Insel, Die
- Regie:
- Michael Bay
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Island
1 Review(s)
28.07.2005 | 08:26Im Jahre 2019 – also in 14 Jahren – merkt ein geklonter Mensch namens Lincoln Six-Echo, dass etwas mit seiner Welt nicht stimmen kann. Seine Welt des Wohnturms ist wohl geordnet und total überwacht. Als er seinem Psychiater Dr. Merrick von seinen Albträumen erzählt, entdeckt er eine Erinnerung, die er nicht zuordnen kann – woher kommt sie? Was er nicht weiß, aber Dr. Merrick ungemein beunruhigt, ist die Tatsache, dass ein Klon der fünften Produktlinie (= E wie Echo) über Erinnerungen seines Originals verfügt.
Als viel schlimmer aber erweist sich, dass Lincoln Six-Echo neugierig ist, viel zu neugierig, um es in seiner Wohnturm-Welt auszuhalten. Ist "Die Insel", die man ihnen als Lotteriegewinn verspricht, wirklich existent – oder nur eine Gaukelei der Manager von Lincolns Welt? Doch worüber und wozu täuscht man sie? Als er mit seiner Freundin fliehen kann, findet er es heraus.
Filminfos
O-Titel: The Island (USA 2005)
Deutscher Kinostart: 04.08.2005
Info: www.dieinsel-derfilm.de
Studio: Warner Bros. Pictures & Dreamworks Pictures
Laufzeit: ca. 137 Minuten (inkl. 8 Minuten Abspann)
Regisseur/Ko-Produzent: Michael Bay ("Armageddon", "Pearl HArbor")
Drehbuch: Alex Kurtzman, Roberto Orci, Caspian Tredwell-Owen
Musik:Steve Jablonsky
Kamera: Mauro Fiore
Darsteller:
Ewan McGregor spielt Lincoln Six-Echo und Tom Lincoln
Scarlett Johansson spielt Jordan Two-Delta und Sarah Jordan
Djimon Hounsou spielt Albert Laurent
Sean Bean spielt Dr. Merrick
Steve Buscemi spielt Techniker McCord
Michael Clarke Duncan spielt Starkweather
Handlung
Lincoln Six-Echo (McGregor) träumt schlecht. In seinem sich ständig wiederholenden Traum fährt er zunächst mit einem schnittigen Rennboot über ein blaues Meer, und eine wunderschöne Frau leistet ihm Gesellschaft. Doch urplötzlich gerät alles aus dem Lot. Die Frau verschwindet, er findet sich im Wasser wieder, in dem er fast ertrinkt, und unbekannte Männer reden ihm ein, er sei etwas Besonderes. Dann erstickt er – um zu erwachen.
Lincoln bekommt einen Arzttermin bei Doktor Merrick. Der Zentralcomputer hat durch das Sensorarmband festgestellt, wie es um Lincoln steht. Wie jeden Morgen steht er auf, um in der Gemeinschaftskantine seines Wohnturms sein Frühstück zu holen und einzunehmen. Und wie jeden Morgen scheitert er beim Versuch, gebratenen Speck als Zugabe zu erhalten. Damit hat seine Freundin Jordan Two-Delta (Johansson) viel mehr Erfolg; sie gibt ihm vom Speck ab. Was würde er nur ohne sie machen? Er würde ihr gerne näher sein, doch ein Annäherungsalarm verhindert das, und die allgegenwärtigen Hüter sorgen für Abstand.
Nun, sein sehnlichster Wunsch besteht wie bei all den anderen Tausenden von Wohnturmbewohnern darin, auf die Insel zu dürfen. Er weiß, dass die Umwelt, von der er sorgsam abgeschottet lebt, nach einem Krieg verseucht ist und sie im Wohnturm die einzigen Überlebenden sind. Und das einzige unverseuchte Gebiet ist die Insel, die ständig vom Zentralcomputer in verführerischen Farben gezeigt wird. Doch wie gelangt man in dieses Paradies? Indem man in der Lotterie gewinnt. So wie Starkweather (Michael Clarke Duncan) etwa.
Lincoln ist schon drei Jahre hier und hat noch nie gewonnen. Deshalb kommt es nicht nur ihm ungerecht vor, dass Starkweather schon nach einem halben Jahr gewonnen hat. Aber er hat einen Ausgleich, von dem selbst Dr. Merrick nichts ahnt: Mit einem Techniker namens McCord (Buscemi) kann er sich einen starken Drink hinter die weiße Binde, die alle Bewohner tragen, kippen und ein wenig Spaß haben. McCord raucht sogar. Und als eine große Motte im Versorgungstrakt auftaucht, ahnt Lincoln, dass die Umwelt da draußen wohl doch nicht so kontaminiert sein kann, wie man ihm ständig erzählt. Also, wozu sind dann alle wirklich hier?
Vielleicht hat Dr. Merrick (Sean Bean) eine Antwort. Er lässt Lincoln von seinem Albtraum erzählen und die Rennjacht zeichnen. Die Skizze gelingt erstaunlich gut, doch was sowohl ihn als auch Merrick verwirrt, ist der lateinische Name des Bootes: Renovatio (Wiedergeburt). Lincoln hat nie Latein gelernt. Allmählich kommt Merrick ein unheimlicher Verdacht: Verfügt nicht nur Lincoln, sondern die gesamte Echo-Generation an Klonen über einen genetischen Webfehler, der dazu führt, dass Erinnerungen des Originals an die Kopien weitergegeben werden? Der originale Tom Lincoln (ebenfalls McGregor) ist Bootsbauer …
Die Lage Lincolns gerät an einen Wendepunkt, als er entdeckt, wo die Motte hergekommen ist: aus dem medizinischen Trakt des Komplexes. Und so entdeckt er die grausige Wahrheit, die sich hinter der Lotterie verbirgt. Alle Klone werden getötet, um als lebendes Ersatzteillager zu dienen – auch die frischgebackenen Mütter.
Kurz darauf werden die Namen von Lincoln und Jordan in der Lotterie gezogen. Jetzt heißt es "abhauen oder geschlachtet werden". Wird ihre Flucht sie in eine verseuchte Wüste oder ins Paradies führen? Die von Merrick angeheuerten Jäger (Djimon Hounsou etc.) sind ihnen bereits auf den Fersen.
Mein Eindruck
~ Wie einst Arnie ~
Wandelt Michael Bay neuerdings auf den Spuren von Arnold Schwarzenegger? In dessen Blockbuster "The 6th Day" wurden bekanntlich ebenfalls Klone als lebendes Ersatzteillager herangezüchtet – und das Original danach in aller Regel "entsorgt". Doch der Wissenschaftler (Robert Duvall), der diese Technik perfektioniert hat, will im Grunde nur seiner sterbenskranken Frau zu ewigem Leben verhelfen.
Und darum geht es auch den Kunden in "Die Insel": Die Originale von Lincoln Six-Echo und Jordan Two-Delta wissen, dass sie nicht mehr lange zu leben haben. Sie haben mit dem Merrick-Institut eine Lebensversicherung abgeschlossen: eben ihre jeweiligen Klone. Dass diese nun ausgebüxt sind und bei ihm selbst, Tom Lincoln, aufkreuzen, findet der Versicherungsnehmer keineswegs lustig.
~ Doppeltes Lottchen, oder was? ~
Dafür darf sich aber der Zuschauer königlich amüsieren. Denn als sich Lincoln und Lincoln begegnen, sehen wir sie natürlich dank moderner Tricktechnik im gleichen Raum, in der gleichen Ausleuchtung – und beide reagieren aufeinander, als wäre das Gegenüber tatsächlich anwesend. Die Illusion ist perfekt. Um die beiden unterscheiden zu können, bedient man sich der Sprache: Tom Lincoln ist Schotte und sagt "shite", wenn er "shit" meint. (Wie das die Synchronisation handhabt, wird sehr interessant sein.) Sein Klon redet Amerikanisch und somit höchst verständlich.
Als der Leiter der Jägertruppe (Djimon Hounsou) die beiden stellt und endlich den finalen Schuss anbringen will, sieht er sich vor einem Dilemma, das ganz schnell ganz peinlich werden könnte: Beide sehen gleich aus, reden sogar gleich (Six-Echo lernt rasend schnell) und behaupten natürlich beide, der einzig wahre Tom Lincoln zu sein. Erst als einer der beiden das Klon-Armband trägt, kann sich der Killer entscheiden. Aber ist es die richtige Entscheidung? Das könnte noch recht lustig werden …
~ Die Entwicklung der Figuren ~
Einer der wichtigsten Aspekte, der den Film nicht zu einer Dummschwätzer-Actionorgie wie "Bad Boys II" verkommen lässt, ist erstens diese permanente Unsicherheit aufgrund von Täuschungen und zweitens die unablässige Weiterentwicklung der zentralen Figuren. Dass Six-Echo aufgrund seiner Neugier schnell lernt, wurde bereits gesagt. Dass dies aber auch Two-Delta möglich ist, erstaunt ein wenig, denn ihr fehlt die Gabe der Neugier. Nennen wir es also weibliche Wissbegier, die sie dazu treibt herauszufinden, was es mit dieser seltsamen Sache namens "Sex", von der Tom Lincoln faselt, auf sich hat. Denn den Klonen wurde jede sexuelle Begierde ausgetrieben, als sie indoktriniert wurden. Dass dieses Supermodel namens Sarah Jordan, für das Tom Lincoln den Klon hält, noch Jungfrau sein soll, fasziniert ihn ganz besonders. Keine spezifisch schottische Reaktion, fürchte ich.
Eine weitere wichtige Wandlung im Charakter einer Figur betrifft Albert Laurent, den Chef der Jäger. Im Gegensatz zu zahllosen anderen Action-Movies verfügt der Mann über eine Vergangenheit, die ihn zu einer überraschenden moralischen Entscheidung befähigt. Mehr soll nicht verraten werden. Aber als er herausfindet, dass es sich bei den gejagten Klonen gar nicht um hirnlose "Organbanken" handelt, sondern um denkende und fühlende Menschen, ändert er seine Meinung, was zu geschehen hat. Natürlich liefert Merrick ihm (und somit uns) eine plausible Erklärung, warum die Klone denken und fühlen müssen: weil sich sonst ihre Organe und Hormone nicht wie gewünscht entwickeln. Was natürlich höchst zynisch gedacht ist: Die eigentlichen menschlichen Werte sind von untergeordneter Bedeutung, sozusagen verzichtbarer, aber leider Gottes notwendiger Luxus.
Dass dieser Action-Sommerhit so viel Spaß macht, liegt nicht zuletzt auch an Steve Buscemi. Man stelle sich die Szene vor, in der die beiden ausgebüxten Klone bei ihm auf dem heimischen Sofa hocken – wie zwei kleine Kinder, die null Ahnung vom richtigen Leben da draußen haben. Und er, McCord, darf sie über die "Fakten des Lebens" aufklären. Was natürlich nicht ganz einfach ist. Diese Szene meistert Buscemi bravourös, und er ist wohl der einzige Schauspieler heutzutage, der sie sowohl amüsant als auch glaubwürdig bewältigen kann. Denn McCord befindet sich in einem tiefen Zwiespalt: Sein Lebensunterhalt hängt von dem Drecksjob für Merrick ab, doch andererseits bringt er es nicht übers Herz, diese beiden ahnungslosen Menschenkinder vor ihm zu denunzieren und der Vernichtung preiszugeben.
~ Voll die Action, ey! ~
Es bedarf wohl keiner gesonderten Erwähnung, dass ein Michael-Bay-Film, der in der nahen Zukunft spielt, jede Menge Action und geile Gadgets vorzuweisen hat. Hier kommen die Gamer-Junkies voll auf ihre Kosten. Aber die Autobahnverfolgungsjagd hat man nun schon x-mal gesehen. Spätestens die Zerstörungsorgien in "Matrix Reloaded" und "Bad Boys II" dürften das Nonplusultra gargestellt haben. Wesentlich kniffliger war wohl die Szene, in der Six-Echo und Twoi-Jordan im riesigen R eines Firmen-Logos an der Fassade eines Wolkenkratzers sitzen/stehen/kauern und von Schützen ringsum unter Beschuss genommen werden. So lange, bis die Halterung des Logos zerfetzt wird und bricht … Der ganze Schlamassel stürzt in die Tiefe. Eine der gefährlichsten Szenen des gesamten Drehs, kein Zweifel. Und Schwerstarbeit für die Trickspezialisten.
~ Schon wieder Arnie ~
Das Finale des Film spielt wieder im Wohnturm "Centerville". Es erinnerte mich derart frappant an das Finale von "Total Recall", dass ich mir den Rest schon zehn Minuten vorher denken konnte. Schon wieder wandelt Michael Bay auf den Spuren von Big Arnie. Man könnte jetzt Wetten abschließen, ob er "Terminator 4" drehen wird, aber die Quote wäre wohl zu schlecht.
Unterm Strich
Es gibt sicherlich tiefgründigere Filme über Klone und Streifen mit härterer Action, aber es gibt nur wenige SF-Thriller, die rasante Action mit einem zum Nachdenken anregenden Grundthema (würde ich einen Klon ausbeuten, wenn ich dafür hundert Jahre länger leben könnte?) auf durchaus spannende und humorvolle Weise verbinden. Man kann zwei unterhaltsame Stunden im Kino sicher auch mit Stricken verbringen, aber ein Michael-Bay-Filme bietet dafür wesentlich mehr fürs Auge und fürs Ohr. Diesen Streifen sollte man sich vor einer Großbildleinwand und mit einem anständigen Soundsystem – vorzugsweise DTS – gönnen. Zwei abwechslungsreiche Stunden sind einem sicher. Und hinterher hat man keine wunden Finger.
- Redakteur:
- Michael Matzer