Godmother, The - Cocaine Cowboys 2
- Regie:
- Billy Corben
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Cocaine Cowboys 2 - Hustlin' with the Godmother
1 Review(s)
31.03.2009 | 12:163-Benzoyloxy-Tropan-2-Carbonsäure-Methylester
„Was hier kryptisch klingt ist den meisten wohl unter dem Namen Kokain besser bekannt. In Showbiz-Kreisen äußerst beliebt und besonders gerne mit Topmodels assoziiert machte das weiße Pulver auch auf der großen Leinwand Karriere: ganz gleich ob "Scarface", "Blow", oder die 80er Jahre Erfolgsserie "Miami Vice", Kokain spielte immer die Hauptrolle.“
So lauteten meine einleitenden Worte zu "Cocaine Cowboys" einer grandiosen Dokumentation aus dem Jahr 2005. Gleichermaßen kamen dort die „Großen“ der damaligen Zeit, wie auch ihre Antagonisten auf Behördenseite zu Wort. Im Mittelpunkt stand der Aufstieg und Fall von Jon Roberts, einem kleinkriminellen Dealer, der durch Kokainschmuggel von Kolumbien nach Miami zum Millionär wurde. Neben ihm kamen viele weitere Dealer, Schmuggler und Auftragskiller zu Wort. Gespickt mit Nachrichten-Ausschnitten aus dieser Zeit, schuf Regisseur Billy Corben eine atmosphärisch dichte, unterhaltsame und hoch-informative Doku, die völlig zu Recht zum Hit wurde.
Schon im ersten Teil wurde dabei die „Schwarze Witwe“ Griselda Blanco vorgestellt – eine kubanische Kokainhändlerin, die von der Prostituierten, zur milliardenschweren „Kokain-Patin“ wurde. Was in Teil 1 das letzte Filmviertel ausmachte, ist Hauptinhalt von "The Godmother - Cocaine Cowboys 2".
300 Tonnen Kokain, 250 Auftragsmorde, drei tote Ehemänner. Die Bilanz von Griselda Blanco, der wohl größten Kokain-Händlerin aller Zeiten, ist ebenso erschreckend, wie beeindruckend. Rücksichtslos, brutal, paranoid, größenwahnsinnig, aber vor allem geschäftstüchtig, war die Drogen-Patin. Bis zu ihrer Inhaftierung 1985 häufte sie ein Milliarden-Vermögen an, lebte in einer Villa und leistete sich jeden erdenklichen Luxus. Selbst im Gefängnis, das sie die nächsten zwanzig Jahre nicht verlassen sollte, waren Schmuck, Parfüm und Designer-Kleidung ein fester Bestandteil ihrer Person. 2004 wurde die „Schwarze Witwe“ entlassen und nach Kolumbien abgeschoben. 2007 entstand das letzte Foto von ihr am Bogota Airport.
In "The Godmother – Cocaine Cowboys 2" sind das alles aber bestenfalls Randnotizen. Die Eckdaten ihres Lebens wurden bereits im Vorgänger bestens beleuchtet. Für Teil 2 musste also was Neues her. Das findet man in Charles Cosby, einem O.G. (Original Gangsta). Cosby, der in den 80er Jahren in Oakland, Kalifornien zu Drogen-Reichtum kam, ist Dreh- und Angelpunkt, aber auch größter Schwachpunkt, der heiß erwarteten Doku. Das erste Filmfünftel (20 von 100 Minuten) widmet sich intensiv seinem Leben. Aus dem kleinen Jungen, mit dem Traum Anwalt zu werden, wurde im Teenie-Alter ein Crack-Dealer, der groß raus kommen sollte. Ein simpler Brief an die inhaftierte Griselda Blanco löste eine Kettenreaktion aus, die Cosby in wenigen Monaten an der Spitze ihres Imperiums sah.
Ausschweifend erzählt der O.G. von seiner Liebesbeziehung zur „Schwarzen Witwe“, erwähnt in Nebensätzen die nichtigen Details ihres Imperiums und umreißt ihre Hintergründe. Die „Patin“ ist in "The Godmother – Cocaine Cowboys 2" leider nur ein Vehikel, Mittel zum Zweck. Viel mehr bietet diese „Dokumentation“ die Bühne für einen Kriminellen und seine Hommies, einen auf dicke Hose zu machen.
Wo im Vorgänger Informationsdichte, Authentizität und Multi-Dimensionalität herrschte, verliert sich Teil 2 in Hip Hop Optik, Coolness und der nicht nachvollziehbaren, eindimensionalen Geschichte des Charles Cosby. Neben Cosby kommen noch ein paar seiner früheren „Hommies“ zu Wort – die Ermittler, allen voran der DEA Agent Bob Palumbo, der eine zentrale Rolle in "Cocaine Cowboys" inne hatte, verkommen im Nachfolger zu nicht viel mehr als einer Randnotiz.
Im MTV „Cribs“ Stil erzählt Cosby von seinem Leben und seiner tragisch-unheilvoll-romantischen Beziehung zur „Patin“ Griselda Blanco. Wirklich nachvollziehbar sind seine Ausführungen nicht (Gefängniswärter wurden mit 1500$ bestochen, damit das Paar im Gefängnis Sex haben kann - jaja...), zumal er die einzige Informationsquelle bleibt. Wo in Teil 1 ein dichtes Netz aus Erzählern einen tiefen Einblick in das Geschehen der Drogenepidemie in Miami gab, steht und fällt in Teil 2 alles mit einem einzigen Protagonisten, der zu allem Übel nichts herausragend interessantes zu sagen hat. Die dicken Jahre Griselda Blancos werden kaum angesprochen – Cosby traf sie schließlich erst, als sie ins Gefängnis kam. So wirkt "The Godmother – Cocaine Cowboys 2" wie eine billige Hip Hop Romanze, aus der Feder 50 Cents.
Untermalt wird das Ganze passender Weise von dicken Gangsta-Beats, mit viel Bling Bling und eigenwilligen Comicsequenzen, die mangelndes Bildmaterial wieder wett machen sollen. Wo im ersten Teil Archiv-Material genutzt wurde, muss man sich in Teil Zwo mit Zeichentrick begnügen.
Das beste Bild über die Doku gibt die letzte Einstellung: Cosby cruised durch seinen ehemaligen Hood und trifft allerlei illustre Gestalten, die wild mit ihren Kanonen fuchteln und bekräftigen, dass sie den Hood aufs Blut verteidigen. Brother for brother, oder so. Aus einer informativen, unterhaltsamen und ernstzunehmenden Dokumentation wurde ein 100-minütiger Ghetto-Hip-Hop-MTV-Promtion-Clip. Schade.
Die DVD
Das Bild in anamorphem 1.78:1 (16:9) ist für eine Dokumentation durchaus gelungen. Die Farben könnten satter, die Kontraste steiler sein, was angesichts des Genres aber nicht weiter stört. Das wenige, eingestreute Archiv-Material bietet natürlich eine wesentlich schlechtere Bildqualität.
Beim Ton gibt es auch wenig auszusetzen. Eine O-Ton Spur (mit zuschaltbaren, deutschen Untertiteln) ist ebenso in 5.1 enthalten, wie eine deutschsprachige Voice-Over-Fassung, die mit bekannten Sprechern zu überzeugen weiß. Je nach Vorliebe, sind beide Spuren empfehlenswert.
Die Extras sind leider recht mau. Auf dem Back-Cover der DVD wird nur ein Originaltrailer beworben. Tatsächlich befinden sich auf der Scheibe aber noch eine Trailershow, Deleted Scenes und ein 15-minütiges Behind the Scenes Special, in welchem die Macher zu Wort kommen. Leider drängt sich auch hier O.G. Cosby in den Mittelpunkt, weshalb man das Ganze als nicht besonders sehenswert abstempeln kann.
Fazit
So gut "Cocaine Cowboys" war, so schlecht ist "Cocaine Cowboys 2". Der Fokus auf einen Berichtenden, die Hip Hop Optik, nebst Inszenierung und die damit verbundene, unweigerliche Gewalt-Ästhetisierung sorgen für eine Dokumentation, welche die Welt nicht braucht. 100 Minuten lang werden schwülstige Liebesdetails einer unglaubwürdigen Quelle herunter gebetet. Neues zur titelgebenden „Patin“ erfährt man hier leider nicht. Wer Hip Hop mag, könnte Gefallen an diesem coolen Filmchen haben. Wer hingegen nach dem grandiosen Vorgänger eine weitere tolle Doku erwartet, sollte die Finger von "The Godmother – Cocaine Cowboys 2" lassen und Teil 1 ein weiteres Mal in den Player legen.
- Redakteur:
- Martin Przegendza