Hit & Miss - Die komplette Serie (DVD)
- Regie:
- Hettie MacDonald , Sheree Folkson
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Hit & Miss
1 Review(s)
10.07.2013 | 16:07Famos: Gratwanderung in Sachen Sex, Geschlecht und Familie
Für den Gangster Eddie ist Mia schlicht und einfach "eine verdammte Maschine": Methodisch und skrupellos erledigt die Auftragskillerin jeden Job für den Unterweltboss. Doch außer ihrer tödlichen Profession und einem einsamen, routinierten Leben in einem verlassenen Lagerhaus hat Mia noch ein Geheimnis: sie ist ein präoperativer Transsexueller. Als Eddie ihr unerwartet einen Brief überreicht, holt ihre Vergangenheit als Mann sie plötzlich wieder ein. Ihre Ex-Freundin Wendy liegt im Sterben und offenbart ihr, dass Mia der Vater eines elfjährigen Jungen ist. Die Killerin soll sich um Ryan und dessen Geschwister kümmern. Plötzlich muss sie sich zwischen den Welten zurechtfinden - als skrupellose Assassine für Eddie und als Vormund für ihre neue Familie. (Cinefacts.de)
Filminfos
O-Titel: Hit and Miss (GB 2012)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
EAN: 761059802773
VÖ: 4.6.2013
FSK: ab 16
Länge: ca. 259 Min.
Regisseurinnen: Hettie MacDonald , Sheree Folkson
Produzent: Paul Abbott
Drehbuch: Sean Conway , Paul Abbott
Musik: Dickson Hindcliffe ("Winter's Bone")
Kamera: David Luther
Darsteller: Chloe Sevigny (Mia), Jonas Armstrong (Ben), Vincent Regan (John), Peter Wight (Eddie), Karla Crome (Riley), Reece Noi (Levi), Jorden Bennie (Ryan, 11), Laura Greenwood (Sophie), Ben Crompton (Liam), Roma Christensen (Leonie) u.a.
Handlung von Episode 1
Mia ist ein Hermaphrodit, denken wir uns bei der ersten Duschszene. Sie/er weist Brüste und einen femininen Körperbau auf, aber auch (noch) einen Penis. Allmählich erfahren wir, wie es dazu gekommen ist. Sie hieß früher Ryan und stammt aus Nordwestengland, nördlich von Manchester. Sie wünschte sich aber schon seit ihrer Jugend, ein Mädchen zu sein. Für ihre Verwandlung braucht sie aber eine Menge Geld, für Medikamente und die letzte Operation. Das Geld verdient sie mit Auftragsmorden, die ihr Eddie, der Agent, erteilt und bestens vergütet.
Bevor sie aber ihre Heimat verließ, hatte Mia alias Ryan etwas mit Wendy und zeugte mit ihr einen Sohn, der ebenfalls Ryan heißt. Nun, elf Jahre später, fällt Mia aus allen Wolken, als sie von der an Krebs verstorbenen Wendy einen Brief erhält. Darin informiert ihre Ex sie, dass sie einen Sohn hat, um den sie sich nun kümmern soll.
Was Wendy nicht schreibt: Zu Ryan junior gehört eine ganze Patchwork-Familie. Das erkennt Mia erst, als sie neugierig auf die Farm raus fährt, die mitten im Nirgendwo liegt. Da ist die sechzehnjährige Riley, der etwas jüngere Levi, der elfjährige Ryan und schließlich die kleine, vielleicht fünf Jahre alte Leonie. Während Riley und Levi die fremde Frau sofort ablehnen, fällt Mia auf, dass Ryan, ihr Sohn, außerhalb des Hauses alleine zeltet. Etwas stimmt hier nicht. Zerfällt die Familie? Und wo kommen all die Kinder her? Soll sie wirklich die ausgehändigte Erklärung zur Übernahme der Vormundschaft unterschreiben?
Um mehr zu erfahren, begibt sie sich ins Wirtshaus. Ein älterer Typ namens John macht sich an sie ran, obwohl sein Kumpel Ben ihn warnt. John merkt bald, dass er an die Falsche geraten ist. Fortan ist Mia nicht mehr vor seinen Drohungen sicher. Sie ahnt lange Zeit nicht, dass zwischen dem verheirateten John und Riley etwas läuft. So kommt es zu einem ersten Konflikt: Als John, dem das Haus der Familie gehört, seine Miete verlangt, schlägt sie ihn K.O. Ryan ist entzückt und wird anhänglich wie ein Hund. Mia bringt ihm Boxen bei. Er wird es noch nötig haben.
