Godforsaken
- Regie:
- Pieter Kuijpers
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Niederlande
- Originaltitel:
- Van God Los
1 Review(s)
08.05.2005 | 08:35Maikel aus Venlo liebt das Geld und die Macht. Der skrupellose Dealer hält sich mit kleinen Gaunereien über Wasser, doch als er den ruhigen Stan kennen lernt, ändert sich alles. Bei einem Einbruch töten die beiden scheinbar mühelos einen Menschen und schrecken danach vor weiteren Auftragsmorden nicht zurück. In kürzester Zeit überziehen sie ihre Umgebung mit Mord und Totschlag.
Das sichert ihnen nicht nur den Respekt der örtlichen türkischen Unterweltbosse, sondern bringt ihnen plötzlich auch viel Geld ein. Nichts scheint ihren Aufstieg aufhalten zu können, bis sie ihr Treiben eines Tages das falsche Opfer fordert. - Mehrfach preisgekrönter Thriller über den schmalen Grat zu einer dunklen Welt. (Klappentext)
Der Film behauptet, die "wahre Geschichte der Venlo-Bande in den neunziger Jahren" zu erzählen.
Filminfos
O-Titel: Van God Los (NL 2003)
DVD: 05.04.2005
FSK: ab 18
Länge: ca. 83 Min.
Regisseur: Pieter Kuijpers
Produzenten: Anton Smit, Hanneke Niens (IdtV Films), Reinier Selen (Rinkel Film)
Koproduzent: BNN (NL-TV)
Drehbuch: Paul Jan Nelissen, Pieter Kuijpers
Musik: Het Paleis van Boem
Darsteller: Tygo Gernandt, Angela Schijf, Egbert Jan Weeber, Mads Wittermans u.a.
Handlung
Stan Meijer, der Sohn des Zahnarztes von Venlo, ist der Ich-Erzähler. Er hat keinen Bock auf die Schule und treibt sich herum. Seine Mutter hat nach dem Verschwinden von Stans leiblichem Vater wieder geheiratet und lebt jetzt in ihrem Traum: ein herrschaftliches Haus ganz in Weiß. Stan erinnert sich, dass er als kleiner Junge seinen richtigen Vater kennen gelernt hat, einen Trucker. Aber der Vater kam nie wieder, ließ ihn im Stich. Sein jetziger Vater kümmert sich überhaupt nicht um ihn, so als sei Stan nur ein lästiges Anhängsel seiner Frau.
Stan tut Maikel Verheijen einen kleinen - kriminellen - Gefallen und schon bald schließt er mit dem Gauner Freundschaft. Maik hat einen Junkie namens Sef zum Freund und eine Freundin namens Anna (Angela Schijf). Weil Maik sie nicht bei ihren Eltern besuchen darf, muss Stan so tun, als sei er ihr Freund: Er sieht anständig aus, doch Maik wie ein Wilder. Während sich Stan in sie verliebt, bumsen Maik und Anna auf der Rückbank. Stan ist positiv überrascht, als Anna auch ihn nicht verschmäht. Diese Dreieckskonstellation soll sich als verhängnisvoll erweisen.
Stan weiß seit der Festnahme von Maik und Sef, dass die beiden von der Polizei beobachtet werden. Doch sobald Maik wieder aus der U-Haft zurück ist, geht er mit ihm auf einen Coup: Sie wollen Sefs Tipp ausnutzen, der behauptet, dass ein kleiner Haschanbauer Geld gebunkert habe. Der Überfall läuft wegen eines winzigen Details schief, Stan verliert die Nerven, und Maik gibt dem Opfer den Rest. Unterdessen wartet draußen im Wagen die unschuldige Anna und schminkt sich. Als die beiden vom Mord zurückkehren, behaupten sie, es wäre ein "Unfall" gewesen. Und Stan glaubt das am Ende sogar.
Doch der Tod des ehemaligen Karnevalsprinzen wirbelt eine Menge Staub auf, und der Ärger kommt wie stets aus unerwarteter Richtung. Der Haschanbauer war der Hauptlieferant für den lokalen Drogenboss Osman Sükür, einen alten Türken, der mit Maik, als er in dessen Lokal gebeten wird, nur durch einen Mittelsmann redet. Als wäre Maik ein tief unter ihm stehender Untergebener. Maik darf seinen Fehler wieder gutmachen, indem er in die Dienste Osman tritt.
