Gandhi
- Regie:
- Attenborough, Richard
- Jahr:
- 1982
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
16.01.2010 | 23:22Albert Einstein sagte einmal über Mahatma Gandhi das „nachkommende Generationen nicht glauben werden, das einer wie er [Gandhi] wahrhaftig auf Erden gewandelt ist“. Tatsächlich lässt sich das Leben und Werk des als Mohandas Karamchand Gandhi geborenen Bürgerrechtlers nur als beeindruckend bezeichnen, hat er doch nach etlichen Jahren des (gewaltlosen) Kampfes Indien in die Unabhängigkeit geführt und den langsamen Zerfall des britischen Empires als letzte große Kolonialmacht bewirkt. Auch die Verfilmung dieses eindrucksvollen Lebens lässt sich nur mit Extrembegriffen in Worte fassen. Alleine die Vorbereitung für das von Richard Attenborough („Chaplin“, „Grey Owl“) gedrehte Biopic „Gandhi“ hat beinahe zwanzig Jahre in Anspruch genommen, ganz zu schweigen von dem riesigen Aufwand, der während der Dreharbeiten stattfand. So waren alleine an der nachgestellten Begräbnisszene des indischen Freiheitskämpfers, die der britische Regisseur in den Straßen von Neu Delhi inszenierte, über 300.000 Menschen beteiligt, welche von elf verschiedenen Kamerateams eingefangen wurden.
„Whenever I despair, I remember that the way of truth and love has always won. There may be tyrants and murderers, and for a time, they may seem invincible, but in the end, they always fail. Think of it: always.“
- Mahatma Gandhi -
Nach seinem abgeschlossenen Jura-Studium in England, zieht es den jungen Rechtsanwalt Mohandas Karamchand Gandhi (Ben Kingsley) nach Südafrika, wo er für eine indische Firma Rechtsstreitigkeiten lösen soll. Kaum dort angekommen, wird der Inder auch schon mit der Apartheid konfrontiert. Im Zug darf er nicht im erste Klasse Abteil sitzen, es wird nicht gerne gesehen das der kleine braune Mann die gleiche Straßenseite wie die Weißen benutzt und auch als Anwalt nimmt ihn kaum jemand ernst. Diese Erfahrung des real existierenden Rassismus am eigenen Leib, ist der Beginn für Gandhi´s Streben und seiner Konzeption des gewaltlosen Widerstandes. Jahrelang kämpft er in Südafrika für die Gleichberechtigung seiner Landesmänner, bis er 1914 nach Indien zurückkehrt. Dort beginnt er sein eigentliches Lebenswerk, der Kampf für Indiens Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherrschern. Schnell schafft es der nun als Mahatma (große Seele) bekannte Gandhi die Massen zu mobilisieren und erste Teilerfolge vorzuweisen. Doch der Weg in die Unabhängigkeit ist noch lange...
Was lange währt, das ist am Ende auch gut. Bedenkt man wie viel Zeit und Mühe Richard Attenborough in sein Herzensprojekt investiert hat und wie viele Schwierigkeiten und Tücken er auf den Weg zu der Vollendung seines meisterhaften Biopics über Gandhi in Kauf nehmen musste, dann kann man dem alten Sprichwort nur beipflichten. Denn „Gandhi“ ist dem Schaffen seines Protagonisten in jeder seiner 188 Filmminuten absolut gerecht geworden und zeichnet auf unglaublich spannende und menschliche Weise das Leben des indischen Freiheitskämpfers nach. Dabei beginnt der Film ausgerechnet mit der letzten Station des Mahatmas, der phänomenal nachgestellten Begräbnisszene in Neu Delhi, das sofort die Wirkung die Gandhi vor allem auf seine Landsleute hatte zementiert.
Anschließend springt der Film mehrere Jahrzehnte in der Zeit zurück und begleitet den noch jungen Juristen Gandhi durch Südafrika, wo er seine ersten Erfahrungen mit der Unterdrückung seines eigenen Volkes machte und die ersten Bausteine seines modernisierten Konzeptes des zivilen Ungehorsams ins Leben rufte. Dieses richtig anwenden konnte Gandhi aber erst in seiner Heimat Indien, in welcher logischerweise der Hauptteil des Filmes spielt. Erstaunlich ist vor allem, wie gut es Attenborough gelungen ist in seinem überlangen Werk nicht auch nur den leisesten Anflug von Langeweile aufkommen zu lassen, sondern das genaue Gegenteil zu bewirken. Auch zeichnet der Regisseur nicht nur einfach das Leben seinr Hauptfigur nach, sondern lässt auch einen sehr detaillierten Blick auf die Politik und allgemeine Situation in Indien zu, womit es dem Zuschauer sehr einfach fällt sich den Protagonisten verbunden zu fühlen.