Handlung von Episode 2
Mia ist wenig überrascht, als John ihr sagt, dass er das Haus verkaufen will. Er will ihr bloß eins auswischen. Sie ahnt nicht, dass John Riley, während er sie fickt, unter Druck setzt, Mia loszuwerden. Levi und Riley weigern sich wegzuziehen. John will auf keinen Fall an Mia verkaufen und setzt ihr ein Ultimatum zum Monatsende. Da bietet Mias Agent Eddie ihr an, den Hof zu kaufen. Alles scheint in Butter zu sein. Aber es ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Die Farm steht unter Beobachtung.
Handlung von Episode 3
Mia macht John mit gezückter Knarre klar, dass er "ihre Familie", wie sie nun sagt, in Ruhe lassen soll oder sterben muss. Unterdessen bandelt sie mit Johns Kneipenbekanntschaft Ben an, dem Jogger. Ben meint natürlich, eine scharfe Braut vor sich zu haben. Unterdessen zeigt Riley alle Anzeichen einer Schwangerschaft. Doch John will nicht reden, nur ficken. Riley findet in Mias Zimmer unter der Matratze einen geladenen und entsicherten Revolver, woraufhin sie die neue "Mutter" zur Rede stellt. Mia sagt, den habe sie, weil sie mal vergewaltigt wurde. Das kann Riley gut verstehen.
Niemand ahnt, dass aus dem heimlichen Beobachter inzwischen ein stiller Untermieter auf dem Dachboden geworden ist...
Handlung von Episode 4
Inzwischen sind Mia und Ben ein festes Paar, denn Ben denkt immer noch, dass Mia eine Frau ist. Na, er wird die Wahrheit noch früh genug entdecken. Dann wird er wählen müssen, auf welcher Seite er steht. Immer wieder erledigt sie ihre Aufträge, allerdings unterlaufen ihr in letzter Zeit schwere Fehler, die sie einmal sogar ins Krankenhaus gebracht haben. Sie will eine Auszeit, sagt sie Eddie, doch der lässt sich nicht darauf ein.
John, inzwischen von der Schwangerschaft informiert, setzt Riley unter Druck, sein Baby abtreiben zu lassen. Als Mia ihr aber sagt, sie wünsche sich ein Kind, gerät Rileys Entschlossenheit bzw. Gehorsam ins Schwanken. Als John Mia fast über den Haufen fährt, ist klar, dass die Krise bald kommt. Als John sieht, dass sie wieder Ben besucht, fährt er zur Farm, um Riley ein Ultimatum für die Abtreibung zu setzen. Abends entdeckt Riley im Halbschlaf den Untermieter, als er Fotos klaut. Kurz danach ist Leonie verschwunden. Doch wo ist Mia, wenn man sie braucht?
Handlung von Episode 5
Leonie ist wieder da - und hat jetzt einen Onkel, Wendys Bruder Liam. Der wird von Ryan und Levi verprügelt, bevor Ben ihnen Einhalt gebietet: Liam ist geistig behindert und spricht nie ein Wort. Ben ist der sportliche Betreuer der Behindertengruppe des Dorfes, also quasi ein Beamter.
Mit John hat es indessen ein böses Ende genommen. Riley soll das blutbespritzte Zimmer säubern, befiehlt Mia. Alle Spuren müssen restlos beseitigt werden. Sie weiß genau, wie das geht. Eddie hilft ebenfalls, Leichenstücke zu beseitigen. Allerdings sind sie dabei nicht allzu gründlich, und als Kinder in einem See den Kopf von John finden, taucht auf einmal die Polizei auf. Jetzt wird es auch für Auftragsmörder eng. Riley ist völlig traumatisiert und will der Polizei alles beichten. Das kann ihr Mia gerade noch ausreden.
