Hände voller Blut
- Regie:
- Peter Sasdy
- Jahr:
- 1971
- Genre:
- Horror
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Hands of the Ripper
1 Review(s)
24.05.2005 | 06:03Anna ist die Tochter von Jack the Ripper, der ihre Mutter erstach, als sie noch klein war. Fünfzehn Jahre später nimmt Dr. Pritchard die junge Frau auf, um sie mit der neuen Methode der Psychoanalyse zu heilen. Das gelingt ihm aber nur sehr begrenzt, denn sobald Anna durch einen blinkenden Gegenstand in Trance versetzt wird, meldet sich der Geist ihres Vaters zurück und veranlasst sie zu blutigen Taten.
Filminfos
O-Titel: Hands of the Ripper (GB 1971)
DVD: 14.04.2005
FSK: ab 18
Länge: ca. 82 Min.
Regisseur: Peter Sasdy
Drehbuch: L. W. Davidson nach einer Story von Edward Spencer Shew
Musik: Christopher Gunning
Darsteller: Eric Porter, Jane Merrow, Angharad Rees, Derek Godfrey, Dora Bryan u. a.
Mehr Infos: http://www.anolis-film.de & http://www.e-m-s.de/
Handlung
~ Vorgeschichte ~
London 1888: Jack the Ripper kehrt mal wieder von einer Bluttat ins traute Heim zurück, verfolgt von den aufgebrachten Bürgern. Dass sein Gesicht von Säure entstellt wurde, stört seine schöne Frau nicht, wohl aber die blutigen Hände, die er alsbald um ihren Hals legt. Nachdem der Mann nicht mal seine Hände waschen kann, wundert es auch nicht, das es ihn nicht stört, wenn seine kleine Tochter Anna den Mord mit ansieht. Sie findet es ziemlich schade, dass die Mami jetzt weg ist.
~ Haupthandlung ~
Die kleine Anna ist inzwischen zu einer ansehnlichen jungen Frau (Angharad Rees) herangewachsen. Die Spiritistin Mrs. Golding hat sie aus dem Waisenhaus geholt und bei sich aufgenommen. Hier hat sie eine konkrete Aufgabe: Sie souffliert bei den spiritistischen Sitzungen, als wäre sie der Geist eines kleinen Mädchen. Bei einer dieser Séancen sind Dr. Pritchard (Eric Porter), sein Sohn Michael und der Parlamentarier Dysart (Derek Godfrey) anwesend.
Dysart interessiert der Geist weniger als die junge Anna. Die will er nämlich hinterher vernaschen. Dass Mrs. Golding die Zuhälterin ist, stört ihn nicht, nur dass Anna sich blöd anstellt, weil sie so etwas noch nie gemacht hat. Als er ihr zur Besänftigung eine Brosche schenken will, versetzt der blinkende Gegenstand sie in eine Art von Trance. Sie erinnert sich an den Moment der Ermordung ihrer Mutter, die wiederum eine Art Mordlust weckt ...
Dr. Pritchard, der auf der Straße noch immer auf eine Droschke wartet, hört einen Schrei, stürzt zum Golding-Haus, sieht Dysart herauskommen und fliehen, steigt die Treppen hoch und entdeckt die immer noch wie hypnotisiert dreinstarrende Anna. Was ihn aber erst schockt, ist die an der Tür lehnende Mrs. Golding, die von einem Schürhaken durchbohrt ist, der auch die stabile Eichentür durchdrungen hat. Anna muss ja wohl über bemerkenswerte Kraft verfügen. Dass Mrs. Golding dieses schmähliche Ende verdient hat, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
~ Die Rettung? ~
Das Scotland Yard untersucht den Todesfall, doch zu unserer Überraschung verrät Dr. Pritchard nicht, dass er Dysart aus dem Haus hat laufen sehen, sondern deckt ihn vielmehr, und zwar so, dass Dysart ganz genau mitbekommt, dass er dem guten Doktor ausgeliefert ist. Sie schließen eine Abmachung: Dysart soll Informationen über Annas Herkunft beschaffen. Doch bevor diese eintreffen, ist im Hause des Doktors schon der erste Mordfall zu beklagen: Dolly, die Haushälterin, wollte ihrem neuen Schützling eine blinkende Halskette umlegen, da musste sie auch schon dafür büßen. Der Doktor entkommt haarscharf der Entdeckung durch seine Köchin Mrs. Bryant. Anna erinnert sich an nichts.
