Goldene Kompass, Der
- Regie:
- Chris Weitz
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Fantasy
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Golden Compass. His Dark Materials 1
1 Review(s)
12.12.2007 | 08:45ERAGON mit Eisbären
Die zwölfjährige Lyra lebt in einer Parallelwelt zu unserer. Ihre Seele lebt in ihrem Daemon, und die Wahrheit kann sie an einem goldenen Kompass ablesen. Um verschwundene Kinder wie ihren Freund Roger wiederzufinden, muss sie mit ihren Freunden, den Gyptern (= gypsies), in den hohen Norden reisen. Dort hat sie viele gefährliche Abenteuer zu bestehen, wovon ihre Erlebnisse in einer Forschungsstation nicht die ungefährlichsten sind.
Der diesjährige Weihnachts-Fantasyfilm kommt aus dem Hause "New Line Cinema", das schon die "Herr der Ringe"-Trilogie auf die Beine gestellt hat. Entsprechend aufwändig geriet auch diese Verfilmung des Bestsellers von Philip Pullman: Schlappe 180 Mio. Dollar ließ man sich die Trickkiste kosten. Ob es sich wohl auch für den Zuschauer gelohnt hat?
~ HINWEIS ~
Alle Angaben beruhen auf der amerikanischen Originalfassung, dem deutschen Trailer und den Presseinformationen von Warner Bros./New Line Cinema.
Filminfos_
O-Titel: The Golden Compass. His Dark Materials 1 (USA 2007)
FSK: ab 12
Länge: ca. 113 min
Regisseur: Chris Weitz
Drehbuch: Chris Weitz
Musik: Alexandre Desplat
Die Rollen und ihre Darsteller:
Mrs. Marisa Coulter: Nicole Kidman
Lord Asriel: Daniel Craig
Lyra Belacqua: Dakota Blue Richards
Hexe Serafina Pekkala: Eva Green
Lee Scoresby, Aeronaut: Sam Elliott
Farder Coram, Seher der Gypter: Tom Courtenay
Magisteriumsbeamter: Derek Jacobi
Roger Penslow: Ben Walker
John Faa, Chef der West-Gypter: Jim Carter
Ma Costa: Clare Higgins
Rektor des Jordan College: Jack Shepherd
Iorek Byrnison, Panserbjörn: Stimme von Tilo Schmitz (im Original Ian "Gandalf" McKellen)
Ragnar Sturlusson, Panserbjörn-König: im Original: Ian McShane, "Wintersonnenwende"
GOB-Lord: Christopher Lee
u. a.
http://www.goldencompassmovie.com
Die Romantrilogie "His Dark Materials":
"Der Goldene Kompass"
"Das Magische Messer"
"Das Bernstein-Teleskop"
Handlung
Lyra Belacqua (Dakota Blue Richards) ist zwar erst zwölf Jahre alt, kennt aber schon den Unterschied zwischen Gut und Böse sowie zwischen aufgepropften Verhaltensregeln und ihrem eigenen Sinn für Recht und Wahrhaftigkeit. Das rebellische Waisenkind lebt am Oxforder Jordan College für experimentelle Theologie, und weil sie das Kind von Adeligen ist, wird sie von den diversen Dozenten hier unterrichtet. Ihr Onkel, Lord Asriel (Daniel Craig), hat sie hergebracht und schaut ab und zu nach ihr.
Wann immer sie kann, spielt sie mit den Kinder der Gypter in der Unterstadt, mit ihrem besten Freund Roger (Ben Walker) oder mit ihrem Daemon Pantalaimon. Dieser ist Teil ihrer Seele und kann sich in verschiedene Gestalten verwandeln. Alles, was Lyra fühlt, fühlt auch Pan, und umgekehrt. Wenn sie also ihre Gefühle verbergen will, muss sie Pan verstecken. Aber wer will das schon? Schließlich hat jeder Mensch so einen Daemon. Nur bei den Erwachsenen können sich die Daemonen nicht mehr verwandeln, sie habe ihre endgültige Gestalt gefunden. Ein Rätsel, über das Lyra noch nie nachgedacht hat. Aber das soll sich schon bald ändern.
Zunehmend hört Lyra von verschwundenen Kindern, so etwa von Ma Costas verschwundenem Sohn Billy. Ma Costa, die Gypterin, ist praktisch ihre Ziehmutter. Eines Tages verschwindet auch Roger, und das macht Lyra wirklich besorgt. Unter den Gyptern gehen Gerüchte von mysteriösen Gobblern um und dass die Entführten in ein Forschungslabor im hohen Norden verschleppt würden, wo man sie unaussprechlichen Experimenten aussetzt.