Nachdem auch Stan seinen ersten Menschen getötet hat, erhält er als Belohnung einen Verbindungsring mit Totenköpfen darauf: Er gehört jetzt fest zur Bande und arbeitet als Osmans Exekutor in dessen Drogenkrieg gegen die Jugoslawen. Unterdessen ist die schwangere Anna zum reichen Maikel gezogen, ohne ihren Eltern ein Wort davon zu sagen. Völlig allein gelassen, vertraut sich Anna einer Freundin an. Schon bald wird sie auf die Polizeiwache zitiert, wo man sie mit Stan, der sie abholt, sieht.
Weil sie dies beide gegenüber Maikel verschweigen, kann dieser sich nicht erklären, wieso Osman ihn plötzlich fallen lässt. Maik rastet aus und feuert blind vor Wut in Osmans Lokal. Ein völlig unschuldiges Opfer zieht Osmans Vergeltung nach sich. Aber damit fangen die Probleme für Stan, Maikel und Anna erst richtig an. An Fasching kommt es zum Showdown.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (16:9 anamorph)
Tonformate: DD 5.1 und 2.0, D auch in DTS
Sprachen: D, Flämisch (DVD-Angabe)
Untertitel: D
Extras:
- Fotogalerie
- Original-Trailer
- Trailershow: The Locals (NZ); Cabin Fever; Bully.
Mein Eindruck
Wenn man die Mitglieder der "Venlo-Bande" so ansieht, sind es nur zwei, die etwas schräg aussehen: Maikel und Sef. Anna und Stan sehen aus, als könnten sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Das ist ein Trugschluss. Stan exekutiert schon nach wenigen Wochen der Zugehörigkeit seinen ersten - völlig wehrlosen - Mann, und Anna tötet ihr ungeborenes Kind - weil es von Maikel, einem Mörder, ist.
Die Oberfläche sagt nichts über die Seele eines Mörders aus. Dieser Widerspruch wird nur in den beiden Faschingsszenen am Anfang und am Schluss aufgelöst: Nur in solchen ritualisierten Veranstaltungen zeigen die Menschen ihr wahres Gesicht, behauptet Stan, der Erzähler. Recht hat er. Als sich die Bande aus Venlo verdrücken will, verkleiden sich alle: Die Männer als Gorillas, Anna als rosa Häschen. Sieht grotesk aus, aber auf dieser Ebene offenbaren sie ihre wahre Natur. Und so jagen sie ihren nächsten Opfern echte Todesangst ein.
Der vom niederländischen Fernsehen mitfinanzierte Streifen versucht die Entstehung der Bande zu erklären, aber auch ihren allmählichen inneren Zerfall, der dann nochmals Opfer fordert. Die echte Liebe zwischen Maik und Anna verrät dieser durch Unwahrheit, die als Schutz gemeint ist. Doch als Anna die Wahrheit herausbekommt, ist die Wirkung umso schlimmer. Genauso bei Stan und Maik: Ihre Freundschaft baut nicht nur auf Komplizenschaft auf, sondern entspringt einem Bedürfnis nach Vertrauen und Zusammengehörigkeit. Als Maik durch die Einflüsterungen des eifersüchtigen Sef an diesem Vertrauen, das er in Stan gesetzt hat, zweifelt - will Stan Anna für sich? -, kommt es zur Katastrophe.
~ Die Inszenierung ~
Dies ist kein Hollywood-Thriller, sondern der Streifen hat den Anspruch, auch eine psychologische Milieustudie abzuliefern. Wie konnte eine derart brutale Bande mitten auf dem flachen Land entstehen? Hier existiert keine Kriminalität, wie man sie von der Großstadt kennt. Aber es gibt auch in Venlo, unweit der deutschen Grenze, die weit verbreiteten Coffeeshops, wo sich Drogen legal konsumieren lassen, sowie eine Schattenwirtschaft, die sich in heimlichem - geduldetem? - Haschischanbau zeigt. In Holland wachsen nicht nur Tulpen, sondern auch massenhaft Marihuana-Pflanzen.
Mich hat die psychologische Plausibilität der Beziehung im Dreieck Maik - Stan - Anna beeindruckt. Diese Dynamik ist es schlussendlich, die den Ausschlag beim Scheitern des Bandenanführers Maikel Verheije gibt. Die scheiternden Geschäftsbeziehungen zu den Türken sind ein direktes Resultat. Was mich allerdings störte, ist der Umstand, dass man nicht allzu viel von Sefs Treiben und Tun erfährt, der doch offenbar hinter den Kulissen einige Fäden zieht - und sicher nicht zu Stans Vorteil.