Dysart drängt Pritchard, Anna zu einer Mrs. Bullard mitzunehmen, schon wieder eine Spritistin, nur diesmal eine von der echten Sorte. Die Empathin enthüllt in Nullkommanix die traumatische Szene, die Annas Geist so verwirrt hat. Darauf wäre der gute Doktor selbst mit der besten Psychoanalyse nicht gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hat Anna bereits eine Prostituierte aus dem Rotlichtbezirk auf dem Gewissen. Dorthin ging sie, weil hier ihr Vater seiner blutigen Tätigkeit nachgegangen ist. Wir können daraus nur den Schluss ziehen, dass sie vom Geist ihres Vaters besessen ist, denn als kleines Kind war sie nie in dieser verkommenen Gegend. Dr. Pritchard bringt sie auch diesmal in Sicherheit.
Dass auch die Hellseherin dran glauben muss und schließlich auch Dr. Pritchard einen Degen in den Leib gerammt bekommt, wundert uns nicht wirklich. Das hat er nun davon, dass er nicht auf Dysart gehört hat, denn der will Anna so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen und dem Henker überantworten.
Während Pritchard seine schwere Verletzung versorgt, fährt Anna mit dessen Sohn Michael und dessen Verlobter, der blinden Laura (Jane Merrow), zu einem Ausflug in die Sankt-Pauls-Kathedrale. Auf der weltberühmten Flüstergalerie meldet sich der Geist von Annas Vater auf unheilvolle Weise zurück ...
Die DVD
Technische Infos:
Bildformate: 1,78:1, 16:9
Tonformate: DD 2.0, Mono
Sprachen: D
Untertitel: D (ausblendbar)
Extras:
- Original-Trailer
- Deutschsprachiger Titel
- Bildergalerie
Mein Eindruck
Jack the Ripper, der berühmteste Massenmörder Englands, war schon mehrmals Gegenstand von Verfilmungen entsprechender Werke. Merkwürdig ist nur, dass Hammer Films, die Schmiede aller möglichen und unmöglichen Monstren, erst 1971 darauf kam, einen Film über ihn zu machen. Da war das Thema praktisch schon durch. Deen Berman & Baker brachten bereits 1959 einen Film namens "Jack the Ripper" auf die Leinwand (Drehbuch von Jimmy Sangster), und 1965 inszenierte James Hill die erste (aber nicht letzte) Begegnung zwischen dem historischen Prostituiertenmörder und dem größten aller fiktionalen Detektive, Sherlock Holmes, in "A Study in Terror" (dt. "Sherlock Holmes - sein größter Fall" / "Sherlock Holmes' größter Fall").
Hammer Films selbst hatten sich in ihrer Vor-Horror-Phase damit beschäftigt und 1950 mit dem Krimi "Room to let" eine Variation des Romans "The Lodger" von Mary Belloc Lowndes in die Kinos gebracht (Grundlage war ein BBC-Hörspiel). Auch Hitchcock verfilmte das Buch. 1971 hingegen nahm sich Hammer Films des Themas gleich zweimal an. In "Dr. Jekyll and Sister Hyde" (dt. "Dr. Jekyll und Sister Hyde") verband der Drehbuchautor die alte Idee, dass der Ripper in Wahrheit eine Frau war, mit der neuen Idee, dass Mr. Hyde eigentlich eine MISS Hyde gewesen sei, und schickte Martine Beswicke mit einem Messer auf die Londoner Straßen.
In dem vorliegenden Streifen "Hands of the Ripper" (dt. "Hände voller Blut") von 1971 hat der berüchtigte Schlitzer nur einen Gastauftritt - am Anfang und am Ende. Schade, dass nie erklärt wird, was aus Annas Vater wurde, denn schließlich hat man ihn ja nie gefasst. Dr. Pritchard nimmt sich der jungen Anna an, doch wohl eher mit der dunklen Absicht, als Pygmalion zu fungieren und aus ihr seine Galathea zu machen. Da seine Frau gestorben ist und er Anna in deren verwaistem Zimmer unterbringt, liegt der Verdacht nicht fern, dass er weit mehr Zuneigung für sie hegt als väterliche.
