Land of Plenty
- Regie:
- Wim Wenders
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland, USA
- Originaltitel:
- Land of Plenty
1 Review(s)
17.01.2008 | 20:47Einführung:
Ich habe, nachdem ich "Land Of Plenty" gesehen habe, wirklich erst etwas warten müssen, um mit der nötigen Distanz ein gerechtes Review zu Wim Wenders Film schreiben zu können.
Unter normalen Umständen hätte ich diesen Film sicher nicht gekauft, denn das Thema Terroranschläge und die Verhältnisse in den USA danach stellen für mich so etwas wie ein rotes Tuch dar – und mit so etwas will ich bei meinem Lieblingshobby nicht unbedingt auseinander setzten. Egal, der Film ist nun mal von Wim Wenders, einem unserer besten Regisseure.
Ich muss sagen, dass mich der Film wirklich überrascht hat – und zwar im positiven Sinn. Aber das kann ich im Kritik-Teil näher begründen.
Handlung:
Die "Story" beginnt in Los Angeles ein paar Jahre nach den Terroranschlägen am 11.09. von New York. Der ehemalige Vietnam-Kriegsteilnehmer Paul (John Diehl) hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, seine Mitbürger vor Terroristen zu schützen und hat deswegen seinen Van zu einer rollenden Überwachungsstation ausgebaut, um seine Mitbürger genau zu beobachten.
In seiner Paranoia ist er der festen Überzeugung, dass gerade wieder neue Anschläge geplant werden. Daher filmt und dokumentiert er penibel alle Bewegungen fremdländisch aussehender Menschen im Armenviertel von Los Angeles. Behilflich ist ihm dabei sein ehemaliger Untergebener Jimmy (Richard Edson), der die am Tag gesammelten Aufzeichnungen und die von verdächtig aussehenden Substanzen genommenen Proben analysiert und auswertet.
Und tatsächlich, ein Mann mit Turban trägt Kartons mit der Aufschrift "Borax" durch die Straßen – sehr verdächtig! Aus diesem Putzmittel lassen sich laut Aussage seines Helfers gefährliche Sprengsätze herstellen.
Zeitgleich kommt die 20-jährige Lana (Michelle Williams) in ihr eigentliches Heimatland – die USA - zurück. Sie war bereits einige Jahre nicht mehr zu Hause und kennt das Land nur aus der Zeit vor den Anschlägen. Zuletzt hat sie mit ihrer Mutter in Afrika und dem Nahen Osten gelebt und hat aus diesem Grund auch die in Amerika herrschende Stimmung nur am Rande mitbekommen. Jetzt ist sie auf der Suche nach ihrem Onkel, dem einzigen noch lebenden Verwandten, um ihm die Briefe ihrer sterbenden Mutter zu überbringen.
Lana wohnt vorerst in einer Mission im Armenviertel von L.A. und hilft dort Henry (Wendel Pierce), der diese Auffangstation der Ärmsten mit viel Idealismus leitet. Die Mission wird selbstverständlich auch von Paul überwacht, denn der "Borax"-verdächtige Turbanträger Hassan (Shaun Toub) ist dort ein häufiger Gast. Man kann ja nie wissen, wo die Fäden des Terrornetzwerkes zusammen laufen.
Es stellt sich schnell heraus, dass Paul Lana's gesuchter Onkel ist und als Hassan Opfer eines tödlichen Anschlages aus einem Auto wird, vermutet Paul natürlich gleich große Zusammenhänge mit dem Terrornetzwerk. Doch dadurch lernen sich Paul und Lana auch etwas näher kennen. Hassan war ein armer Mann und der einzige Verwandte, sein Bruder, wohnt in einer kleinen Stadt einige Meilen von L.A. entfernt. Auch der Bruder Hassan's, Youssef (Bernard White), ist arm und kann sich deswegen keine Überführung des Leichnams leisten um eine angemessenen Beerdigung stattfinden zu lassen.
Doch da kommt Lana auf die Idee, Hassan selbst mit dem Van ihres Onkels zu überführen. Paul stimmt sofort zu, denn er vermutet, dass die Hintermänner des Anschlags dort zu finden sind. Die beiden machen sich auf die Reise, natürlich aus unterschiedlichen Beweggründen.
Kritik:
Ich hatte ja so meine Bedenken aufgrund des ernsten Themas, doch Wim Wenders hat es doch tatsächlich wieder geschafft einen Film abzuliefern, der den Spagat zwischen reiner Unterhaltung, dokumentarischer Erzählung und authentisch eingefangener Atmosphäre spielerisch schafft. Dabei bleibt Wenders (fast) immer neutral, bringt aber auch, wenn es nötig ist, den einen oder anderen Kritikpunkt an den Verhältnissen in Amerika zur Sprache. Er liebt Amerika, und das merkt man in jeder Einstellung.
Der Zuschauer wird mit einem Amerika konfrontiert, das er im "normalen" Kino oder im Fernsehen so wohl noch nie gesehen hat. Als Locations dienten Wenders ein Armenviertel und eine verarmte bzw. heruntergekommene Kleinstadt. Alle Probleme Amerikas sind vertreten und werden dem Zuschauer schonungslos ins Wohnzimmer serviert.
