Last Tunnel, The
- Regie:
- Éric Canuel
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Kanada
- Originaltitel:
- Le dernier tunnel
1 Review(s)
30.08.2005 | 08:27Nicht ganz der perfekte Bankraub
Die Geschichte beruht auf einem wahren Fall aus dem Jahr 1993, welcher "Der Coup des Jahrhunderts" genannt wurde. Fünf Männer planen den größten Raub in der Geschichte der Bank von Montréal. Angeführt werden sie von Marcel Talon, einem soeben aus dem Gefängnis entlassenen, ausgefuchsten Kriminellen. In monatelanger Arbeit graben sie einen Tunnel vom Abwassersystem der Stadt zum Tresorraum der Bank, wo 215 Millionen Dollar warten. Gelingt der Plan, wartet ein neues Leben auf die Fünf. Doch das Risiko ist hoch ... (Klappentext)
Filminfos
O-Titel: Le dernier tunnel (Kanada 2004)
Dt. Vertrieb: e-m-s
Verleihversion: 14.07.2005
Auslieferung der Kauf-DVD: 25.10.2005
FSK: ab 16
Länge: ca. 105 Min.
Regisseur: Éric Canuel
Drehbuch: Mario Bolduc, Paul Ohl, Marcel Talon
Musik: Michel Corriveau
Darsteller: Michel Côté, Jean Lapointe u. a.
Handlung
Nach 25 Jahren kommt der Bankräuber Marcel Talon wieder aus dem Gefängnis. An der Wand seiner Mietwohnung hängt er seine Erfolgsmeldungen auf, dann feiert er ein Wiedersehen mit seiner alten Freundin Maggy, der er verspricht, endlich damit aufzuhören. Sie sagt ihm klipp und klar, dass sie es nicht verwinden könnte, wenn er nochmal in den Knast müsste. Sie träumt von einem Häuschen im Grünen und einem selbstgenügsamen Leben mit Marcel.
Doch Marcel ist nur auf Bewährung draußen und hat ganz andere Pläne. Seit drei Jahren hat sein alter Kumpel Fred, der auch Maggy unterstützt hat, den nächsten großen Coup vorbereitet. Als nächsten trifft er sich nachts mit dem zwielichtigen Verbrecher Smiley, der im Smoking auftaucht. Sie steigen in die Kanalisation von Montreal, wo Marcel ihm sein nächstes Projekt zeigt: einen Tunnel, der von einem stillgelegten Sektor der Kanalisation zum Tresorraum der Mont Royal Bank führt. Und dort warten 200 Millionen Dollar darauf, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden.
Smiley soll die Finanzierung sichern, während sich Marcel und Fred sich um die Technik kümmern. Smiley steigt ein, vor allem weil Marcel einen Insider in der Bank hat, der ihm helfen wird, doch er besteht darauf, einen Cowboy namens Vincent Savard am Projekt zu beteiligen. Fred setzt seinen Neffen Regis als Techniker und Fahrer ein. Maggy traut Smiley nicht über den Weg. Sie soll Recht behalten.
Aber noch ahnt sie nichts von Marcels nächtlichen Aktivitäten. Sie glaubt, er müsse bis spät abends in einer Werkstatt arbeiten. Erst als seine Bewährungshelferin Annie Beaudouin bei ihr auftaucht, weil sie Marcel nicht finden kann, und sie warnt, sie solle sich nicht allzu sehr auf Marcel verlassen, beschleichen sie Zweifel an Marcels Ehrlichkeit.
Für den hundert Meter langen Tunnel haben die Verbrecher nur drei Monate Zeit, denn dann wird das Geld verlegt. In dieser Zeit müssen 70 Kubikmeter Erde und Stein bewegt und die komplette Infrastruktur installiert werden, um das Geld abzutransportieren. Eines Tages, als schon alles nach Plan läuft, muss sich Marcel Sorgen machen: Sein Freund Fred spuckt Blut - er hat Lungenkrebs.
Und wenige Tage spät erfährt er vom Tod Annie Beaudouins, der angeblich ein Selbstmord war. Doch Savard hat da ein wenig "nachgeholfen". Es kommt zu einer ernsten Konfrontation zwischen Marcel und Smiley. Als wäre das noch nicht genug, entdeckt auch noch Maggy, dass Marcel sie hintergangen hat: Sie findet seine Baupläne für die Bank und die Kanalisation und verlässt ihn.
Noch einen Tag bis zum großen Tag im Tresorraum der Bank. Doch Marcel hat gar nicht vor, alles heimlich, still und leise ablaufen zu lassen. Auch die Polizei hat die ihr zugewiesene Rolle zu spielen. Denn Marcel ist ein Profi. Aber er hat nicht mit Smileys Verrat gerechnet.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: DD 5.1 und 2.0
Sprachen: D, F
Untertitel: D
Extras:
- Originaltrailer
- Trailershow
Mein Eindruck
"The Last Tunnel" erzählt chronologisch, um erstens spannend und realistisch zu dokumentieren, wie es zu dem Jahrhundertraub kommen und wie er gelingen konnte, und zweitens um die Situation des führenden Kopfes der Verbrecher zu erhellen. Da Marcel Talon sogar einen Beitrag zum Drehbuch leistete, werden seine Motive halbwegs klar, aber auch die Gründe für sein Scheitern ergeben sich aus dem Geschehen.