Ben hat entdeckt, dass Mia noch einen Penis hat und lacht sich eine andere Tussi an. Doch auch das echte weibliche Geschlecht scheint ihn nicht mehr hundertprozentig zufriedenzustellen, denn er kommt nach ein paar Tagen wieder zu Mia zurück und entschuldigt sich.
Eddie hat inzwischen Levi für diverse Jobs angeheuert, so etwa um Waffen und Schmuggelware auf der Farm zu verstecken. Nun hat er auch einen Doppelauftrag für Mia: Sie soll zwei Leute am gleichen Tag umlegen. Na, ob das gut geht?
Handlung von Episode 6
Mit Liam und den Kindern geht Mia abends auf den Rummelplatz. Dort entdeckt sie ihren eigenen Bruder Philip, der den Schießstand leitet. Er erkennt die Frau natürlich nicht. Ihre gemeinsame Mutter besucht sie als nächstes in deren Wohnwagen, doch Mom ist völlig apathisch und weggetreten. Als Phil hinzukommt, schlägt Mia ihn zunächst K.O., doch er gibt nicht auf und verpasst ihr einen Schlag auf den Hinterkopf. Dann schneidet er ihr die langen Haare ab. Eine weitere Identitätskrise stürzt Mia in einen nächtlichen Alkoholrausch - oder ist es umgekehrt?
Von Mia schmählich im Stich gelassen, bekommt Riley eine Panikattacke. Der kleine Ryan wendet sich an Ben, doch auch der kann Mia nicht erreichen - sie erledigt gerade einen "Job" für Eddie. Leider vergisst sie, auch den zweiten Mann am gleichen Tag umzunieten, und so bekommt Eddie unerwarteten Besuch von ein paar sehr unangenehmen Typen. Das soll Mia noch bereuen...
Mein Eindruck
Wie man sieht, hat Mia alle Hände voll zu tun, und manchmal reicht es einfach nicht. Eine Krise folgt der nächsten - optimale Voraussetzungen für eine spannende Serie. Ich habe die sechs Folgen - von mir aus könnten es gerne mehr sein - fast atemlos genossen, denn der Look und die Dramaturgie sind eher typisch für einen Spielfilm als für eine TV-Serie. Dies sei das verdienst der Regisseurinnen und des deutschen Kameramanns David Luther (dessen Vater Igor "Die Blechtrommel" drehte). Das Ziel war es offenbar, eher einen Arthouse-Krimi zu produzieren als Serienware. In den USA käme als Sendeplatz nur der Pay-TV-Sender HBO infrage, der auch "Game of Thrones" produziert.
Sex, Geschlecht & Western
Die Serie verfolgt drei Handlungsstränge, die jede für sich genommen schon genügend explosiv wäre. Mia eine transsexuelle Auftragsmörderin, a "chick with a dick" oder "a Glock with a cock", wie Erfinder Paul Abbott im Interview dümmlich flachst. Die sexuellen Konflikte, in die sie aufgrund ihres zwitterhaften Zustands gerät - ihre Metamorphose ist noch nicht abgeschlossen -, sind geeignet, jede Menge Unruhe zu stiften. Das bekommen besonders der Macho John und der Sozialarbeiter Ben zu spüren, die beide sehr unterschiedlich reagieren.
Hinzukommt jedoch, dass sie mehr oder weniger freiwillig die Vormundschaft für Wendys Patchwork-Familie übernimmt. Sowohl Sex als auch Vormundschaft lassen sie in direkten Konflikt mit dem Vermieter, dem Macho John, geraten. Allerdings ist Mia kein zahmes Heimchen am Herd, sondern ein Wolf im Schafspelz bzw. ein Kerl in Frauenfummel. Als John den Lauf einer Glock (immerhin Kaliber .40) unter seiner Nase spürt, sollten ihm eigentlich Zweifel kommen, aber er lässt seine Wut stattdessen an Mias Pflegetochter Riley aus - mit üblen Folgen.
Dass Mia eine Auftragskillerin ist, zeigen immer wieder eingefügte Sequenzen, in denen sie ihrer "Arbeit" erfolgreich nachgeht. Selten hat man eine "Frau" so kaltblütig ballern und killen gesehen. Wäre dies ein Western, so müsste sie natürlich ein Kerl sein, was ja im Grunde auch hinhaut. Aber... Man sieht also, dass der Zuschauer schnell selbst in ein Dilemma gerät, wie er/sie denn diese Figur zu bewerten hat. Die vorgefertigten Maßstäbe, auch Rollenklischees genannt, versagen hier ihren Dienst. Das macht die Serie in meinen Augen ungeheuer interessant.
