Lauf, Junge, lauf (DVD)
- Regie:
- Pepe Danquart
- Jahr:
- 2013
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland
- Originaltitel:
- Run Boy Run
1 Review(s)
25.10.2014 | 18:59Anrührend: Jüdische Odysse durch Feindesland
Im Sommer 1942 flieht der achtjährige Srulik (Andrzej und Kamil Tkacz) aus dem Warschauer Ghetto in die Wälder. Er schlägt sich in der Wildnis durch, bis ihn der Winter vor die Tür der Bäuerin Magda (Elisabeth Duda) treibt. Sie nimmt ihn für eine Weile auf und schärft ihm ein, sich auf seinem weiteren Weg als polnisch-katholisches Waisenkind auszugeben. Srulik nennt sich fortan Jurek, wenn er bei Bauern anklopft. Manchmal erhält er Essen und Unterschlupf, aber das Gute ist nie von Dauer. Oft gerät er in höchste Lebensgefahr, rennt deutschen Soldaten davon, verliert seinen rechten Arm. Aber am Ende des Krieges hat er sogar selbst schon fast vergessen, dass er nicht Jurek ist. (Verleihinfo)
Nach einer wahren Begebenheit.
Filminfos
O-Titel: Lauf, Junge, lauf (D 2013)
Dt. Vertrieb: NFP/Eurovideo
VÖ: 25.09.2014
EAN: 4009750224977
FSK: ab 12
Länge: ca. 103 Min.
Regisseur: Pepe Danquart
Drehbuch: Heinrich Hadding, nach dem gleichnamigen Roman von Uri Orlev
Darsteller: Andrzej Tkacz, Kamil Tkacz, Elisabeth Duda, Rainer Bock u.a.
Handlung
Der achtjährige Srulik Fridman (Andrzej und Kamil Tkacz) ist auf der Flucht. Mittlerweile ist es Winter 1942 und er hat kein Dach überm Kopf, sondern nur den alten Mantel. Wie gern wäre er jetzt wieder bei Mama und Papa in Warschau. Dort hatten sie im jüdischen Schtetl einen schönen Laden, er ging zur Schule und das Leben war gut. Bis dann die Deutschen kamen und das Ghetto errichteten, in das alle Juden ziehen mussten. Von dort wurden sie einer nach dem anderen deportiert, wer weiß wohin - aber es kam keiner von ihnen zurück.
Mit einer List und der Hilfe eines Kutschers gelingt es Srulik, das Ghetto unbemerkt zu verlassen. Er traf seinen Vater draußen auf dem Land wieder. Doch das Wiedersehen war schmerzvoll, denn es war ein Abschied für immer. Vater sagte zu ihm: "Vergiss deinen Namen, mein Sohn, aber vergiss nie, dass du ein Jude bist!" Srulik versprach es ihm und nahm den Namen Jurek Staniak an.
Nach anfänglich erfolgreicher Flucht im Schutz einer Gruppe weiterer Jugendlicher strandet Srulik im Winter im Schneetreiben. Mit letzter Kraft schleppt er sich zum Bauernhof von Magda und klopft an ihre Türe. Als sie öffnet, verliert er das Bewusstsein. Er erwacht in einem warmen Bett und bekommt zu essen. Die Wochen und Monate bei Magda (Elisabeth Duda) sind die schönsten seines Lebens, denn sie bringt ihm nicht mütterliche Liebe entgegen, sondern lehrt ihn auch, die Identität des Katholiken Jurek Staniak in die Tat umzusetzen. Sie gibt ihm ein Kreuz an Anhänger und einen Rosenkranz.
Denn auch sie muss sich in Acht nehmen: Ihr Mann und ihre Söhne sind bei den Partisanen. Jederzeit können deutsche Soldaten oder SS-Leute bei ihr auftauchen und nach Partisanen oder, noch schlimmer, Juden suchen. Es ist strengstens verboten, Juden aufzunehmen oder sonst wie zu helfen. Wird ein solches Kind gefunden, erschießen es die Deutschen auf der Stelle. Deshalb lehrt ihn Magda, ihr Geheimversteck zu benutzen.
