Flyboys - Helden der Lüfte
- Regie:
- Bill, Tony
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Kriegsfilm
- Land:
- USA/F
- Originaltitel:
- Flyboys
1 Review(s)
19.02.2008 | 13:28Frankreich im Jahre 1916: Der I. Weltkrieg tobt im zweiten Jahr. Die Westfront ist erstarrt, die Gegner sind von gleicher Stärke. Der Kriegseintritt der USA würde der Entente zum Sieg verhelfen, doch Präsident Woodrow Wilson verweigert das militärische Eingreifen in Europa.
Nicht jeder US-Bürger mag sich damit abfinden. Wagemutige junge Männer wollen sich den Franzosen im Kampf anschließen. Auch für die noch junge Luftwaffe finden sich so viele Kandidaten, dass eine spezielle "Escadrille Américaine" (später in "Lafayette Escadrille" umbenannt) aufgestellt wird, die unter der Leitung von Captain Georges Thenault gegen die schier übermächtigen deutschen Bomber und Jagdflugzeuge antreten soll.
Es sind Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten, die sich melden. Sie wollen kämpfen, sich bewähren oder müssen vor dem Gesetz fliehen. An der Front werden binnen kurzer Zeit alle sozialen Unterschiede verwischt: Die Männer müssen in der Luft zusammenarbeiten, oder sie sterben. Staffelführer Reed Cassidy, der mit seinen 28 Jahren schon als Veteran gilt, macht den 'Neuen' drastisch klar, dass sich ihre Lebenserwartung nur nach Wochen bemisst. Vor allem der "Schwarze Falke", ein deutsches Flieger-As, lauert ihnen über der Front auf und knallt sogar notgelandete Piloten ab.
Ein erster Einsatz endet als Desaster. Die Deutschen holen die Anfänger kaltblütig vom Himmel. Jegliche Illusion der "Ritter der Lüfte" verfliegt. In den nächsten Wochen und Monaten entwickelt sich die Gruppe, die den unnahbaren Cassidy fürchtet und sich um ihren Kameraden Blaine Rawlings schart, unter dem Druck der Umstände zu erfahrenen Luftkämpfern, wobei ihre Zahl ständig sinkt.
Der Tag der Entscheidung kommt, als ein schwer mit Bomben für Paris beladener Zeppelin attackiert werden soll. Die besten deutschen Jagdflieger und auch der "Schwarze Falke" schützen ihn. Der Himmel über Frankreich wird zum Schauplatz erbitterter "Dogfights" zwischen Gegnern, die sich nichts schenken. Dies wird die letzte Feuertaufe der "Lafayette Escadrille" - oder ihr Untergang ...
Der Kriegsfilm ist seit jeher ein Lieblingskind der Kritik. Krieg ist schlecht, das ist eine banale Wahrheit, die jedoch auf der Leinwand gar nicht oder nur sehr schwer darstellbar scheint: Immer wieder entwickelt er sich hier zum Abenteuer, in dem sich Männer an der Front und Frauen im Widerstand gegen eine eigentlich unüberwindliche Übermacht bewähren und "die Stellung halten". Zwischen diversen Kugelhageln, Bombenexplosionen und Zweikämpfen ist natürlich auch ein bisschen Zeit für Romantik. Seit ca. 1970 ist es erforderlich, die eine oder andere Szene einzubauen, die dem Zuschauer zeigt, dass Krieg - siehe oben - eine böse Sache ist.
Gelingt das, spricht man von einem "Anti-Kriegsfilm", von denen es freilich nur wenige gibt, weil dem Genre das Abenteuerliche schwer auszutreiben ist. Das gilt besonders für eine Handlung, die den Kampf über die Wolken verlegt: Dort schießen nicht Menschen, sondern Maschinen aufeinander. Der Krieg wird zum blutarmen Computerspiel. Das lässt sich in unserem Fall auch deshalb nicht vermeiden, weil "Flyboys" für Zuschauer ab 12 Jahren freigegeben wurde, um die Einnahmen zu steigern - eine Rechnung übrigens, die zumindest im Kino ganz und gar nicht aufging.
"Flyboys" ist ganz sicher kein Film gegen den Krieg, sondern ein Action-Spektakel mit dem erwähnten Feigenblatt. Immer dann, wenn das Geschehen auf dem Erdboden stattfindet - diese Passagen beginnt man bald zu fürchten -, werden Anti-Kriegs-Parolen durch zusammengebissene Kiefer gezischt. Die Alternative ist beinahe noch schlimmer: Unter dem dröhnenden Einsatz kitschdramatischer Musik fallen immer wieder Helden vom Himmel, die uns zuvor ans Herz gelegt wurden; damit man ihre letzten Regungen besser erkennen kann, nehmen sie dabei freundlicherweise ihre Pilotenbrillen ab.
Das Klischee ist König der "Flyboys". Was sie erleben, ist gänzlich aus anderen Filmen zusammengeklau(b)t. Wenige Sekunden reichen aus, den Verlauf einer Szene zu kennen. Der Griff zur Taste für den schnellen DVD-Vorlauf wird im Kampf gegen den Schlaf zur wichtigsten Waffe. Sie hilft auch gegen eine der Handlung aufgepfropfte Liebesgeschichte der besonders hölzernen Art, die zudem unverhältnismäßig ausgewalzt wird. Trauriger Höhepunkt ist ein zweisamer Flug der Verliebten Blaine und Lucienne, der keineswegs als parodistische Mischung aus "Zwei Banditen", "Titanic" und "Out of Africa" gemeint ist, obwohl sich dieser Eindruck aufzwingt.
Weitere beliebte Genre-Szenen, die ihre Berücksichtigung finden: tölpelhaftes Treiben unerfahrener Rekruten - Reibereien zwischen 'Neuen' und 'Alten', bis sich nach bestandenem Erstkampf die Kameradschaft ihren Weg bahnt - Besuch des Bordells "Zu den fröhlichen Huren, die gar nicht wie Huren aussehen" - gegenseitiges Herzausschütten der Junghelden in der Nacht vor der Schlacht - mutiger Ungehorsam im Dienst, der mit Zusammenstauchen durch den Vorgesetzten und anschließender Ordensverleihung endet - scheinbarer Triumph des bösewichtigen "Schwarzen Falken" - Übergabe des Staffelstabes an den jungen Helden - grandioser Sieg, als alles eigentlich verloren ist.
Die Liste kann verlängert werden, doch schenken wir uns das. Nicht nur die lahme Story ist eine echte Spaßbremse. "Flyboys" ist überhaupt ein Film ohne Herz. Das Baukastenprinzip der Handlung ist jederzeit erkennbar. Tony Bill ist ein kompetenter Regisseur (und Darsteller), der bisher meist für das Fernsehen gearbeitet hat. Für ein Filmepos fehlen ihm Ideen und ein Gefühl dafür, dass man sein Publikum nicht wissen lassen darf, dass die Handlung ausschließlich zwischen dem linken und rechten Bildrand stattfindet.
Glaubwürdigkeit ist bis auf eine - allerdings gewichtige - Ausnahme ohnehin (s. u.) selten gegeben. Damit sind nicht die historischen Unstimmigkeiten gemeint. Die Deutschen fliegen hier Fokker-Dreidecker, die tatsächlich erst in der zweiten Jahreshälfte 1917 und dann in eher geringer Zahl zum Einsatz kamen. Das kann man als 'filmische Logik' verschmerzen: So lassen sich Freund und Feind für den Zuschauer besser unterscheiden, wenn sie in ihren Flugzeugen wie wütende Wespen kreuz und quer durchs Bild flitzen.
Unerfreulich sind echte logische Ausfälle. Ständig verkündet Captain Thenault mit von Sorgen zerfurchter Stirn: "Die Deutschen rücken vor!" Wie schaffen sie das bloß, da doch die Front 1916 'stand' und keine Seite sie durchbrechen konnte? Generell entsteht im Verlauf der Ereignisse der Eindruck, die französische Niederlage sei allein durch die Flyboys verhindert worden, bis die US-Amerikaner 1917 doch endlich mobil machten. Auf die Probe gestellt wird des Zuschauers Langmut auch durch den schwachsinnigen 'Angriff' des deutschen Zeppelins auf Paris. Da ist offensichtlich nur dieses eine Luftschiff unterwegs, wird durch kaum ein Dutzend Jagdflugzeuge geschützt und fliegt freundlicherweise so tief, dass der Gegner die mit hochexplosivem Wasserstoff gefüllte Hülle eifrig durchlöchern kann. Paris trifft man mit Bomben auch aus 6000 oder 7000 Metern Höhe - so hoch und damit außer Reichweite der frühen Jagdflieger (oder nachts!) konnten deutsche Kriegszeppeline fliegen, und das taten sie tunlichst auch. Die Szene wirkt immerhin eindrucksvoll, was sich vom spektakulären Finalkampf zwischen Cowboy Rawlings und dem "Schwarzen Falken" nicht behaupten lässt, der mit gezielten Coltschüssen in 3000 Metern Höhe ausklingt ...