Dass Mia ihre/seine Familie verteidigt, entspricht den Western-Motiven, denn der Western als Genre ist die Aufarbeitung des Frontier-Themas, also der Inbesitznahme, Besiedlung und Vererbung von Lebensraum. Wie aber soll Mia etwas behalten und vererben, wenn es ihr sofort wieder genommen werden soll? Mia muss einen Showdown schaffen, der ihr alle Vorteile verschafft. Der Haken dabei: Der Feind ist bereits hinter den eigenen Linien. Und als Eddie, ihr bisheriger Agent, in Episode 6 seine Position überdenkt und Mia ebenfalls die Farm streitig macht, stellt sich heraus, dass Mia es geschafft hat, Loyalität in der eigenen Familie zu wecken.
Die Schauspieler
Es ist schwer zu glauben, aber Chloe Sevigny, die Amerikanerin, trägt die Handlung zu über sechzig Prozent. Mit ihr steht und fällt die Glaubhaftigkeit der Handlung, und sie liefert nahezu hundert Prozent Glaubwürdigkeit. Nur sehr vereinzelt kamen mir Zweifel, ob der jeweilige Satz oder Gesichtsausdruck passend sei. Dass sie im Original einen irischen Akzent spricht, fällt natürlich in der Synchronisation völlig unter den Tisch.
Von den Nebenfiguren gefielen mir am besten Karla Crome als sechzehnjährige Riley, die in Gewissensnöte und Lebensgefahr gerät. Erst lehnt sie Mia als Mutter ab, dann lernt sie von ihr. Auch Jonas Armstrong, der den relativ sensiblen Ben spielt, wusste mir zu gefallen. Ben durchläuft ja in sexuellen Dingen einen drastischen Crash-Kurs: aus Mia, der Braut im roten Abendkleid, wird eine Bettgefährtin, dann ein Kerl, schließlich eine Partnerin, die zudem auch noch Exklusivansprüche stellt.
Lediglich Ben Crompton, der den schweigsamen Onkel Liam spielt, wirkt in der Schauspielerriege stereotyp. Folgerichtig führt ihn die Regie zunächst als zwielichtigen Typ ein, der eher auf der zweifelhaften Seite der menschlichen Ethik steht. Am Schluss erweist er sich aber als solidarisches Anhängsel der Patchwork-Familie.
Optik
Wie gesagt, stammt der Kameramann David Luther aus Deutschland (München) und eher aus dem Arthouse-Milieu (sein Vater verlieh Schlöndorffs "Blechtrommel" den suggestiven Look). Daher kommt es vor, dass ungewöhnliche Blickwinkel gewählt werden und uns immer wieder klargemacht wird, dass wir nur Beobachter sind.
Kamera und Regie nehmen sich Zeit, die karge Landschaft einzufangen, die Pferde, die Sümpfe, die Windräder. Hier steht die zeit aber nicht still, sondern verläuft nur viel langsamer und quasi in Spiralen. So kommt John immer wieder, bis es zur finalen Krise kommt. Auch Ben muss sich verändern. Die Landschaft gehört zu einer Welt, zu dem die Stadt (Manchester) einen feindseligen Gegensatz bildet.
Das bedeutet keine rückwärts gewandte Tolkien-Romantik, sondern einen harten, reizvollen Kontrast mitten in der Moderne. Mami Mia "arbeitet" in der Stadt, erfahren die Kinder immer wieder. Dass sie dort tötet, mag das eine oder andere Kind ahnen. Doch die Familie als Einheit fühlt sich nur auf dem Land heimisch und ganz.
Aus dem Gegensatz zwischen Stadt und Land, Arbeit und Privatleben, Solo-Existenz und Familiengemeinschaft entstehen Konflikte, aber auch positive Veränderungen. Wie Abbott, im Interview sagt: Die Familie wählt ihre Mitglieder nach demokratischen Prinzipien. So kommt es, dass Ben als neue Vaterfigur neben Mia Legitimität erlangt.
