.
~ Die Amerikaner ~
Da die Amerikaner seit 1898 Kuba als ihren Besitz betrachteten und die Karibik bis heute als ihren Hinterhof (siehe die Invasion in Grenada anno 80), konnte es ihnen keineswegs egal sein, was auf der Zuckerrohrinsel vor sich ging. Der United Fruit Company gehörte die Insel in wirtschaftlicher Hinsicht und der CIA in politischer. Die Company wurde komplett enteignet, die CIA hinausgeworfen. Nach der Revolution 1959 kam es deshalb 1961 zu der desaströsen Invasion in der Schweinebucht, die Kennedy zu verantworten hatte, und 1962 zur knallharten Blockade. Beide Episoden werden mit originalem Filmmaterial belegt - weiß der Kuckuck, wo es herkommt. Aber diese Informationen belegen, welche Interessen die USA hatten und welche Aktionen sie unternahmen.
~ Lang lebe die Revolution? ~
Offenbar konnte Castro nichts Verkehrtes tun, selbst wenn es Dutzende von Mitkämpfern das Leben kostete. Selten habe ich eine derart unkritische Darstellung des Aufstiegs eines Diktators gesehen. Rechtfertigt die Befreiung Kubas alle seine Fehler und die Opfer? Die Guerilla in der Sierra Maestra erscheint uns zudem wie eine Art Abenteuerspielplatz, auf dem Männer noch Männer sein können - selbst dann, wenn es sich beim Gegner um entwaffnete und wehrlose Soldaten handelt.
Dass Castro im Recht sein muss, belegt ja die Unterstützung durch die arme Landbevölkerung. Sie heißen ihn und seine Mannen willkommen, als er in der Provinzhauptstadt Santiago einzieht wie ein Triumphator im alten Rom. Nur 20 Jahre später fliehen sie mit wackeligsten Vehikeln über das haiverseuchte Meer nach Florida: Abstimmung mit den Füßen. Und eine alte Wegbegleiterin, Haydee Santamaria, nahm sich das Leben, weil sie mit dem Kurs Castros nicht einverstanden war. Und in Miami agitiert Huber Matos, der 20 Jahre unter Castro eingesperrt war, gegen seinen einstigen Maximo lider.
Die DVD
Der Sound in DD 5.1 ist ebenso in Ordnung wie die Bildqualität - das gilt beides nicht für die Deleted Scenes. Die Filmmusik trägt stark zur meistens beschwingten Revoluzzerstimmung und den positiven Eindrücken vom Leben auf der Karibikinsel bei, kennt aber auch traurige Weisen. Umrahmt wird sie von dem bedrückenden Schweigen, das Castro bei seinem Erinnerungsgang umgibt und verbreitet.
Dass der Film keinerlei Untertitel anbietet, hat mich sehr frustriert, ganz besonders natürlich in den nicht synchronisierten gestrichenen Szenen. Bei den gestrichenen Szenen handelt es sich zumeist um erweiterte Szenen statt um neue. Die wichtigste Szene davon ist sicherlich Castros "Gerichtsverhandlung": Er steht vor einem seltsamen Tribunal in einem winzigen Raum - und kehrt den Spieß um, indem er eine flammende Rede für die Befreiung Kubas von der amerikanischen Knechtschaft deklamiert, die US-Verfassung zitierend.
Dass nicht die geringste Dokumentation auf der DVD untergebracht wurde, ist sehr enttäuschend. Auf die drei Werbe-Trailer kann ich gut verzichten, doch wo sind die Trailer für den Film "Fidel & Che"?
Ein besonderer Umstand soll nicht verschwiegen werden: Vor dem Hauptfilm wird ein Werbefilm des Diakonischen Hilfswerks eingeblendet. Darin berichtet eine somalische Frau, wie eines Tages die Soldaten kamen und sie vergewaltigten, obwohl sie im 7. Monat schwanger war. Dieses Geschehen könnte heutzutage in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt stattfinden. Right now.
Unterm Strich
Man kann "Fidel & Che" ganz undistanziert als abenteuerlich-dramatischen Geschichtsunterricht genießen, aber das wäre wohl etwas naiv. Denn die Darstellung dieses Castro und seiner Revolution ist weitaus differenzierter. Insgesamt kommt Che viel zu kurz, das gilt aber nicht für die Frauen in Castros Leben. Auf jeden Fall regt der Streifen zum Nachdenken und Diskutieren an, und damit wäre schon einmal viel gewonnen. Schließlich tendiert man in Europa eher dazu, Kuba als Ferieninsel zu betrachten statt als gesellschaftliches Experiment.
Die DVD hätte es verdient, sie mit Dokumentarmaterial vollzupacken. Die gestrichenen Szenen und die Trailer entschädigen für diesen Mangel nicht.
- Redakteur:
- Michael Matzer