Warum sich diese verstolperte Geschichte (die drei Drehbuchautoren nicht zu bändigen wussten) überhaupt anschauen? Weil "Flyboys" in Sachen Tricktechnik neue Maßstäbe setzt. Wenigstens einmal spricht Produzent Dean Devlin im "Making-of" ein wahres Wort, als er die Herausforderung beschreibt, nicht das Unnatürliche im Trick natürlich wirken zu lassen, sondern das Natürliche. Was zunächst seltsam klingt, erweist sich nach kurzem Nachdenken als völlig zutreffend: Das menschliche Auge ist ein biologisches Wunderwerk, und es ist an ein Gehirn gekoppelt, das bemerkenswert genau zwischen "Original" und "Fälschung" unterscheiden kann. Selbst wer nie einen Doppeldecker des frühen 20. Jahrhunderts fliegen sah, erkennt sofort, wenn dieser im Film 'falsch' fliegt.
Für "Flyboys" war es daher nicht damit getan, CGI-Flugzeuge durch einen digitalen Himmel sausen zu lassen. Kampfflugzeuge des I. Weltkriegs waren unerhört fragile und empfindliche Maschinen, die in der Luft geradezu 'tanzten' und im Gefecht kaum jemals geradlinig geflogen wurden. Solche Manöver würden nur dem Wahnsinn verfallene Stunt-Piloten nachvollziehen, und Modelle wären als solche erkennbar. So drehen letztlich doch CGI-Maschinen ihre Runden. Eine Weiterentwicklung der entsprechenden Software gestattete die wirklichkeitsgetreue Nachbildung zeitgenössischen Fliegens und Kämpfens. Dadurch wurden Szenen möglich, die man so nie gesehen hat, die schlicht atemberaubend und trotzdem als Tricks kaum oder gar nicht mehr zu identifizieren sind; meist 'verrät' nur eine Kameraeinstellung, die realiter einfach unmöglich ist, die künstliche Herkunft der Bilder.
Es sei denn, das Trio der Drehbuchautoren hatte eine 'Idee', die der Regisseur des vordergründigen Effektes wegen verwirklichte, ohne zu merken, dass er den Bogen überspannte: Es sieht toll und absolut 'echt' aus, wenn sich zwei Flugzeuge auf dem Scheitelpunkt eines Doppel-Loopings einander nähern - bis sie dabei und mit den Köpfen nach unten hängend aus allen Rohren feuern ... und treffen. Bemerkenswert ist auch die Szene, in der Luftheld Cassidy mit seiner Maschine quasi eine Vollbremsung in der Luft vollführt, dabei einen deutschen Verfolger 'auffahren' lässt und ihm mit dem Leitwerk die oberen Flügel abreißt. Der Grat zwischen Staunen und Kopfschütteln ist mindestens so schmal wie der zwischen Lachen und Lächerlichkeit ...
Zur Reißbrett-Geschichte gehören holzschnitthafte Figuren. Hier haben wir u. a.: den jungen, ungestümen aber mutigen und hübsch anzuschauenden Mann, der nur ein wenig geschliffen werden muss, bis er zum Anführer mutiert - den Feigling, der seine Angst überwindet und doppelt so mutig kämpft wie seine Kameraden - den Schwarzen, der trotz plakativ in Szene gesetzter Diskriminierung dreimal so mutig und auch noch edel ist - den Witzbold, der sich im Eifer des Gefechts zum Helden mausert, bis er viermal so tapfer kämpft wie seine Freunde - den ausgebrannten und zynischen Staffelführer, unter dessen rauer Schale ein goldenes Herz schlägt - den 'guten Deutschen' à la Manfred von Richthofen, der den unterlegenen Gegner auch mal auskommen lässt - den 'bösen Hunnen' (mit Schmiss im Gesicht), der voller sadistischer Freude umlegt, was ihm vor das MG kommt - die französische Jungfrau, die anmutig zwischen Ruinen haust, diverse Waisenkinder aufzieht und trotzdem zum Anbeißen aussieht.
Die Darsteller spielen ausnahmslos so eindimensional, wie ihre Rollen geschrieben wurden. Das ist für James Franco fatal, weil er die Hauptperson darstellt und den Wandel vom Hallodri zum 'Mann' deutlich machen müsste. Tut er nicht oder kann er nicht - das bleibt unklar; Franco hat Glück, dass die übrigen Schauspieler ebenso lustlos wirken und austauschbar bleiben wie er.