Musik
Die Musik, die der Komponist von "Winter's Bone", beitrug, ist recht eigenartig: eine Art gälischer Country & Western. Aufgrund der gälischen Tradition, die aus Irland und Schottland kommt, passt die akustische Instrumentierung ausgezeichnet zur kargen Landschaft des nahe gelegenen Nordwestens. Die Texte sind höchst sarkastisch und wer aufpasst, wird von Teufelspakten und dergleichen singen hören.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- O-Trailer
- Interviews mit Cast & Crew
- Fragestunde
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Dreharbeiten in der regnerischen und windigen Region des englischen Nordwestens waren sicher nicht einfach. Dennoch sind Bild und Ton zufriedenstellend ausgefallen. Die VOX-produzierte DVD bietet, anders als etwa eine ZDF-DVD, immerhin den Tonstandard DD 5.1 statt nur DD 2.0. Das soll nicht heißen, dass laufend Stereoeffekte zu hören seien. Untertitel fehlen leider.
EXTRAS
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1) O-Trailer (1:47 min)
Ruhige Musik begleitet Mia bei ihren ersten Auftritten, doch der Score wird flotter, sobald sich die Konflikte häufen. Dieser Trailer setzt auf Drama und Menschlichkeit, so dass Blut kaum eine Rolle spielt - ganz im Gegensatz zum...
2) Deutschen Trailer (2:05 min)
Dynamische Musik begleitet sehr blutige Bilder, die den Zuschauer einen blutgetränkten Tarantino-Abklatsch erwarten lassen. Nichts könnte irreführender sein. Ein Crescendo in der Musik wühlt das Gemüt auf, als ginge es hier um einen Western und es wäre der Showdown auf der Main Street.
3) Interviews mit Cast & Crew (OmU)
a) Juliet Charlesworth, Produzentin (17:43)
Als Inspiration für die getreuliche Umsetzung des Drehbuchs von Sean Conway diente der Romanklassiker "Wuthering Heights" von Emily Bronte sowie ein gewisses Faible für Western. Charlesworth lässt sich über die Behandlung der Tiere (Schweine, Schafe, Füchse, Hühner und Pferde - sie seien nicht gegessen worden...) ebenso aus wie über die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Charlesworths eigenes Elternhaus stand in dieser Gegend nahe Rochester. Einen besonderen Glücksfall nennt sie die Wahl des Komponisten Dickon Hinchcliffe und die des deutschen Kameramannes. Dadurch seien audiovisuelle Eindrücke entstanden, die eher an einen Spielfilm erinnerten als an eine TV-Serie.
b) Chloe Sevigny, Schauspielerin (11:54 min)
Die Amerikanerin bekam das Skript und verliebte sich in die ungewöhnliche Hauptfigur. Sie musste sich aber erst in die Rolle einer Transsexuellen und eines Auftragskillers hinein finden, wobei ihr aber YouTube geholfen habe. Sie erhielt ein Waffen- und Kampfsporttraining. Für den irischen Akzent des Originals erhielt sie Sprach- und Gesangsunterricht. Sevigny erhofft sich mehr Toleranz für Transsexuelle. Mia fasst sie als autistische Soziopathin auf, die sich aber allmählich verändert.
c) Paul Abbott, Schöpfer und Ausführender Produzent (21:14 min)
Abbott erzählt, er habe zwei Ideen zusammengebracht. Erst schrieb er ein Skript über das Thema Vormundschaft, das auf das Aufeinanderprallen von Milieus und Lebensstilen zwischen einer Waisenfamilie und einer Haushälterin abzielte. Die zweite Idee war eine transsexuelle Auftragsmörderin, die er dann mit der Vormundschaft beauftragte. Die Haushälterin brauchte er dann nicht mehr. Der Rest der Serie entwickelt die Figuren mit logischer Konsequenz, aber überraschenden Ergebnissen.
