Geheimprotokoll, Das
- Regie:
- Ken Loach
- Jahr:
- 1990
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Hidden Agenda
1 Review(s)
28.10.2004 | 17:22Zugegebenermaßen ist die irische Geschichte für viele, wie auch für mich, ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt. Irgendwo hat man mal gehört, dass dort Bürgerkrieg herrscht, und dass eine Untergrundorganisation namens IRA damit zu tun hat. Aber damit endet das geschichtliche Wissen auch schon. Um die Tragweite des Films "Das Geheimprotokoll" annähernd zu begreifen, bedarf es allerdings einer kleinen Geschichtsstunde. Fakt ist, dass Irland sich schon immer als Kolonie Englands gesehen hat. Dementsprechend bestand immer der Wunsch nach Autonomie. Besonders umkämpft ist diese in Nordirland, das noch immer zu Großbritannien gehört. Dieser Kampf um Unabhängigkeit hat seine Ursprünge schon im Mittelalter, erlebte sein Hoch allerdings erst mit Gründung der IRA und dem damit verbundenen Untergrundkrieg gegen die Briten. Lange Zeit stand die IRA in Ihren Zielen für eine gewaltsame Befreiung Irlands von den britischen "Besatzern". Umgesetzt wurde das in grenzenlosem Terror und Gewalt. Und in jene Zeit fällt auch der Plot dieses Films. Er zeigt ein Szenario lange vor Bill Blair und dessen Annäherungsversuchen zur IRA. Annäherungen und Friedensgespräche, die in ein nie enden wollendes Tauziehen um Regionalparlament und Entwaffnung der IRA führten... bis heute andauernd.
Zur Zeit der Handlung ist allerdings noch nichts von diesen Tendenzen zu spüren.
Als der einflussreiche amerikanische Staatsanwalt Paul Sullivan ermordet wird, entsteht eine Situation die nicht, wie viele andere Vorfälle dieser Zeit, geheim gehalten werden kann. Der Spezialermittler Kerrigan, sowie die hartnäckige Witwe des Verstorbenen, versuchen in einem Sumpf aus Gewalt, Denunziation und Intrigen die Wahrheit über den Tod von Sullivan herauszufinden. Aufschluss darüber scheint ein Band zu geben, das Paul kurz vor seinem Tod zugespielt wurde. Doch jeder Schritt, den die beiden machen, um den Verbleib jenen Bandes zu klären, verstrickt sie tiefer in die Machenschaften einflussreicher Kreise. Bald schon ist der Mord an Sullivan Nebensache. Die Wahrheit liegt in der Politik. Und diese entpuppt sich als gefährlicher unbezwingbarer Gegner.
Zweifellos liegt es Regisseur Ken Loach daran, die Missstände in Nordirland zu publizieren, und zu dokumentieren, dass sehr wohl auch von der britischen Militärpräsenz Willkür und Terror verbreitet wird. Was ihm gelingt ist ein kontroverser Film, der mit erbarmungslosem Realismus aufwartet. In erschütternden Bildern und trostlos kaltem Ambiente entblößt er beide Seiten, sowohl die Britische als auch die Irische, in ihrem politischen Kampf als terroristisch. Mehr noch, wird für den Zuschauer auf erschreckende Art und Weise deutlich, dass jede Partei, sei sie noch so unablässig und brutal in der Durchsetzung ihrer Ziele, nur eine weitere Marionette im politischen Intrigenspiel zwischen England und Nordirland ist. Grandios ist neben dem authentischen historischen Hintergrund auch die Entwicklung und die Vielschichtigkeit des Hauptcharakters. Vom unbequemen Kommissar wird Kerrigan im Laufe seiner Ermittlungen immer mehr zum Spielball der Politik, bis er sich letztlich entscheiden muss, ob er sich für die Wahrheit opfern will oder nicht. Erfrischend ist daran vor allem, dass man bei Regisseur Loach nicht die Befürchtung haben muss, dass die Plausibilität an einer heran geschleiften Heldenkreation scheitert. Seine Filme bleiben sich treu, und viel Wahrheit steckt in dem Satz, den der vom Zuschauer zwangsläufig verteufelte Polizeichef Kerrigan zum Abschied mit auf dem Weg gibt: "Wir sind aus dem selben Holz geschnitzt. Ich bin wie ich sein muss, aber sie sind nicht besser. Genau wie ich befolgen sie Regel Nummer eins: Hauptsache mir geht es gut."
"Das Geheimprotokoll" ist ein waschechter Polit-Thriller, der aber nicht nur stumpf die Bürgerkriegswelt zeigt, sondern in ihr eine passende und spannende Handlung ablaufen lässt, ohne dabei den Fokus zu stark auf die Story zu lenken. Eigentlich hätte der Film die Macht gehabt, "Dinge zu ändern", aber wäre Loach damit zu weit gegangen, hätte der Film womöglich als "zu subjektiv" abgestempelt seine Aussagekraft verloren. Leider sollte man sich schon mal eingängig mit der Geschichte von Irland, speziell im Zusammenhang mit der IRA und dem Terror von beiden Seiten, auseinandergesetzt haben, sonst bleiben viele Zusammenhänge zu weit im Dunkeln. Die Geschichte, die erzählt wird, setzt bereits viel Hintergrundwissen voraus, so dass man besonders gegen Ende leicht den Überblick verliert.
Von der Besetzung her wartet man mit einigen hochdotierten Stars auf, die, und das ist das wichtigste daran, wie geschaffen scheinen für ihre Rollen. Allen voran Brad Dourif, dessen Rolle leider viel zu schnell zwangsläufig endet. Weiterhin stellt auch Frances McDormand unter Beweis, dass ihre Abgebrühtheit nicht erst seit "Fargo" ein Markenzeichen ist. Nicht zuletzt zeigt Brian Cox, wie viel Wandlungsfähigkeit in ihm steckt, als er sich perfekt in die Rolle des zunächst nüchtern ermittelnden, später wütenden und letztlich resignierenden Polizeibeamten hineinversetzt. Speziell für ihn muss dieser Film eine besondere Bedeutung haben, schließlich ist Cox Halb-Ire.
Wer diesen Film sieht, und sich in einem Deja Vu glaubt, dem sei gesagt: dieses Gefühl kommt nicht von ungefähr. Ken Loach schuf ebenfalls die erfolgreiche Verfilmung des Bestsellers "Vaterland". Und nicht nur die politische Brisanz verbindet die beiden Filme. Sie sind vor allem eines: zeitlos.
Die DVD wirkt wie eine typische Verleih-Version. Gut zu erkennen an den Kurzbiographien der Hauptdarsteller und Trailern zu anderen Filmen. Letztlich bleibt also kaum etwas Nennenswertes als Extras übrig.
- Redakteur:
- Michael Langlotz