Host, The
- Regie:
- Joon-ho Bong
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Gwoemul
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25.10.2007 | 17:00Mit ihrem kleinen Kiosk am Ufer des Han-Flusses, den die Bewohner der südkoreanischen Millionenstadt Seoul gern als Ausflugsziel ansteuern, verdienen sich Vater Hie-bong und sein geistig leicht behinderter Sohn Kang-du ihren Lebensunterhalt. Zur Familie Park gehören noch Hyen-seo, Kang-dus Tochter, deren Mutter sie vor 13 Jahren direkt nach der Geburt verließ, sowie Hie-bongs Sohn Nam-il, ein verbitterter Akademiker, und seine Schwester Nam-ju, eine erfolgreiche Profi-Sportlerin.
Eines schönen Sommertags erregt ein Schatten im Fluss die Aufmerksamkeit der Ausflügler. Er wird von einem riesigen, offensichtlich durch Mutation entstandenen Monster geworfen, das wie aus einem Fisch und einer Amphibie zusammengesetzt wirkt. Die Neugierigen können das Geschöpf besser beobachten, als ihnen lieb ist, denn es springt aus dem Wasser und fällt über sie her. Panik bricht aus, und als Kang-du mit Hyen-seo fliehen will, verliert er sie im Gewühl und muss ohnmächtig mit ansehen, wie das Ungetüm seine Tochter packt und mit ihr im Fluss verschwindet.
Militär riegelt den Fluss ab, die trauernde Familie wird mit den anderen Zeugen des Vorfalls in ein abgeriegeltes Lager gebracht: Das Monster ist womöglich Träger eines tödlichen Virus', der diejenigen infiziert hat, die mit ihm in Kontakt kamen. Als Hyen-seo sich per Handy bei ihrem Vater meldet, beschließt ihre Familie den Ausbruch. Die Kreatur hat das Kind in ein Versteck tief im Kanalisationssystem von Seoul verschleppt. Dort sammelt es einige seiner Opfer als Nahrungsvorrat. Die Flucht der Parks gelingt. Polizei, Militär und Geheimdienst setzt sich auf ihre Spuren, doch das Quartett bahnt sich seinen Weg. Die Kanalisation ist freilich riesig, die Suche planlos. Zwar stoßen die Parks auf das Scheusal, doch es kann nicht nur fliehen, sondern tötet auch noch Hie-bong. Kang-du wird erneut festgenommen, Nam-il und Nam-ju werden getrennt. Hyen-seo scheint verloren, denn bald hat das Ungeheuer seinen Leichenvorrat vertilgt. Sie kann jedoch auf ihre Familie zählen, die unbeirrt die Rettungsaktion fortsetzt ...
Filme aus dem asiatischen Raum beschränken sich längst nicht mehr auf japanische Yakuza-Dramen oder Karate-Kloppereien aus Hongkong. Alle bekannten Genres werden abgedeckt, das Renommee des asiatischen Kinos wächst, es gilt auch im Westen nicht mehr als Geheimtipp. Schon seit einigen Jahren spielt Südkorea seine eigene Rolle in der Filmproduktion.
Die phantastischen Filme aus den Reichen der aufgehenden Sonne konfrontieren ihre Zuschauer mit zwei grundsätzliche Tatsachen. Die eine ist simpel: Budgets wie in Hollywood stehen den asiatischen Filmemachern nicht zur Verfügung. Das macht sich u. a. in der Tricktechnik bemerkbar, die entweder noch stark auf 'Handarbeit' basiert oder deutlich durchschaubare digitale Effekte präsentiert.
Vor allem aber gibt es im Osten und im Westen grundlegende Unterschiede in der Erzählung bzw. in der filmischen Umsetzung einer Geschichte. Das betrifft die Form ebenso wie das Schauspiel. Asiatische Zuschauer 'sehen' anders als das westliche Publikum. Sie wurden im Rahmen einer ganz eigenen Kultur und Filmgeschichte auf andere Reize und Chiffren 'trainiert'. Deshalb ist es beispielsweise im 21. Jahrhundert weiterhin möglich, Godzilla als Mann im Monsterkostüm durch eine Spielzeug-Landschaft toben zu lassen. Das ist definitiv nicht mehr zeitgemäß und durchaus lächerlich. Man muss und kann dies (auch als westlicher Zuschauer) allerdings ausblenden und sich blendend amüsieren.
Joon-ho Bong zeigt sich mit "The Host" als Regisseur einer Generation, die das asiatische Kino globalisieren will. Zumindest in Ausstattung, Technik oder Kamera orientiert er sich deutlich an westlichen Standards. Auf den Godzilla-Effekt wollte er sich keinesfalls stützen, sondern ein 'echtes' Monster kreieren, das nicht wie ein Festtags-Drache wirkt, der auf Stöcken getragen und bewegt wird. Der Gast aus dem Han-Fluss ist eine größtenteils bemerkenswert gelungene digitale Schöpfung, die in diversen Detailaufnahmen durch ausgeklügelte animatronische Kopf- und Körpermasken ergänzt wird. Verschiedene DVD-Features belegen die aufwändige Machart des Geschöpfes, die kaum Konzessionen an das aus westlicher Sicht lächerliche Budget machen. Der Regisseur arbeitete dafür sowohl mit dem neuseeländischen "Weta Workshop", der durch seine Arbeit für den Regisseur Peter Jackson mit Filmen wie der "Herr der Ringe"-Trilogie oder "King Kong" bekannt wurde, als auch mit der kalifornischen SF/X-Firma "The Orphanage" zusammen. Das Ergebnis ist erstaunlich; bewegt sich die Kreatur auf ihren Flossenbeinen, sieht man unter ihrer Haut die Muskeln arbeiten, die gegen die Erdschwerkraft ankämpfen. Sie kann sich mit ihrem Greifschwanz elegant an Brückengerüsten entlanghangeln und im offenen Tageslicht mit Schauspielern 'agieren', ohne sich dadurch als Illusion zu verraten.
Sehr zum Unterhaltungswert des mit zwei Stunden recht laufzeitlangen Films trägt ein Drehbuch bei, das die menschlichen Darsteller nicht zu eindimensionalen Heldengestalten oder Statisten degradiert. (Dazu weiter unten mehr.) Die eigentliche Story ist schlicht und orientiert sich an den klassischen Vorbildern des monsterbetonten phantastischen Films. Daneben gibt es eine Metaebene, die viel über den Alltag in einem für uns exotischen Land wie Südkorea aussagt. Seit 1948 ist Korea ein geteiltes Land, was von seiner traurigen Rolle als politischer Spielball der Supermächte Sowjetunion und USA kündet. Lange nach dem Ende des Koreakriegs sind die USA als 'Berater' im Süden weiterhin präsent, um die selbst mitgeschaffene Bedrohung durch den diktatorisch geführten Norden im Auge zu behalten. Auch Südkorea ist nicht für seine besonderer Beachtung der Menschenrechte bekannt. Die Regierung geht hart gegen Oppositionelle vor; die Figur Nam-il erinnert daran: Der ehemalige Student hat sich politisch engagiert. Jetzt ist er arbeitslos und steht womöglich auf einer schwarzen Liste.
Polizei und Militär, die Südkoreas Bürger eigentlich schützen sollen, stellt Joon-ho Bong eher als Gegner und Unterdrücker dar. Als Hie-bong Hilfe benötigt, wendet er sich lieber an das organisierte Verbrechen von Seoul. Die Behörden sind sowieso korrupt. Überall treiben Angehörige des US-Geheimdienstes ihr Unwesen. Überspitzt klingt auch hier Kritik durch, zumal dem Drehbuch von "The Host" ein realer Vorfall aus dem Jahre 2000 zugrunde liegt, als in Seoul stationiertes US-Militär chemische Abfälle einfach in den Han-Fluss einleitete. Auch die Verbrechen, derer sich die USA in Vietnam schuldig machten, sind nicht vergessen: Auf Drängen ihrer amerikanischen 'Ratgeber' wird trotz seiner schädlichen und nicht zu kontrollierenden Nebenwirkungen das Gift "Agent Yellow" gegen das Fischwesen eingesetzt - eine Reminiszenz an "Agent Orange", mit dem im Vietnamkrieg ganze Wälder entlaubt und zahllose Menschen vergiftet wurden. Solche Elemente werden dem Zuschauer aus westlicher Sicht ein wenig mit dem Holzhammer eingetrieben, aber sie treten nicht wirklich störend in den Vordergrund.
Uneingeschränkt positiv macht sich der 'asiatische' Stil des Geschichtenerzählens darin bemerkbar, dass die Handlung von "The Host" immer wieder mit den Erwartungen der Zuschauers spielt bzw. sie in die Irre führt. In einer (schon angedachten) Hollywood-Version würde das bittersüße Happy-End ganz sicher entschärft, dürfte der tapfere Vaters Kang-du damit rechnen, für seine Leiden und Kämpfe durch die Rettung seiner Tochter belohnt zu werden. Joon-ho Bong entschied sich in diesem Punkt für eine viel logischer wirkende, konsequente und mutige Auflösung, die mit den Konventionen des US-Kinos bricht.
Überhaupt kennt der Regisseur weder Furcht noch Ehrfurcht von den Regeln des Genres, die er nur dort beachtet, wo er es für richtig hält. So lässt er die Katze (= das Monster) nicht erst im Finale aus dem Sack, sondern zeigt es uns schon in den ersten Filmminuten - und zwar im hellen Licht und von allen Seiten.
Ironie ist ein Stilmittel, das richtig eingesetzt dem Horrorfilm gut zu Gesicht steht. Sie beschwichtigt jene Stimme der Vernunft, die uns einredet, dass wir kostbare Zeit mit unrealistischem Quatsch vergeuden. Der Bauchteil unseres Hirn kontert mit dem Hinweis auf die entspannende Wirkung von Unterhaltung, die bitte nicht bierernst genommen werden sollte. Erstaunlicherweise beeinträchtigt Humor den Horror nur dort, wo er die Oberhand bekommt oder in Klamauk umschlägt (der "Scary-Movie-Demenz-Faktor"). Ansonsten löst er die Spannung, sodass der Schrecken umso härter zuschlägt, wenn er erneut die Szene beherrscht.
Der asiatische Humor ist entweder komplex oder unverständlich; dem westlichen Zuschauer kommt er in der Regel schrecklich albern vor. Das liegt einmal mehr an der besonderen Darstellungsweise von Gefühlen in der asiatischen Kultur. (Auch dazu mehr weiter unten.) Joon-ho Bong, der in diesem Punkt der Konvention gehorcht, versucht sich immerhin mehrfach an visuellen Gags, die wirklich neu sind und zünden. Dabei scheut er um des Effektes willen nicht vor Übertreibungen zurück, die manchmal eines Quentin Tarantinos würdig sind. In einer Szene kämpft sich Kang-du aus einem Versuchslabor frei. Als sich dessen Türen öffnen, entpuppt sich dieses als in der Öde abgestellter Container - und Kang-du steht vor einer Legion grimmiger, schwer bewaffneter Wächter, die sich allerdings gerade auf einer improvisierten Grillparty vergnügen, was eine Flucht möglich macht.
Angedeutet wurde es schon mehrfach: "The Host" ist ein Film von hoher handwerklicher Qualität im Dienst einer gediegenen Story, der indes aus Sicht des westlichen Zuschauers unter dem asiatischen Verständnis von Schauspielkunst leidet. An dieser Stelle kann diese nicht in der ihr gebührenden Breite erläutert werden. Das oft monierte 'Overacting', die melodramatisch, groteske, im Westen als Schmiere oder Charge beklagte Übertreibung von Gefühlen ist ihr fester Bestandteil. Nur so lässt sich erklären, wieso zum Beispiel die Trauer um die scheinbar getötete Hyen-seo in einer Szene gipfelt, in der sich Großvater, Vater, Onkel und Tante buchstäblich auf dem Boden wälzen.
Dass dies kein schauspielerisches Unvermögen ist, beweisen die Darsteller in vielen bewegenden Momenten. Im Gedächtnis bleibt Hie-bongs wortlose, resignierende Geste des Abschieds an seine Kinder, bevor das Monster ihn erwischt. Erstaunlich unsentimental spielt auch die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 13-jährige Ah-sung Ko in der Rolle der Hyun-seo.
Überhaupt entspricht "The Host" durch die überaus sorgfältige Charakterisierung der Hauptfiguren gar nicht dem Klischee eines simplen Horrorfilms. Jedes Mitglied der Familie Park wird uns vorgestellt. Wiederum gelingt dabei manche Überraschung. Lange halten wir Kang-du für einen Trottel und Loser, bis uns Hie-bong darüber aufklärt, dass sein Sohn unter den Folgen von Vernachlässigung, Eiweißmangel und Prügel leidet - eine Kindheit, die der Vater verschuldete, was er sich nicht verzeihen kann. Der feindselige Nam-il lässt seine Frustration über die verpatzte Karriere und den Neid auf Kang-dus Vaterschaft an seiner Familie und seinem älteren Bruder aus. Nam-ju wird niemals eine Goldmedaille gewinnen, weil sie im entscheidenden Moment zur Zögerlichkeit neigt. Hie-bong liebt ihren Vater, aber sie verachtet ihn auch, weil er so gar keine Respektsperson ist. Seine Zuneigung hat sie immerhin verinnerlicht; als ihr, die selbst in die Gewalt des Monsters geraten ist, ein Waisenkind an die Seite gestellt wird, wächst sie über sich selbst hinaus und beschützt es, obwohl dies ihr eigenes Leben bedroht.
Solche Aspekte gilt es zu berücksichtigen, wenn ein Film wie "The Host" objektiv kritisiert werden soll. Dennoch darf in dem Versuch, das 'Produkt' einer fremden Kultur angemessen zu beurteilen, das Pendel nicht zu weit in die falsche Richtung ausschlagen. "The Host" hat seine Schwächen. Die Geschichte ließe sich im Mittelteil raffen. Wenn das Monster in Flammen steht, ist sein glaubwürdiges Auftreten dahin. Der Virus-Aspekt der Story wird überreizt; irgendwann wird Kang-du sogar einer Hirn-Biopsie unterzogen, die der böse, böse US-Arzt angeordnet hat, der zu diesem Zeitpunkt weiß, dass es gar kein Virus gibt. Nein, ein Meisterwerk der Filmgeschichte wird uns nicht vorgestellt. Nichtsdestotrotz ist "The Host" wunderbares Unterhaltungskino auf überdurchschnittlichem Niveau, das durch seine exotische Kulisse zusätzlich gewinnt.
Daten
Originaltitel: Gwoemul
Süd-Korea 2006
Regie: Joon-ho Bong
Drehbuch: Chul-hyun Baek, Joon-ho Bong u. Won-jun Ha
Kamera: Hyung-ku Kim
Schnitt: Seon Min Kim
Musik: Byung-woo Lee
Darsteller: Kang-ho Song (Park Kang-du), Hie-bong Byeon (Park Hie-bong), Hae-il Park (Park Nam-il), Ah-sung Ko (Park Hyun-seo), Du-na Bae (Park Nam-ju), David Joseph Anselmo (Donald) uva.
Label: MFA+ Filmdistribution
Anbieter: Eurovideo
Erscheinungsdatum: 24.07.2007 (Verleih-DVD) bzw. 20.09.2007 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 2.0 (Koreanisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 115 min.
FSK: 16
DVD-Features
Gleich sieben Featurettes ("The Fellowship of the Weta", "How to Create the Creature", "Degari Head Puppet Animatronics", "Kevin Rafferty's Living in Korea", "The Creature Luring the People", "Cannes Film Festival Scetch", "Meet with British Critic") werden dem Zuschauer beschert, die über die ungewöhnliche Vorgeschichte und die Herstellung von "The Host" informieren und die vor und vor allem hinter der Kamera daran Beteiligten zu Wort kommen lassen. Die Freude über diesen Service hält sich dennoch in Grenzen: Welchen Sinn macht es, solche Features aufzuspielen, wenn man sie dabei im Originalton belässt? "The Host" ist eine südkoreanische Produktion, und es dürfte nicht gerade viele deutsche Zuschauer geben, die der Sprache dieses Landes mächtig sind. Untertitel sind dringend erforderlich, wurden aber - zweifellos aus Kostengründen - nicht realisiert. Glücklicherweise taucht hin und wieder ein neuseeländischer oder US-amerikanischer Filmmann auf, dessen (koreanisch untertitelte) Worte wenigstens Anhaltspunkte dazu liefern, worum es gerade geht.
- Redakteur:
- Michael Drewniok