Anlass dieses Projekts war, dass SKY, also britisches Pay-TV, eine international verkäufliche TV-Serie wollte. Deshalb musste auch eine international bekannte AMERIKANISCHE Hauptdarstellerin angeheuert werden. Sevigny war die erste Wahl, denn sie hatte bereits fünf Jahre in der HBO-Serie "Big Love" gespielt, und sie erfüllte alle Erwartungen. Abbott betrieb keine Recherche zum Thema Transsexualität, denn das sei Aufgabe des Autors. Aber er griff auf eigene Erfahrungen mit seinen Familien zurück. Von der elterlichen trennte er sich frühzeitig und gründete eine eigene, die er nach demokratischen Prinzipien leitet. Was auch immer das heißen mag.
d) Sean Conway, Drehbuchautor (11:27 min)
Conway wurde ein Jahr lang von Abbott im Schreiben unterrichtet, hatte aber zuvor bereits einen Kurs im Drehbuchschreiben an der Uni von Newcastle absolviert. Er drehte Kurzfilme, bis er mit einem davon Abbotts Aufmerksamkeit erregte und Teil von "Abbott Vision" wurde. Für ihn ist Sevigny "hypnotisch". Mia hieß übrigens zunächst Laurie, dann Chloe, aber dann kam die echte Chloe, und so entstand Mia. Für ihn ist Mia ganz klar eine Antiheldin.
4) Fragestunde mit Cast & Crew am 15. Mai 2012 (25:43)
Die britische Moderatorin Mariella Frostrup befragt Sevigny, Abbott, Conway und Nicola Shindler, eine weitere Ausführende Produzentin. Die Regisseurinnen Hettie MacDonald und Sheree Folkson glänzen durch Abwesenheit. Die einzelnen Interviewten geben artig ihre Statements ab, bevor die Zuschauer im Kinosaal ihre Fragen stellen dürfen. So etwa, warum kein echter Transsexueller die Rolle der Mia spielte. Und wie die Darsteller der Kinder den Dreh erlebt hätten. Ob die Serie von Sky Atlantic, dem Auftraggeber, gekürzt worden sei? Keineswegs. Wo überhaupt gedreht wurde? In Littleborough bei Rochester, in der Region Manchester bzw. dem Pennines-Gebirge. Und Mias Penis?, will Frostrup wissen. Na, der war angeklebt.
5) Trailershow
a) Der Blender
b) The Invisible Man
c) Eden
d) Schattenkrieger - The Shadow Cabal (Fantasy)
e) This is England '86
f) Hunger (GB 2008, von Steve McQueen)
g) Harry Brown (mit Michael Caine)
h) 50 Dead Men Walking (mit Ben Kingsley)
Unterm Strich
"Hit & Miss" ist ein interessanter Diskussionsbeitrag zu den Themen Vormundschaft, Transsexualität und Auftragskillertum. Diese drei Themen bilden jede Menge Zündstoff, der regelmäßig in den Konflikten der Handlung zum Ausdruck kommt. Chloe Sevigny hat mich als transsexuelle Mörderin mit dem Faible für Familie durchaus überzeugt, selbst wenn in den Rauschszenen ihrer Identitätskrisen die Ästhetik die Oberhand über die Aussage erlangt. Dafür sind die Killings einwandfrei inszeniert, und das Drama in Mias Familie sorgt für hochkochende Emotionen.
Solch eine Serie, die Emotionen, Sex und Erbarmungslosigkeit kombiniert, hinterfragt Rollenklischees. Während wir Sympathie für Mia und ihre Mündelfamilie hegen, verunsichert sie uns durch ihre Gratwanderung zwischen männlicher und weiblicher Geschlechtsidentität und Erotik. So konnte ich durchaus nachvollziehen, wie es dem armen Ben geht, der von einer scharfen Braut einen geblasen bekommt, die sich hinterher als Kerl entpuppt - upps! "Wie soll das weitergehen?", fragt er sie verzweifelt. Und wundersamerweise gibt es einen Weg.
Die DVD
Die zwei Silberscheiben bieten guten Sound, feine Bildqualität, aber keinerlei Untertitel; nur im Bonusmaterial ist glücklicherweise das Gesprochene untertitelt, so dass der deutschsprachige Zuschauer wenigstens davon etwas mitbekommt: Es handelt sich ja immerhin um Interview-Material von fast 90 Minuten Länge! Leider ergibt sich ein Gesamtbild der Produktion nur mühselig, denn ein Making-of fehlt ebenso wie ein "Hinter den Kulissen"-Feature.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer