Helmut Schmidt im Gespräch mit Reinhold Beckmann
- Regie:
- ARD
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
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29.03.2008 | 06:50Er prägte die Sozialdemokraten wie kaum ein zweiter, führte die Partei in einer Krisenzeit wieder an die Spitze und stellte während seiner politischen Laufbahn selbst starke Charaktere wie Willy Brandt mit seinem unnachahmlichen Charisma schnell in den Schatten. Helmut Schmidt ist der vielleicht ungewöhnlichste Kanzler, den die BRD seit dem Amtsantritt Adenauers ins Amt gestellt hat, als Persönlichkeit neben seinem späteren Genossen Schröder und als Kanzler-Ikone mitunter der umstrittenste Vertreter auf seinem Posten, wegen seiner klaren Standpunkte aber auch allerorts geschätzt und verehrt.
Dementsprechend scheint sich auch kaum ein Mensch des politischen Deutschlands derart perfekt als Stargast einer hiesigen Talkshow zu eignen wie der außergewöhnliche Schmidt, der seinerzeit ebenso wie heute die Medien mied, dessen seltene TV-Auftritte aber gerade deswegen stets zu denkwürdigen Ereignissen der jeweiligen Periode avancierten.
Diesen Aspekt hat auch Reinhold Beckmann berücksichtigt, als es ihm am 13.12. 2004 tatsächlich gelang, Schmidt für seine Sendung zu begeistern. Der Altkanzler bezog hier teilweise klare Stellungnahme zur Entwicklung seiner Partei, äußerte sich kritisch, aber dennoch neutral zur damals akuten Lage in der SPD und verriet einige Details über seine hintergründige Zusammenarbeit als Mentor für Gerhard Schröder, der zu jener Zeit noch das Kanzleramt bekleidete. Aber auch sein Privatleben wurde in diesem besonderen Gespräch thematisiert, dabei vor allem die unglaubliche Ehe mit Loki Schmidt, ebenfalls eine wahrhaftige Ikone, die Beckmann zwei Jahre später auch in seiner Show begrüßen durfte. Schmidt berichtete über den starken Bund zu seiner Frau, der bis heute mehr als 60 Jahre überdauerte und in dieser Zeit nicht ein einziges Mal wirklich in Gefahr war.
Schmidts umfassendes historisches Repertoire kam unterdessen am 25.09.2006 ein weiteres Mal in den Fokus, als Beckmann sich sein vermeintlich interessantestes Gegenüber ein weiteres Mal ins Studio bestellte und nun etwas detaillierter über die politische Karriere des charakterstarken Ausnahmemenschen Schmidt diskutierte. Der einstige Kanzler erzählte unterdessen von den vielen Querelen, die seinen Posten teils weniger erstrebenswert machten, so zum Beispiel die Terror-Attacken der RAF oder die ersten Anzeichen wirtschaftlicher Krisen, die das politische Geschehen in den späten Siebzigern immer stärker bestimmten.
Diese beiden außergewöhnlichen Dialoge wurden von Seiten des TV-Senders für würdig befunden, exklusiv für die Nachwelt festgehalten zu werden. In Kooperation mit der ARD und der ZEIT (deren Mitherausgeber Schmidt übrigens ist) veröffentlicht Eurovideo diese Gespräche nun erstmals auf DVD und bündelt zwei informative wie unterhaltsame TV-Abende fest auf Konserve. Neben den politischen Inhalten bekommt der Zuseher aber noch einiges mehr geboten, wie etwa Schmidts Antwort auf weltweite Anti-Raucher-Kampagnen, die der mittlerweile Neunundachtzigjährige würdigt, indem er sich eine Zigarette nach der anderen anzündet und somit ganz klar die Rahmenbedingungen für das Interview bestimmt – sicherlich einzigartig in der Geschichte des deutschen Talkshow-Fernsehens!
Aufgrund der relativen Exklusivität der Aufnahmen muss man sich im Übrigen auch keine Gedanken über die Aufarbeitung der rund 150 Minuten Gesprächsrunde machen. Das Bild ist der TV-Aufzeichnung eins-zu-eins entnommen worden und dementsprechend sauber in der Präsentation. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den Ton, dessen Möglichkeiten genrespezifisch kaum beansprucht werden. Extras gibt es hingegen keine, wobei sich aber auch die Frage stellt, was man diesen außergewöhnlichen Dialogen noch hätte hinzufügen können.
Natürlich ist "Helmut Schmidt im Gespräch mit Reinhold Beckmann" ausnahmslos ein Special-Interest-Titel, als solcher aber von äußerst hohem inhaltlichen Niveau und geschmückt mit beeindruckender Rhetorik. Nicht nur politisch Interessierte und Historiker sollten sich daher angesprochen fühlen, denn gerade auf menschlicher Ebene geschieht in diesen 150 Minuten mehr, als man insgeheim vermuten mag. Und aus eben diesem Grund bekommt die Veröffentlichung auch eine ganz klare Empfehlung, auch wenn der Preis des Silberlings mit 25 €uro eher unerfreuliche Dimensionen annimmt.
http://www.eurovideo.de/
- Redakteur:
- Björn Backes