Über dem Jungvolk brummt gütig der einzige echte Franzose in einer Hauptrolle: Jean Reno kann offenbar gar nicht miserabel filmen, sondern verdingt sich zu oft in miserablen Filmen. Hier gibt er den 'typischen Gallier', wie ihn sich der durchschnittliche US-Bürger vorstellen mag: wahrscheinlich mutig, aber vor allem verständnisvoll, gemütvoll und auch im Krieg einem guten Glas Wein nicht abgeneigt. Solche Rollen reißt Reno im Schlaf herunter und spielt die anderen Darsteller dennoch an die Wand.
Genug gekrittelt & geärgert, kommen wir zum Resümee: "Flyboys" ist großes Kino von kleinen Geistern, die Aufwand mit Unterhaltungswert gleichsetzen. Dieser Schluss wird hier nicht ohne Grund gezogen: Es ist das Credo von Produzent Dean Devlin, der primär durch seine Zusammenarbeit mit dem deutschstämmigen Hollywood-Starregisseur Roland Emmerich bekannt wurde. Filme wie "Independence Day" oder "Godzilla" sind exakte Blaupausen für "Flyboys": auf den Effekt getrimmtes, sich dabei schamlos jedes möglichen Klischees bedienendes, pompöses aber lebloses Popkorn-Kino. Für einen DVD-Abend mag das ausreichen. Im Kino sind die "Flyboys" jedenfalls gnadenlos abgestürzt.
Daten
Originaltitel: Flyboys (USA/F 2006)
Regie: Tony Bill
Drehbuch: Phil Sears, Blake T. Evans, David S. Ward
Kamera: Henry Braham
Schnitt: Chris Blunden, Ron Rosen
Musik: Trevor Rabin
Darsteller: James Franco (Blaine Rawlings), Scott Hazell (Cinema Usher), Tyler Labine (Briggs Lowry), David Ellison (Eddie Beagle), Keith McErlean (Vernon Toddman), Martin Henderson (Reed Cassidy), Lex Shrapnel (Grant), Christien Anholt (Higgins), Pip Pickering (Nunn), Barry McGee (Dewitt), Michael Jibson (Lyle Porter), Jean Reno (Captain Georges Thenault), Jennifer Decker (Lucienne D'Arcy), Gunnar Winbergh ("Schwarzer Falke"), Ian Rose (Wolfert), Mac McDonald (Sheriff Detweiller), Philip Winchester (William Jensen), Todd Boyce (Mr. Jensen), Karen Ford (Mrs. Jensen), Ruth Bradley (Laura), Abdul Salis (Eugene Skinner), Tim Pigott-Smith (Mr. Lowry), Gail Downey (Mrs. Lowry) Augustin Legrand (L.T. Giroux), Christopher Snell (Bartender), Kate Robbins (Clarise) u. v. a.
Anbieter: 20th Century Fox Home Entertainment
EAN: 4010232041609 (Leih-DVD) bzw. 4010232041593 (Kauf-DVD)
Erscheinungsdatum: 03.12.2007 (Verleih-DVD) bzw. 14.01.2008 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch, Italienisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 133 min
FSK: 12
DVD-Features
Wie man es bei einer Großproduktion wie "Flyboys" erwarten kann, bietet bereits die Leih-DVD Extras, die über die übliche Filmwerbung hinausgehen. Interessant wegen der Hintergrund-Infos (und unfreiwillig komisch aufgrund der Selbsteinschätzung dessen, was sie da gedreht haben) ist der Audiokommentar von Regisseur Tony Bill und Produzent Dean Devlin. Aufgespielt wurden auch sechs entfallene Szenen von insgesamt ca. 16 min. Länge, die man in der endgültigen Fassung keineswegs vermisst; tatsächlich ist "Flyboys" ein Film, für den man sich die Schere des Cutters ein wenig schärfer gewünscht hätte ...
Sehr informativ ist das zehnminütige Feature "In der Luft: Making-of der Schlachtszenen", das darüber Aufschluss gibt, was tricktechnisch heutzutage möglich ist und auf welche Weise Szenen realisiert wurden, von denen man nicht einmal angenommen hatte, dass sie 'künstlich' sind. Respekt, denn Bild- und Tonqualität dieser DVD sind vom Feinsten, sodass Schlampereien leicht entlarvt werden könnten.
Eher ulkig ist schließlich die viereinhalbminütige Featurette "Die Flyboys fliegen mit den Airforce Thunderbirds und den Navy Blue Angels". Die beiden Elitetruppen verschafften einigen Mitgliedern der Filmcrew die Gelegenheit, als Passagiere an Kunstflügen mit hochmodernen Düsenjägern teilzunehmen; dieses Angebot ist vermutlich als militärische Werbemaßnahme zu werten.
Noch mehr Hintergrundmaterial liefert folgende Website: http://flyboys-derfilm.de.
- Redakteur:
- Michael Drewniok