Als die Atmosphäre bestimmendes Element kommt noch die allgegenwärtige und von der Regierung bewusst geförderte Paranoia und Angstmacherei vor Terror dazu. Jeder ist verdächtig und muss überwacht werden. Das hinterlässt natürlich Spuren in der Psyche und im Verhalten der Menschen. Auch diese Details bringt der Film so ausdrucksvoll zur Geltung, wie ich das in noch keinem anderen Film, der dieses Thema behandelt, gesehen habe.
Dann noch ein wirklich toller Einfall: Wenders bringt die aktuelle politische Stimmung Amerikas mittels fast beiläufigen Radiosendungen im Van von Paul dem Zuschauer näher. Sehr innovativ und ein weiterer Beitrag zur empfundenen Authentizität. Wie bei Wim Wenders Filmen üblich, wurden auch die Schauspieler mit Bedacht ausgewählt und sie passen in ihre Rollen wie die berühmte Faust auf's Auge. Auch der Score passt wie in allen Filmen von Wenders ideal.
Für mich war "Land Of Plenty" ein echtes Erlebnis und wirkt bis heute noch stark nach. Viel Stoff zum Nachdenken und man könnte sich fragen, ob in der Politik inzwischen auch bei uns nicht ähnliche Verhältnisse herrschen oder angestrebt werden.
Wieder ein Film, der mit viel Fingerspitzengefühl inszeniert wurde und trotzdem gut unterhält. Kein Wunder, dass der Film in Amerika nicht so erfolgreich lief – ein vorgehaltener Spiegel kann manchmal auch unangenehme Gefühle auslösen.
Die DVD:
Wie von diesem Label gewohnt bietet die DVD von Arthaus ein tolles und scharfes Bild, bei dem man Fehler mit der Lupe suchen muss. Kein Wunder, denn Wim Wenders hat beim Dreh von "Land Of Plenty" eine Digicam verwendet, was natürlich für ein optimales Ausgangsmaterial bürgt. Dadurch wirken aber die Lichtverhältnisse manchmal etwas unecht (mehr Infos darüber finden sich im Bonusmaterial). Arthaus hat aber das Optimum aus dem Bild herausgeholt und auch in dunklen Bildteilen sind alle Details zu erkennen.
Beim Ton dieses dialoglastigen Films konnte ich auch keine Mängel feststellen. Großartige Surroundeffekte braucht der Zuschauer natürlich nicht erwarten. Sie sind zwar vorhanden, aber eben nur bei den Außenaufnahmen oder wenn sich große Menschenmengen auf dem Bildschirm tummeln (z.B. in der Mission im Armenviertel).
Verfügbare Tonformate:
Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Englisch (Dolby Digital 5.1)
Kommentar (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Wie bei den DVDs der Wim Wenders-Edition von Arthaus üblich sind wieder qualitativ hochwertige Extras auf der DVD enthalten.
Die Extras:
- Deleted Scenes
- Kommentar von Wim Wenders
- Deutscher Trailer
- Deutscher Teaser
- Starinfos zu Wim Wenders, John Diehl, Michelle Williams, Richard Edson (jeweils Texttafeln)
- Interviews mit Wim Wenders, John Diehl, und Michelle Williams
- Musikvideo: Thom - This Is Not Berlin
- Geschnittene Szenen
- Über die Produktion (Wim Wenders über das Bildformat (selbst ablaufender Text)
- Digitale Kameraarbeit (4 Texttafeln))
- B-Roll
- Trailer weiterer Filme des Labels (Apostel!, In weiter Ferne, so nah!, Das große Fressen, Der Kontrakt des Zeichners, Mr. & Mrs. Smith, Million Dollar Baby, Die Ehe der Maria Braun, Spike Lees Spiel des Lebens)
Fazit:
Operation gelungen! Wim Wenders hat es doch tatsächlich geschafft, dieses für viele Menschen unangenehme Thema in eine unterhaltsame Geschichte zu packen, ohne den Ernst der in Amerika herrschenden Situation zu vernachlässigen. Ein paar Längen im Mittelteil muss ich aber doch kritisieren.
Technisch bietet dieser Film nicht so viel Spektakuläres wie z.B. "Don't Come Knocking", doch die eine oder andere bemerkenswerte Einstellung ist bei diesem Film auch enthalten. Der Film wirkt eben eher wie eine Dokumentation. Dies wird durch die etwas gewöhnungsbedürftigen Lichtverhältnisse, welche durch die Verwendung einer Digitalkamera entstanden sind, noch verstärkt.
Ein realistischer Blick in ein Amerika, den man selten oder niemals zu sehen bekommt. Wieder eine tolle Arbeit, Herr Wenders! Eine Empfehlung an alle, denen echtes, handgemachtes Kino und eine ruhige Erzählweise am Herzen liegt.
- Redakteur:
- Detlev Ross