Die Kardinalfrage lautet, warum Stan überhaupt mitmacht. Die grobkörnigen Rückblenden - siehe unten - sollen dies erklären, so als läge Stan auf der Psychiater-Couch. Doch das Klischee funktioniert diesmal. Die abgewiesene Liebe zu seinem richtigen Vater Bert Mulder stößt Stan in eine seelische Isolation, die sich in dem fremden Zuhause des Zahnarztes noch verschäft. "Alles, was man liebt, wird einem genommen", lautet eine von Stans Erkenntnissen, und: "Allzu große Nähe ist von Übel." Genau da liegt der Hund begraben.
Die brutalsten Szenen sind die Exekutionen von Osmans Gegnern durch die Venlo-Bande. Hier tut der Regisseur etwas, das durchaus Empörung hervorrufen könnte: Kirchliche Chöre singen ein Requiem nach dem anderen. Anstatt also durch Heavy-Metal-Sound Brutalität zu suggerieren, sorgt der gegenteilige Sound für einen sarkastisch gemeinten Kontrapunkt, der die Exekutionen zynisch kommentiert: Hier zelebrieren die drei Exekutoren keineswegs eine - dem Anlass durchaus angemessene - Totenfeier für ihre Opfer, sondern die Kulmination ihrer Verbundenheit in einer Bande: die ultimative Perversion eines Gottesdienstes, die in ästhetischer Hinsicht durchaus konsequent erscheint.
Der Titelsong, der auch der Diaschau (s. u.) unterlegt ist, wird wie ein konventioneller Blues vorgetragen, doch in den Kadenzen gebrochen. Dies ist kein Blues aus Memphis oder dem Delta, sondern ein europäischer Blues-Bastard. Ein Abgesang auf die Träume der Jugend? Wir wissen es nicht. Da der Text in Flämisch oder Niederländisch gehalten ist (wie die DVD-Infos angeben), lässt sich der Inhalt nicht ohne Übersetzung verstehen. Diese jedoch fehlt leider. Und was dies alles mit Gottverlassenheit, wie sie der Titel andeutet, zu tun haben soll, entzieht sich meinem Verständnis ebenfalls.
Die DVD
"Bitte beachten! Die grobkörnige Verwaschenheit der Bilder ist vom Regisseur gewollt und bewusst so gedreht. Es handelt sich nicht um einen Produktionsfehler." (Zitat aus dem Einleger der DVD-Box)
Dieser Hinweis bezieht sich auf all jene Szenen, die als Rückblende fungieren. In ihnen sehen wir zum Beispiel Stan Meijer als kleinen Jungen, der seinen Vater kennen lernt. Als er von ihm im Stich gelassen wird, hilft ihm ein nettes älteres Ehepaar, wieder nach Hause zu kommen. Das Paar taucht am Schluss wieder auf, hat also durchaus eine Funktion in der Story.
Der Sound ist zumindest in DTS sehr gut, doch konnte ich keine Ausnutzung des Surround-Sounds feststellen. War die Handlung zu fesselnd? Ja, aber das war nicht der Grund. Meist wird 3D-Sound dergestalt ausgenutzt, dass einzelne Geräusche hervorgehoben werden, wenn sie von den seitlichen (hinteren) Lautsprechern kommen. Das war nicht der Fall.
Die Bildqualität war in Ordnung, doch hätte ich etwas mehr Tiefenschärfe erwartet. Die Extras halten sich stark in Grenzen. Der Trailer fällt unter die Rubrik "Werbung", und die Diaschau von zwei Minuten Länge unterscheidet sich davon nur unwesentlich: Es sind halt Standbilder statt bewegter Sequenzen.
Unterm Strich
"Godforsaken" ist ein Killer-Thriller der etwas ungewöhnlichen Sorte. Ohne auf die in Hollywood übliche Stilisierung ("Heat", "Scarface", "Taxi Driver" usw.) zu setzen, vollzieht die Handlung die Entstehung und den Zerfall der authentischen Venlo-Bande nach. In dieser fast schon dokumentierenden Haltung offenbart sich ein kritischer und mahnender Ansatz der Produzenten, zu denen nicht zuletzt das niederländische Fernsehen zählt. Der Ansatz ist löblich und führt dennoch zu einem spannenden Ergebnis. Und zum Glück ist der warnende Zeigefinger nicht allzu deutlich zu sehen. Aber er ist definitiv vorhanden.
Gewalt- und Sexgehalt haben offenbar zu einer FSK-18-Einstufung geführt. Das ist für deutsche Verhältnisse in Ordnung. Die Art und Weise, wie und warum hier geballert wird, sollte keinesfalls jemandem als Vorbild dienen. Es gibt ja schon genügend "Egoshooter", etwa in Erfurt und Littleton.
Die DVD geizt mit Bonusmaterial, aber nicht mit guter Sound- und Bildqualität.
- Redakteur:
- Michael Matzer