Für seine Besessenheit ist er bereit, ihre Morde zu decken. In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich hinterher an nichts erinnern kann - sie bemerkt nicht einmal ihre blutigen Hände - fällt es ihm leicht, sie weiterhin für unschuldig zu halten. Da er sie nicht bestrafen, sondern heilen will, muss er auch den Preis dafür bezahlen. Am Schluss liegt er neben ihr, doch erst im Tod mit dem Objekt seiner Begierde vereint.
~ Die Darsteller ~
John Pritchard ist ironischerweise der Name eines authentischen verurteilten Mörders, und Eric Porter liefert eine glaubwürdige Darstellung ab. Der Shakespeare-Mime hatte bereits in "The Lost Continent" ("Bestien von Caracas") mitgespielt, war jedoch vor allem mit der Serie "The Forsythe-Saga" in die erste Liga der Fernsehstars aufgestiegen. Mit seinem durchdringenden Blick, dem fesselnden Mienenspiel während des dramatischen Finales und seinem hintergründigen Verhalten spielt Porter den Jungstar Angharad Rees (Anna) glatt an die Wand. Allenfalls ein anderer Bühnenschauspieler kann ihm Paroli bieten: Derek Godfrey in der Rolle des zwielichtigen Parlamentariers Dysart. Immerhin konnte der jungen Rees jemand nützliche Tipps für die Darstellung Annas geben: ihr eigener Vater war selbst Psychiater.
~ Horroreffekte ~
Ob Anna wirklich wahnsinnig oder vom Geist ihres Vaters besessen ist, bleibt die meiste Zeit offen. Doch am Schluss sehen wir eine ausgezeichnet gelungene Überblendung ihres Gesichtes mit seinem. Dann wissen wir, woran wir sind. Und da Jack ein Frauenhasser ist, wissen wir auch, dass jedes weibliche Wesen in Annas Nähe in Gefahr ist. Folgerichtig tötet sie ausschließlich Frauen, und dass sie ihren Mentor Dr. Pritchard angreift, darf als eine Art Versehen gelten.
Bei dem stilechten Ambiente, durch das uns die Kamera führt, gehen dem Fan historischer Kostümfilme schier die Augen über. Doch die besten Effekte sind natürlich in den Mordszenen zu finden. In der amerikanischen Fassung sind einige davon herausgeschnitten worden. Das gilt insbesondere für das herausgestochene Auge der Prostituierten Long Liz (eigentlich ein Opfer Jacks anno '88). Für diesen Make-up-Effekt wurde Maskenbildner Roy Ashton bemüht, der eigentlich gar nicht am Film beteiligt war. Ashton war ein Urgestein der Hammer-Schmiede und hatte schon Werwölfe und Zombies (in "Plague of the Zombies/Nächte des Grauens" und andere) erschaffen.
Es sind diese fünf oder sechs grausigen Szenen, die dem Film das Jugendverbot einbrachten. Denn von Sex und Gewalt ist sonst nichts zu sehen, geht es doch bei den Viktorianern recht gesittet zu. Dabei ist das jeweilige, aus dem Impuls des Augenblicks heraus gewählte Mordinstrument stets in Großaufnahme zu sehen. Man darf annehmen, dass das jeweilige Werkzeug dabei in einer Puppe steckte ...
Um das Finale in der Kathedrale drehen können, musste Produzentin Aida Young ein paar Aufnahmen heimlich drehen, der Rest der Kulissen wurde in den Pinewood Studios nachgebaut, insbesondere die Flüstergalerie. An einer Stelle hastet der junge Michael seiner Verlobten Laura zu Hilfe, stolpert hunderte von Treppenstufen empor, doch die Wände links und rechts dieser Stufen scheinen mehr zu einer mittelalterlichen Burg als zu einer modernen Kathedrale zu gehören. Hier hat Young vielleicht am falschen Platz gespart. Aber man bemerkt den Anachronismus wohl nur, wenn man ganz genau hinschaut. Michael sieht zugleich fesch und unheimlich aus, wie eine Art wiederaufstandener Edgar Allan Poe (gestorben 1849) - die Ähnlichkeit war sicherlich beabsichtigt.