~ Staub ~
Als Onkel Asriel aus dieser Gegend zurückkehrt und vor einem Komitee des Jordan College einen erstaunlichen Vortrag über ein Phänomen namens "Staub" hält, bittet Lyra ihn, mitkommen zu dürfen, denn sie will ja Roger wiederfinden. Doch er lehnt kategorisch ab, weil es zu gefährlich sei. Da oben am Pol gäbe es wilde Tataren und räuberische Samojeden, von den Hexen aus Lappland ganz zu schweigen.
Aber Lyra bekommt eine zweite Chance geboten, als eine Wissenschaftlerin aus der Stadt das College besucht: Die attraktive Forscherin Mrs. Coulter (Kidman) zaubert Lyra aus ihrer bisherigen Umgebung fort und lockt sie mit Londoner Abenteuern. Mrs. Coulter hat einen goldenen Affen als Daemon, mit dem sich Pantalaimon gar nicht anfreunden mag. Warum nur?
~ Der Goldene Kompass ~
Kurz vor ihrer Abreise mit dem Luftschiff übergibt der besorgte Rektor des Jordan College Lyra ein ungewöhnliches Instrument: ein so genanntes Alethiometer. Was aussieht wie ein goldener Kompass, soll ihr verraten, wann jemand die Wahrheit sagt oder lügt, aber auch viele Dinge, die sie nicht sehen könne. Wie sie das Alethiometer liest, muss sie allerdings selbst herausfinden. Und ganz wichtig: Sie müsse es stets geheimhalten, zumindest vor Menschen, denen sie nicht völlig vertraut.
Als sich in London herausstellt, dass Mrs. Coulter keineswegs unabhängig agiert, sondern eine Dienerin der tyrannischen Magisterium-Kirche ist, versucht Lyra verzweifelt, das kostbare Alethiometer in Sicherheit zu bringen. Doch der goldene Affe hat es bereits gesehen und ihr beinahe abgeluchst. Sogar Pantalaimon wird von dem Affenvieh überwältigt und fast verletzt. Die schmerzerfüllte Lyra weiß nun, dass es nur einen Ausweg gibt, der Tyrannei Mrs. Coulers zu entgehen: die Flucht.
~ Die Gypter ~
In der großen Stadt und dann noch bei Nacht verirrt sich Lyra in die zwielichtige Hafengegend. Zwei Kinderfänger verfolgen sie, doch als sie schon in deren Netz zappelt, durchbohren plötzlich Pfeile die Häscher und jemand schneidet die Maschen des Netzes entzweit: Es sind Gypter aus der Familie Costa - ihre Freunde! Sie verstecken die gesuchte Lyra und ihren Daemon unter Deck, dann fahren sie zu einem Schiff auf hoher See, auf dem der Chef der westlichen Gypter Lyra freundlich empfängt. John Faa und sein Freund Farder Coram, der Seher, sind die ersten anderen Menschen, denen Lyra ihr Alethiometer zeigt. Erstmals erkennt sie, wie man es bedient.
~ Iorek ~
Die Reise geht nach Norden. In Trollsund am Polarkreis lernt Lyra den Aeronauten Lee Scoresby (Sam Elliott) kennen, der ihr einen Tipp gibt, wo sie einen Freund findet: den Panserbjörn Iorek Byrnison. Doch der Eisbär ist nur am Reparieren von Schlitten interessiert und will nichts mit Fremden wie Lyra und Forder Coram zu tun haben. Dabei lebt er nur von Fraß und Schnaps, den ihm ein Wirt als Bezahlung für seine Dienste gibt. Ist das ein würdiges Leben? Lyra überredet Iorek, indem sie ihm verrät, wo seine Rüstung versteckt ist. Dafür gelobt er ihr Treue, denn statt eines Daemons haben Panserbären ihre Seele in der Rüstung.
~ Bolvangar ~
Sobald er diese unter erheblichem Aufruhr wiedergeholt hat, können alle losziehen. Ihr erstes Ziel ist Bolvangar, dann Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird. Doch Bolvangar wird verteidigt, wie Lyra und die Gypter schon bald erfahren müssen. Ein nächtlicher Überfall lässt Lyra in die falschen Hände geraten. Wird sie ihren Freund jemals wiedersehen?