Seine Bewährungshelferin hat ihn durchschaut: Er kann gar nichts anderes als zu rauben, und selbst im Knast hat er auf seinen nächsten Coup hingearbeitet. Aber das erklärt nicht, warum er überhaupt ein Räuber ist: Er will sich ja nicht an der Gesellschaft rächen oder den Robin Hood spielen. Er will einfach nur ein Leben in Wohlstand und Müßiggang leben. Ehrliche Arbeit liegt ihm nicht, kennt er nicht. Der Tunnelbau, der Raub: Das ist für ihn richtige Arbeit.
Leider wendet er sich an die falschen Leute. Smiley, sein Finanzier und Mitgräber, legt ihn aufs Kreuz, als für ihn der richtige Moment gekommen ist. In dieser Phase seines Meisterplans beginnen sich die Dinge für Marcel äußerst hässlich zu entwickeln, und ohne Fred wäre er sicherlich draufgegangen. Das ist der einzige plausible Grund, warum Marcel es nicht wie Smiley macht und ebenfalls türmt. Ganz anders als in Hollywoodstreifen entscheidet er sich gegen einen weiteren Verrat und für die Treue zu Fred. Maggy weiß bereits von der Polizei von dem Desaster in der Bank und ist dem Zusammenbruch nahe.
Der Streifen erinnert mich an jenen genialen deutschen Krimi "Die Gentlemen bitten zur Kasse", der in den sechziger Jahren den berühmten britischen Postraub dokumentiert, und zwar ebenfalls anhand einer sehr spannenden Spielhandlung. Das Konzept ist das gleiche, und es funktioniert immer noch gut. Auch an den französischen Klassiker "Rififi" lässt sich denken. Die Technik und Optik sind natürlich um Lichtjahre besser, aber das will nichts heißen: Auch tolle Technik kann einen langweiligen oder lächerlichen Film nicht retten (siehe "Troja", "Königreich der Himmel", "HULK" und ähnliche Flops). Das passiert Eric Canuel zum Glück nicht.
Der Regisseur von "Der letzte Tunnel" begeht nicht den Fehler, alle Ereignisse minutiös nachzustellen, sondern pickt sich nur die wichtigsten Stationen und Szenen heraus. Das reicht völlig aus, um den Bankraub zu einer hochbrisanten Angelegenheit zu stilisieren, deren Verlauf wir gefesselt folgen. Wird die schwangere Geisel mit dem Bombengürtel um den Bauch überleben? Wird Vincent Savard doch noch komplett durchdrehen? Wird es Leutnant Morisette (nicht mit Alannis verwandt oder verschwägert, schätze ich) gelingen, Smiley zu fassen? Wird Fred und Marcel die Flucht glücken?
Die DVD
Die Qualität von Bild und Ton genügen modernen Ansprüchen. Die Optik des halbdokumentarischen Thrillers sieht aus, wie man das aus den neuesten digital unterstützten Spielfilmen wie etwa "Sweat" kennt: eine Menge visueller Effekte, die etwas Dynamik in das prinzipiell langweilige Graben eines simplen Tunnels bringen. Die Musik von Michel Corriveau ist nicht melodieorientiert, sondern evoziert durch zahlreiche geräuschähnliche Klänge eine geisterhafte, gespannte Atmosphäre im Tunnel. Sie wirkt aber nie aufdringlich.
Auch die Ausleuchtung der Räume und Gesichter spielt eine große Rolle, um die Stimmung zu vermitteln: Während Maggy oft mit hellen Farben assoziiert ist, steht Marcel häufig im Halbschatten oder Dämmerlicht. Erst im Finale und ganz zum Schluss fällt das Licht frontal auf ihn: Sein Verrat an Maggy ist ebenso offenbar wie sein Verbrechen an der Bank. Was ihm als Letztes noch bleibt, ist die Treue zu seinem einzigen Freund Fred ...
Dass als einziges Bonusmaterial nur der Originaltrailer und eine Trailershow geboten werden, ist eine ziemlich schwache Leistung des deutschen Vertriebs.
Unterm Strich
Dies ist keine Anleitung zum perfekten Bankraub (obwohl ein Coup im Juli 2005 auf genau diese Weise in Brasilien gelungen ist), sondern zeigt auf, was alles schief gehen kann und muss, wenn nicht gleich am Anfang die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Am Ausgang der Sache wirken sich Marcels Fehler als Katastrophe aus und um ein Haar wäre er dabei draufgegangen.
Marcel Talon portraitiert sich selbst in diesem Streifen, an dem er mitschrieb. Und er lässt eine erstaunliche Menge Kritik zu, besonders was seine fiese Behandlung seiner Freundin Maggy anbelangt. Er scheint sagen zu wollen, dass es der Kardinalfehler eines Verbrechers ist, andere zu verraten - und als Folge davon muss er selbst verraten werden. Auge um Auge.
Der semidokumentarische Streifen ist spannend und doch realistisch, nimmt sich Zeit für zwei Nebenhandlungen: die um Maggy und die um die Bewährungshelferin. Marcel wird dadurch sehr relativiert und erscheint uns keineswegs als der Meister aller Klassen, wenn es um Bankraub geht. Die Einzigen, die etwas unklar bleiben, sind Smiley und sein Schläger Savard. Aber genau diese Unklarheit erzeugt die Spannung, ob Marcels Plan Erfolg beschieden sein wird.
Die DVD bietet perfekte Technik, aber keinerlei Dokumentationen. Auf dem Cover steht zwar, dass der Film einen Preis namens "GENIE Award 2005" erhalten hat, aber wer diesen Preis verleiht, muss man schon gefälligst selbst herausfinden, am besten mit Google. Denn nicht einmal ein klitzekleines Booklet hat man der Silberscheibe gegönnt. Das führt zu Punktabzug.
- Redakteur:
- Michael Matzer