~ Eine Gratwanderung ~
Der Film erzielte laut Booklet-Text den höchsten Preis, den Hammer Films jemals für Fernseh-Ausstrahlungsrechte erhalten hat. Das mag angesichts der Indizierung und der Stars gerechtfertigt erscheinen, doch täuscht es nicht über die Tatsache hinweg, dass die Handlung doch ziemlich dünn ist. Etwas mehr Psychologie hätte vielleicht gut getan, andererseits hätte das wiederum die Actionfans enttäuscht. Es ist eine Gratwanderung, die der Drehbuchautor L. W. Davidson zu bewältigen hatte, und so sollte man vielleicht zufrieden damit sein, dass die Story sehr übersichtlich und geradlinig verläuft. Der einzige Ausflug in die Psychologie, der nicht der Handlung dient, ist die Szene nach der Probetrauung: Anna und Pritchard allein auf dem Friedhof. Dass sie von einer jenseitigen Welt, von Geistern gar, spricht, dient ausschließlich der Vertiefung ihrer Figur, nicht aber der Story.
~ Die DVD ~
Die Bildqualität ist vollständig überzeugend, denn hier sind überhaupt keine Artefakte oder gar ein Bildflattern zu entdecken. Der Ton in DD 2.0 mono ist nur bescheiden, reicht aber für die Zwecke aus. Interessanter sind da schon die Extras. Es ist selten, aber es kommt vor: Es gibt keine Werbung. Ich rechne den Originaltrailer mal als Dokument der Zeit. Hier erhält der Sammler und Freund der Reihe "British Horror Classics" eine ganze Menge Dokumentationen, nämlich zwei deutsche Inhaltsangaben (plus Cast-Liste) und eine englische. Obendrein gibt es natürlich jede Menge Szenenfotos - in der Bildergalerie (ca. 1:30) wie auch im Presseheft. Daher kann man gerne auf ein Live-Interview verzichten, wie es schon hier und da auf DVDs dieser Reihe zu finden war (das Beste ist auf "Countess Dracula/Comtesse des Grauens" zu finden).
Unterm Strich
Ich habe mich natürlich gespannt gefragt, was denn um Himmels willen diesem Streifen das Jugendverbot eingebracht hat, und musste feststellen, dass es die diversen Mordszenen sind. Hier sieht man das Mordinstrument doch recht deutlich im "Körper" des jeweiligen Opfers stecken - ein Meisterstück des Maskenbildners. Leider sind diese Szenen jeweils nur ein paar Sekunden lang, und die restliche Zeit muss man darauf warten, dass wieder etwas passiert.
Zudem erfolgt die Herbeiführung dieser Morde nicht aus einer inneren Logik heraus, so dass man sie erahnen könnte, sondern völlig willkürlich, so dass man als Zuschauer davon überrascht wird. Diese Methode wirkt auf mich nicht sonderlich überzeugend, und auch die britischen Kritiker waren 1971 nicht davon angetan. Was soll's - der Film war trotzdem erfolgreich.
Die DVD ist mit gutem und hilfreichem Bonusmaterial ausgestattet, das sich der Sammler der e-m-s-Reihe "British Horror Classics" sicherlich nicht durch die Lappen gehen lassen will. Aus der Reihe ragt der Streifen als eine der seltenen Jack-the-Ripper-Verfilmungen von Hammer Films heraus, und die Ausstattung sowie der Hauptdarsteller Eric Porter machen den Film durchaus ansehnlich, auch wenn die Handlung nicht so spannend erscheinen sollte.
Der Klappentext vergleicht den Streifen mit der Comic-Verfilmung "From Hell", in der Johnny Depp und Heather Graham auftreten. Dieser Vergleich ist aber wirklich an den Haaren herbeigezogen, denn "Hände voller Blut" kann diesem Meisterwerk des historischen Horrors nicht das Wasser reichen.
- Redakteur:
- Michael Matzer