House of Usher, The
- Regie:
- Cloake, Hayley
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
1 Review(s)
02.07.2008 | 15:58Das geschieht:
Die Ushers gehören zum uralten neuenglischen Adel, doch scheint ihre Familie verflucht, denn schon in jungen Jahren verfallen ihre Angehörigen dem Wahnsinn, um schließlich früh ins Grab zu sinken. Erst 26 Jahre alt war Madeline, als sie dieses Schicksal ereilte. Nun ist ihr Bruder Roderick der Letzte der Ushers, doch auch er zeigt bereits deutliche Zeichen der mysteriösen Krankheit.
In seiner Einsamkeit und Not bittet Roderick Jill Michaelson um die Rückkehr ins Haus Usher. Die junge Psychotherapeutin war einst seine Geliebte, bis Roderick die Beziehung vor drei Jahren abrupt und ohne Angabe von Gründen abbrach. Da Madeline bis zu diesem Zeitpunkt ihre beste Freundin war, leistet Jill der Einladung Folge. Außerdem will sie endlich in Erfahrung bringen, wieso Roderick sie verlassen hat.
Der Herr des einsam gelegenen Hauses zeigt sich sehr erfreut über Jills Erscheinen; eine Empfindung, die Mrs. Thatcher, seit drei Jahrzehnten Haushälterin der Ushers, definitiv nicht teilt: Mehrfach fordert sie Jill auf zu verschwinden, während Jill eine verdächtige Intimität zwischen Mrs. Thatcher und Roderick, den diese auch medizinisch versorgt, festzustellen meint ...
Doch stärker zu schaffen macht Jill die Vermutung, dass es im Haus Usher umgeht: Die Gestalt einer weiß gekleideten Frau erscheint ihr, in der Jill die verstorbene Madeline vermutet. Roderick weist dies zurück; er bemüht sich stattdessen, die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Eine Mischung aus nie überwundener Liebe und Mitleid mit dem Kranken lässt Jill dem nachgeben - eine Entscheidung, die nicht lange ohne Folgen bleibt. Erst zu spät erkennt Jill das wahre Geheimnis der Ushers und den Grund für den Familienfluch, aber da ist es längst zu spät, um das Haus zu verlassen ...
Der wahre Fluch des Hauses Usher
1839 veröffentlichte Edgar Allan Poe (1809-1849), den die Literaturkritik als einen der bedeutendsten Schriftsteller und Dichter des 19. Jahrhunderts betrachtet, die Kurzgeschichte "The Fall of the House of Usher" (dt. "Der Untergang des Hauses Usher"): Roderick, nach dem Tod der Schwester der Letzte seines Geschlechts, bittet seinen einzigen Freund, ihm Gesellschaft zu leisten. Der namenlose Erzähler betritt ein von Dekadenz und Verfall gezeichnetes Haus mit einem langen Riss in der Fassade, der die Labilität der Ushers symbolisiert: Im Inneren geht der Wahnsinn um, der schließlich triumphiert, als die scheintot begrabene Schwester aus ihrem Sarg steigt, der Bruder am Schock stirbt und das verfluchte Haus einstürzt.
Keine Sorge, diese kurze Inhaltsangabe ist kein Spoiler, denn Regisseurin Hayley Cloake - für ihren in deutscher Sprache anrüchigen Namen kann sie nichts - setzt die Akzente in ihrer Verfilmung von 2006 anders. Geistesgestörtheit spielt zwar auch hier eine große Rolle, doch er findet eine 'logische' Erklärung, die sich Poe klug sparte: Seine Geschichte lässt Raum für viele Interpretationen; eine Möglichkeit, die seit Generationen von entsprechend motivierten Lesern eifrig genutzt wird.
Was Miss Cloake daraus machte
Auch Cloakes Deutung der Ereignisse ist keineswegs neu. Was man ihr zum Vorwurf machen kann, ist deshalb primär die Unfähigkeit, dem Geist von Poe, den sie selbst heraufbeschwor, auch nur einigermaßen gerecht zu werden. Dass "The House of Usher" ein Höhepunkt der Literaturgeschichte ist, hat die Regisseurin eindeutig begriffen und verinnerlicht. Die Inszenierung verrät den Willen, die Atmosphäre der 'Action' vorzuziehen, wie es die Vorlage rät, die meisterhaft demonstriert, dass Furcht vor allem eine Emotion ist, die im Kopf entsteht - im Kopf der Bewohner des Hauses Usher aber auch im Kopf des Lesers, der die Geschichte der Ushers verfolgt.
Cloake hat das Geschehen ins 21. Jahrhundert transponiert, was die Story problemlos verkraftet. Neuengland ist altes Siedelland und reich an großen, düsteren Häusern prominenter Familien, die vornehm zurückgezogen leben wollten. Für die Regisseurin ist ohnehin nicht das Haus Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse. Sie konzentriert sich auf die Menschen, die in ihm leben. Sie sind die Quellen des Grauens, das durch knarrende Dielen, geheime Zimmer oder düstere Winkel nur verstärkt wird.
Wahnsinn ins Gesicht geschrieben
Schon Poe verließ sich nicht auf die Andeutung geistiger Umnachtung. Von Anfang an ist klar, dass Roderick Usher nicht 'normal' ist. Als Auslöser der Ereignisse dürfte ihn auch die Leserschaft von 1839 eindeutig erkannt haben. Im Zusammenspiel seiner eindrucksvollen literarischen Fähigkeit schuf Poe dennoch eine Geschichte wachsender Spannung mit einem überraschenden Finale.
Im 21. Jahrhundert ist das Publikum nicht nur deutlich hartgesottener, sondern hat auch mehr als 150 Jahre Erfahrung mit den Methoden der literarischen und später filmischen Erzeugung von Angst. Außerdem gehört "Der Untergang des Hauses Usher" zu den Klassikern der Literatur und wird ständig neu gedruckt. Auch dem Bücherlesen abholde Simser dürften die Story kennen, denn Roger Cormans Verfilmung von 1960 ist zwar alt, aber gelungen und gehört zum festen Wiederholungs-Repertoire der TV-Sender dieser Welt. (Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere, auch jüngere Verfilmungen.)
Das schmälert den Überraschungseffekt für jene, die sich der Geschichte neu annehmen. Hält man sich mehr oder weniger an die Vorlage oder behält man nur den berühmten Titel und den klangvollen Namen "Poe" bei und spinnt sein eigenes Garn? Cloake versucht den Spagat und scheitert. Was stilvoll beginnt, endet als Schema-F-Gruselfilm der B-Kategorie. Sogar der 'schockierende' Final-Gag fehlt nicht.
Was ist schiefgegangen?
Die gute Absicht der Regisseurin steht fest. Sie hat sich wirklich um einen Film bemüht, der eben nicht auf der Jason-Jigsaw-Schiene laufen sollte. Geistergrusel gilt als altmodisch, was freilich in diesem Zusammenhang keine negativ besetzte Eigenschaft sein muss: Auch die Zuschauer der Jetztzeit lassen sich gern erschrecken, ohne dass dafür geköpfte Leichen aus dem Off purzeln müssen.
"Kunst" ist ein oft und gern verwendeter Begriff. In der Regel wäre "Handwerk" die bessere Bezeichnung, denn Kunst zu schaffen vermögen nur wenige Menschen. "The House of Usher" ist ein guter Beleg: Eine klassische Vorlage ergibt nicht automatisch einen besonderen Film. Poe hatte seine Story jederzeit im Griff, denn genau das schrieb er: eine Story, die innerhalb weniger Seiten auf den Punkt kam. Cloake dreht daraus einen immerhin 80 Minuten laufenden Film, für den sie die Vorlage einerseits auswalzen und andererseits 'verlängern' muss. Drehbuchautor Chang ergänzt die Geschichte um entsprechende Elemente, die man als solche sogleich erkennt und die der Stimmung abträglich sind.
Anspruch lässt sich nicht durch den forcierten Einsatz 'künstlerischer' Stilmittel erzwingen. "The House of Usher" wurde filmtechnisch seiner natürlichen Farben weitgehend beraubt. Die Blässe der Bilder soll die bedrückende und bedrohliche Stimmung verstärken; auch das ist ein 'Trick', der als solcher erkannt und - weil übertrieben - missbilligt wird.
Wohl kein Stilmittel ist die Grobkörnigkeit der Bilder, die Details vermissen lassen und wie für das qualitätsarme US-Fernsehen gedreht wirken. Hier macht sich bemerkbar, dass "The House of Usher" in Eile und mit einem winzigen Budget entstand. Das spiegelt auch die sparsame Kulisse wider, die sich weitgehend auf das Haus Usher und seine Umgebung beschränkt. Spezialeffekte gibt es kaum, Licht und Schatten sollen sie ersetzen, wie es sich für eine gute Geistergeschichte gehört, krude aber wenigstens sparsam eingesetzte Musik fördert eher Zahnschmerzen als das Zusammenzucken.
Ein Kammerspiel mit beschränkter Teilnehmerzahl
"The House of Usher" ist über weite Filmstrecken ein Drei-Personen-Stück. Im Mittelpunkt stehen Roderick Usher und Jill Michaelson. Austin Nichols soll den traurigen, geheimnisvollen, beängstigenden aber gleichzeitig faszinierenden Lover darstellen, wirkt aber meist wie ein verdrossen schmollendes großes Kind, das nach der Mutter ruft, wenn es seinen Willen nicht bekommt.
Die wird durch Mrs. Thatcher vertreten, eine Figur, die in der Poe-Story nicht existiert und die man auch nicht vermisst hat. Beth Grant orientiert sich in ihrer Darstellung an der bemerkenswerten Leistung von Judith Anderson als Mrs. Danvers in Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Rebecca" (1940). Sie leistet als Haushälterin, die Roderick mit verdächtig wirkender Fürsorglichkeit bedenkt und ihn von der Außenwelt abschirmt, schauspielerisch solide Arbeit, doch was nützt ihr das, wenn sie das Drehbuch meist dazu verdammt, die arme Jill aus dunklen Winkeln rüde anzufauchen?
Izabella Miko (alias Izabella Anna Mikolajczak, geboren im polnischen Lódz) leistet tapfer Dienst nach Vorschrift und mimt den allmählichen Verfall einer selbstständigen Persönlichkeit samt abrupter Wiederauferstehung, als Jill endlich - der Film neigt sich seinem Ende zu - über die Erklärung hinter den Ereignissen quasi stolpert. Damit zumindest das männliche Publikum ihre endlosen Streifzüge durch das nächtliche Haus besser goutiert, schläft Jill im knappen Slip und lässt bald den Morgenmantel hängen. Im Finale entwickelt sie beachtliches Talent als Scream-Queen, was freilich der ursprünglichen Intention dieses Films den Todesstoß versetzt. Womöglich weckt sie sogar den Teil des Publikums, der inzwischen selig schlummert und damit die bessere Wahl getroffen hat als die wach gebliebenen und zu Recht brummigen Zuschauer.
Daten
Originaltitel: The House of Usher (USA 2006)
Regie: Hayley Cloake
Drehbuch: Colin Chang
Kamera: Eric Trageser
Schnitt: Jo Francis
Darsteller: Austin Nichols (Roderick Usher), Izabella Miko (Jill Michaelson), Beth Grant (Mrs. Thatcher), Stephen C. Fischer (Rupert Johnson), Danielle McCarthy (Madeline Usher), Elizabeth Duff (Schwester Lambert), Robin Kurian (Shay), Ann Richardson Howland (Edith) uva.
Label/Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment (www.ascot-elite.de)
Erscheinungsdatum: 04.03.2008 (Verleih-DVD) bzw. 17.04.2008 (Kauf-DVD)
EAN: 4048317351350 (Leih- u. Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: ca. 80 min
FSK: 16
DVD-Features
Das übliche "Making-of" fehlt, stattdessen erläutert Regisseurin Cloake per Audiokommentar ihren Film und schildert uns Absichten, die sie in der Regel nicht verwirklichen konnte. Einige geschnittene Szenen sind tatsächlich nichts als Filmabfall. Der englische und deutsche Kinotrailer bemühen sich wie üblich, den Zuschauern ein Filmerlebnis vorzugaukeln, das diese, sofern auf diesen alten Trick hereingefallen, später schmerzlich vermissen werden.
- Redakteur:
- Michael Drewniok