Mein Eindruck
Kino und Literatur - zwei Welten treffen aufeinander. Es war klar, dass von Pullmans Buch, das ich gelesen und gehört habe, in der Hollywood-Filmfassung nur bestimmte Elemente übrig bleiben würden. Wie ich inzwischen feststellen konnte, hat Chris Weitz, Regisseur von "About a Boy", die Handlung in seinem Drehbuch erheblich umgestellt. Figuren wurden ersetzt, Dialoge komplett gestrichen, Handlungsverläufe verkürzt, Szenen vorgezogen usw. Die letzten Kapitel mit dem Übertritt in unsere Welt sind schon gar nicht mehr enthalten.
Am signifikantesten für die inhaltliche Aussage des Films ist wohl die gegenüber dem Buch enorm aufgebauschte Rolle des Magisteriums. Es ist nun so etwas wie eine Weltreligion, komplett mit mächtigen Kathedralen, schwarz gewandeten Agenten und Machtverwaltern (Shakespeare-Schauspieler Derek Jacobi) sowie einem geheimen Komplott. In diesem Komplott taucht unversehens Christopher Lee auf! Er gehört zu vier Mitgliedern der Geheimen Oblations-Behörde, kurz GOB genannt, die sich als die "Gobbler", die Drahtzieher der Kindesentführungen, entpuppt: Es ist quasi die Inquisition. Drei Mitglieder sind Männer, das vierte ist Mrs. Marisa Coulter!
Als die neugierige Lyra dies eines Nachts (anders als im Buch) entdeckt, weiß sie, das es um ihr Leben geht. Was, wenn Mrs. Coulter auch sie entführen will? Unter der wunderschönen Fassade der reichen und kultivierten Madame verbirgt sich, so entdeckt Lyra mit Entsetzen, eine eiskalte Wissenschaftlerin, die in Bolvangar grausame Experimente an den entführten Kindern vornehmen lässt. Es geht um "Staub" ...
~ SPOILER ~
Im Buch besteht dieser ominöse "Staub" aus so etwas wie Elementarteilchen dunkler Materie. (Daher auch der Trilogie-Titel "His DARK materials", ein Zitat aus Miltons Gedicht "Paradise Lost" aus dem 17. Jahrhundert, welches Chris Weitz in Oxford und Cambridge eingehend studiert hat.) Dieser Staub ist auf einem Fotogramm, das Lord Asriel von seiner Expedition nach Spitzbergen - hier "Svalbard" genannt - mitgebracht hat, nur in Erwachsenen, aber nicht in Kindern zu finden.
Dies hat eine theologische Bedeutung, die dem Magisterium überhaupt nicht behagt: Der Staub wird als Stoff der Erbsünde interpretiert. (Erbsünde: Eva und Adam aßen vom Baum der Erkenntnis und erkannten, dass sie nackt waren und schämten sich und verstießen ganz allgemein gegen das Gebot Gottes etc.. wofür sie von einem Engel in den Hintern getreten wurden. Fortan sollten sie wie die Schlange, deren Verlockung sie erlagen, "Staub" fressen ...) Kinder sind unschuldig und wissen nichts von der Erbsünde, daher lässt der Staub sie in Ruhe. Erwachsene hingegen, da erfahren, sind der Erbsünde teilhaftig und werden deshalb vom Staub heimgesucht. Das Fotogramm, entwickelt mit einer besonderen Entwicklerflüssigkeit, beweist es.
Um herauszufinden, welche Bedeutung dabei den Daemonen zukommt, die sich bei den Erwachsenen nicht mehr verwandeln können, stellt die GOB im Auftrag oder zumindest mit stillschweigender Billigung des Magisteriums Experimente mit Kindern an. Dabei trennt sie sie mit Hilfe einer speziellen Apparatur von ihren Daemonen. Dass die so behandelten Kinder dabei ihre Seele verlieren, versteht sich von selbst. Sie laufen herum wie Zombies. Wenn sie überhaupt laufen können, denn viele sterben durch den schrecklichen Verlust.
Im Film bleibt davon nur wenig übrig. Das theologisch-physikalische Phänomen des "Staubs" wird nicht weiter erörtert oder erklärt, sondern es geht vielmehr um die Befreiung der Kinder aus den Händen der Frankenstein-Typen der GOB. Statt sich dort aufnehmen zu lassen, tritt Lyra nun als subversive Befreierin auf und hat auch für Mrs. Coulter eine schmerzhafte Überraschung parat.
Die Tatsache, dass Mrs. Coulter ihre Mutter ist und Lord Asriel ihr Vater, erfährt Lyra im Film erst sehr spät, sozusagen in der Stunde höchster Not. Im Buch hingegen teilt man ihr dies bereits schon ziemlich früh mit, in einem der ausgedehnten Dialoge, die man natürlich nicht in Filmsprache umsetzen konnte. Der Film ist im Vorteil, weil das Geheimnis um Lyras Herkunft die Spannung erhöht.
~ SPOILER ENDE ~
~ Die Panserbjörn ~
Auf einem der unzerstörbaren Panserbjörn zu reiten, muss für Lyra ungefähr das gleiche sein wie für den Jungen Eragon das Reiten auf Saphira, dem klugen, starken Drachenweibchen. Beide sind jeweils der beste Freund und Beschützer ihres Reiters. Die Szenen, in denen Iorek Byrnison raumgreifend die Schneelandschaft des Nordens durchmisst, sind sehr schön und appellieren an jedes Kind, das auch mal reiten könnte. Hier ist der Film als Fantasy für Kinder ganz in seinem Element. Angestrengt wirkt er, wenn es um das Magisterium und den ominösen Staub geht.
Aber Chris Weitz hat eine bedeutsame Umstellung im Plot vorgenommen, die zu Problemen in der Logik führt. Im Buch erfolgt der Zweikampf zwischen Iorek, dem Prinzen im Exil, und Ragnar Sturlusson, dem Thronräuber, erst NACH der Schlacht um die Forschungsstation Bolvangar, im Film jedoch DAVOR. Im Buch macht die Beseitigung Ragnars den Weg frei nach Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird. Im Film trifft dieser Grund nicht zu, denn nach dem Sieg von Bolvangar ist der Weg nach Svalbard frei. Dennoch will Iorek zuerst seinen Thron wiederhaben. Aber warum? Sein Griff nach dem Thron ist vorerst noch nicht nötig, dennoch hat er offenbar das Bedürfnis, ihm zugefügtes Unrecht zu bestrafen.
Filmisch gesehen macht die Umstellung durchaus einen Sinn. Erstens ist der Zweikampf eine fantastische Actionszene und bereitet den jungen Zuschauer auf das nächste Abenteuer vor. Zweitens wird ein Unrecht zurechtgerückt und Lyra kann obendrein zeigen, was für ein schlaues Kerlchen sie ist: Sie stellt sich König Ragnar als sein eigener Daemon vor! Genauso gut könnte sie es mit einem wütenden Drachen aufnehmen. Aber sie hat gehört, dass sich Ragnar nichts sehnlicher wünscht als einen eigenen Daemon. Natürlich verrät sie ihn. Als er tot in den Staub fällt, gibt es einen Tyrannen weniger. Auf zur Entscheidungsschlacht!
Die Entscheidungsschlacht bildet den Höhe- und Endpunkt des Films, ganz im Gegensatz zum Buch. Dramaturgisch ist dies völlig gerechtfertigt. Aber da die Geschichte weitergehen sollte, um Lord Asriel zu befreien, kommt der Schluss doch ein wenig unerwartet. Lee Scoresby bringt Lyra & Co. weiter, nach Svalbard wohl. Es ist ungefähr so, als würde ein Lonsesome Rider in den Sonnenuntergang reiten. Denn auch am Nordpol schneit es im Film niemals. (Eine weitere Ungereimtheit, aber wer würde schon von Fantasy Realismus verlangen?)
~ Die Darsteller ~
Nicole Kidman ist die strahlend schöne Schurkin in diesem Stück und die direkte Widersacherin von Lyra, die von Dakota Blue Richards völlig überzeugend und mit Verve gespielt wird. Diese Lyra ist eine Art Pippi Langstrumpft auf einem Eisbären, die sich aber dank übersinnlicher Fähigkeiten und dem Wahrheitsmesser zu einem klugen Mädchen und tapferen Kämpfer entwickelt. Dagegen verblasst der weibliche Star im Ensemble beträchtlich.
Von Daniel Craig, dem James-Bond-Darsteller (er dreht schon schon wieder für 007!), sieht man nur sehr wenig. Sein Lord Asriel ist eine Nebenfigur, begleitet von einem aus dem Rechner geschaffenen Schneeleoparden. Ich habe ihm zwar den Polarforscher abgenommen, aber weder den Vater von Lyra noch den Liebhaber von Mrs. Coulter. Immerhin hat er eine schöne Actionszene auf Spitzbergen (oder wo auch immer), die schon ein wenig an gewisse James-Bond-Prologe erinnert: Rutschpartien auf Gletschern sind wie geschaffen für raue Typen wie Asriel / Craig. Sein Gegenstück ist der freundliche Sam Elliott alias Lee Scoresby: ein verlässlicher Naturbursche, der einen Ballon ebenso zu steuern weiß wie ein Gewehr abzufeuern.
Von den Gyptern sieht man ebenfalls nur wenig. Sie sollen so etwas wie Zigeuner darstellen und über gewisse Weisheiten verfügen. Außerdem stehen sie außerhalb des Machtbereichs des Magisteriums, wie das Buch klarmacht. Obendrein verfügen sie über eine geheime und langjährige Verbindung zu den Hexenklans Lapplands. Farder Coram, Lyras Mentor, war vor Jahrzehnten der Gatte der immer noch jungen Oberhexe Serafina Pekkala (Eva Green). Klar, auf welcher Seite bald die Hexen kämpfen werden, wenn es in die Schlacht von Bolvangar geht.
~ Die Bären ~
Wichtige Helden wie Iorek und Ragnar sowie sämtliche Daemonen kommen aus dem Rechner. Wie stark sich die CGI-Technik inzwischen gegenüber dem "Herrn der Ringe" weiterentwickelt hat, lässt sich hier gut beobachten. Am Fell von Iorek ist jedes Härchen zu sehen, und an seiner rotgoldenen Rüstung (aus Meteoreisen) jede Verzierung und jede Kante. Höhepunkt beim CGI-Einsatz ist sicherlich der Zweikampf zwischen Iorek und Ragnar.
Die kleine Lyra, wahrscheinlich selbst per Motion Capture eingescannt, fällt hier gar nicht auf als einziger Mensch. Im Original wird Iorek von Ian McKellen gesprochen, aber das ist offenbar nicht wichtig gewesen. Die Regie lässt Iorek so oft wie möglich brüllen! Dafür ist Tilo Schmitz, die deutsche Stimme von basslastigen Schauspielern wie Samuel L. Jackson oder Ving Rhames, genau der Richtige.
Unterm Strich
Die gut anderthalb Stunden vergingen wie im Fluge. Nach einem langsamen und komplexen, aber lustigen Start nimmt die Handlung rasch Fahrt auf. Wunderbar sind die großen Panoramen aus dem Computer: London, die Magisteriumskathedrale, Oxfords "träumende Türme" sowie zahllose Polarlandschaften. Besonders schön sind die Nordlichter gelungen, die im Buch Aurora Borealis genannt werden: der Übergang zu unserer Welt.
Wer weder Buch noch Hörbuch kennt, der wird den Film trotzdem leicht verstehen. Man muss nur immer dem Blickwinkel Lyras folgen. Das ist der rote Faden, der einen immer genau richtig am Sinn der Story entlangführt. Sie lernt mit dem Alethiometer umzugehen, das weder in Buch noch Film jemals "Goldener Kompass" genannt wird. Diese Szenen sind SFX-mäßig sehr anschaulich und doch fantasievoll gelöst, so dass jedes Kind sie versteht.
Der Dramaturgie und den Mitteln eines visuellen Mediums sind die zahllosen Umstellungen der Handlung geschuldet. Wer also meint, er kenne nach dem Film auch das Buch, der ist schwer auf dem Holzweg. Der religionskritische Ansatz wird völlig auf das Magisterium als einen korrupten Machtapparat abgewälzt. (Mrs. Coulter ist dessen skrupellose Agentin, wiewohl sie der geheimen Inquisitionsorganisation GOB angehört.) Aber aus dramaturgischer Sicht war dies nötig, um einen präsentablen und verständlichen Gegenspieler einzuführen, über den der Sieg von Bolvangar umso süßer schmeckt.
Wie man sieht, ist die Story nicht für Kinder unter zwölf Jahren geeignet. Sie ist anspruchsvoll und setzt eine rasche Auffassungsgabe voraus. Wer nur einen Kinderfilm à la "Pippi Langstrumpf" erwartet, liegt falsch. Vielmehr liegt "Der Goldene Kompass" auf dem gleichen Level wie "Eragon". So wie Lyra ihren Eisbären reitet, erinnert der Film an "Eragon", aber mit einem knuddeligen Knut in Rüstung.
- Redakteur:
- Michael Matzer