Das man als Zuschauer Gandhi so nahe kommt, ist nicht zuletzt dem großartigen Hauptdarsteller zu verdanken. Ben Kingsley, der bis Dato nur durch kleinere Produktionen bekannt und gar eigentlich nur dritte Wahl war (ursprünglich waren sowohl Alec Guinness als auch Anthony Hopkins für die Hauptrolle vorgesehen) liefert hier ohne Frage die Performance seines Lebens ab. Dabei kam ihn nicht nur zu gute das er dem echten Gandhi von Natur aus schon recht ähnlich sieht (der Rest wurde mithilfe der Maske bewerkstelligt), sondern auch sein Talent als Charakterdarsteller, der jede einzelne Szene auf den Höhepunkt treiben kann. Und so sieht sein Spiel des sanftmütigen, ruhigen, manchmal gar zerbrechlich wirkenden und nachdenklichen Gandhi schließlich auch aus: jede Szene wird von seiner ungeheuren Ausstrahlung und der lebendigen Präsenz dominiert, Gestik und Mimik wurden von Kingsley erstaunlich getreu adaptiert und selbst der antrainierte Akzent wirkt in keiner Sekunde auch nur unnatürlich oder zwanghaft.
Es mag zwar etwas abgedroschen klingen, wenn ich sage, das man als Zuschauer das Gefühl bekommt, den leibhaftigen Gandhi zu sehen, doch genau so ist es. So gut Kingsleys Spiels auch ist, er lässt seinen Kollegen immer genug Platz und versucht nicht zwanghaft sie an die Wand zu spielen, was dem Film sehr zu gute kommt, da er so nicht nur von einem Darsteller alleine bestimmt wird (auch wenn Kingsley zweifelsohne den Film auf seinen Schultern trägt). So darf der geneigte Zuschauer des weiteren noch Akteuren der Klasse eines John Gielgud („Elizabeth“, „Der Elefantenmensch“), John Mills („In 80 Tagen um die Welt“, „Bean – Der ultimative Katastrophenfilm“), Martin Sheen („Apocalypse Now“, „Wall Street“) und Candice Bergen („Sweet Home Alabama“, „Das Wiegenlied vom Totschlag“) bei ihrem exzellenten Darstellungen bestaunen.
„An eye for an eye only ends up making the whole world blind.“
- Mahatma Gandhi -
Attenborough hat mit „Gandhi“ eigentlich das unmögliche geschafft. Es ist ihm nämlich gelungen nicht nur die wichtigsten Stationen im Leben seines Protagonisten abzuhandeln, dem Zuschauer die Ideen und Motive Gandhis, und somit auch seine Botschaft, näher zu bringen und den historischen Kontext beinahe Lupenrein wiederzugeben, sondern auch diese ganze Flut an Szenen, Informationen und Eindrücken absolut stimmig und spannend ins Spielfilmformat zu bringen, etwas, das nur wenigen filmischen Biografien so gut gelingt, wie im vorliegenden Fall. Auch muss man Attenborough zu gute heißen, das er sich wirklich mit der damaligen Zeit, den Zuständen aber auch den einzelnen Protagonisten, auch Gandhi, kritisch auseinandergesetzt hat, dabei weder beschönt, noch reißerisch übertreibt. Somit hat „Gandhi“ nicht nur als Unterhaltungsfilm seine Daseinsberechtigung, sondern auch als sehr genaue Geschichtsstunde über den Protagonisten und der Zeit in der er lebte.
Auch Inszenatorisch zeigen Attenborough und sein Stab keinerlei Schwächen, im Gegenteil. Sei es die Koordination jeder einzelnen Szene, egal ob minimalistische Sequenzen in Gandhis Ashram oder gewaltige Massenszenen mit mehreren tausend Personen, die wunderbar fotografierten Landschaftsaufnahmen von Südafrika und Indien, den charmanten Witz, den der Brite immer wieder einfließen lässt, oder auch der hervorragende Score, der förmlich auf jede einzelne Einstellung abgestimmt wirkt ohne dabei aber einen zwanghaften Touch zu versprühen: „Gandhi“ ist zu jeder Minute absolut stimmig und mitreißend gemacht ohne, und das ist bei dieser Lauflänge schon erstaunlich, auch nur die geringsten Anzeichen von Längen zu verzeichnen.
Original Filmtitel:
Gandhi (1982)
Länge des Filmes:
Ca. 188 Minuten
Darsteller:
Ben Kingsley...Mohandas K. Gandhi
Candice Bergen...Margaret Bourke-White
Edward Fox...Gen. Reginald Dyer
John Gielgud...Lord Irwin
Trevor Howard...Judge Broomfield
John Mills...Lord Chelmsford
Martin Sheen...Vince Walker
Ian Charleson...Rev. Charlie Andrews
Athol Fugard...Gen. Jan Christiaan Smuts
...
Regisseur:
Richard Attenborough
FSK:
Ab 12 Jahren
Fazit
„Gandhi“ ist ein ein außergewöhnliches Stück Filmgeschichte über einen noch außergewöhnlichen Menschen. Richard Attenborough hat in diesem epischen Biopic wahrlich alles richtig gemacht, von den exzellent miteinander harmonierenden Cast, der spannenden Inszenierung, der Auswahl der wichtigsten Eckpunkte im Leben von Mahatma Gandhi bis hin zu der Botschaft der „großen Seele“. „Gandhi“ ist einer der wenigen Filme, die man wirklich gesehen haben sollte, egal ob man Cineast, geschichtlich Interessierter oder Neuling in Sachen Gandhi ist. Prädikat: besonders wertvoll.
10/10
- Redakteur:
- Adrian Trachte