Eines Tages sagt sie, es sei für ihn zu gefährlich, und er muss gehen. Er zieht von Bauernhof zu Bauernhof. Manchmal erhält er Essen und Unterschlupf, aber das Gute ist nie von Dauer. Oft gerät er in höchste Lebensgefahr, wird schließlich von Polen an die Deutschen für eine Belohnung verkauft. Der deutsche Offizier (Rainer Bock) macht es wie alle anderen: Er will sehen, ob Srulik/Jurek beschnitten ist. Der redet sich immer erfolgreich damit heraus, dass er eine Entzündung hatte und operiert werden musste. Doch das klappt diesmal nicht. Erst als er zur Exekution abgeführt werden soll, ergreift er die Gelegenheit beim Schopf und verduftet über das Dach eines Schuppens und in die Sümpfe. Im Wasser können ihn die Spürhunde nicht riechen.
Er scheint wieder Glück zu haben, als er auf dem Gutshof der Deutsch-Polin Frau Hermann aufgenommen wird und hier für Essen arbeiten darf. Zu seinem Schrecken ist der Geliebte seiner Wohltäterin genau jener Offizier, der ihn erschießen lassen wollte. Doch der lässt Gnade vor Recht ergehen - aber wie lange noch? Das Schicksal wendet sich endgültig zum Finsteren, als Srulik mit seiner rechten Hand in das Getriebe eines Dreschwerks gerät. Er muss dringend operiert werden.
Frau Hermann und ihr Vorarbeiter rasen mit dem Auto zur nächsten Klinik. Alles ist zur Operation an Jureks Arm bereit, doch da entdeckt der Chirurg, was er da vor sich hat: "Ich operiere keine dreckigen Juden", sagt er und stapft von dannen, um die SS zu informieren.. Jureks letztes Stündlein scheint geschlagen zu haben...
Mein Eindruck
Nach dem Abschied von seinem Vater macht sich Srulik auf eine zwei Jahre währende Flucht, von Versteck zu Versteck, von Almosen zu Almosen. Sein Irrweg ist eine Odyssee, die aufgrund eines ganz bestimmten Umstandes den Charakter einer märchenhaften Legende annimmt: Wir erfahren erst ganz am Schluss, welchen Preis er für seine Flucht vor den Deutschen bezahlen musste. Dies ist sein dunkles Geheimnis. Er kann nur aufrechtgehen, indem er dieses Geheimnis ganz in seinen Hinterkopf verdrängt und möglichst selten daran denkt.
Indem der Film diese Frage bis zum Schluss offenlässt, baut er einen Spannungsbogen auf, der den Film trägt. Es ist vielleicht auch für den Zuschauer ein Schock, die Antwort auf diese Frage zu erhalten, und jeder Zuschauer sollte sich auf diesen Schock gefasst machen.
Handlungsintensive Passagen wechseln sich mit langsameren, emotionalen ab, so dass die Geschichte einen Rhythmus entwickelt, der dem Zuschauer Zeit zur An- und Entspannung lässt. Erst nach eine Weile der Entspannung ist man wieder bereit für Action, Verzweiflung und Verfolgung. Es gibt keinen emotionalen Overkill.
Die friedlichen, nährenden Sommer wechseln sich mit harten, bedrohlichen Wintern ab. Dieses Auf und Ab, Hin und Her ruft Kontraste hervor, die wichtig sind: Der Frieden ist hier die Ausnahme, und die Verfolgung die Regel. Und wenn man denkt, Srulik habe endlich eine friedliche Ecke gefunden, kommt doch wieder einer, der ihn mitnehmen will. Immer wieder habe ich mich gewundert, was so ein kleines Stückchen fehlender Vorhaut ausmacht. Jeder Feind will als erstes die Vorhaut des "Judenbengels" sehen. Das grenzt schon ans Manische.
Wenn sein Jüdischsein für Srulik eine Quelle der Gefahr ist, so findet er Zuflucht und relative Sicherheit in der angenommenen Identität als Katholik und Pole. Er beginnt, die "Legende des Überlebens" (siehe Making-of) auszuschmücken, um noch einen reicheren Tisch zu erhalten. Adolf Hitler selbst habe ihm den Arm abgehackt, phantasiert er einmal. Aber das bringt ihm fette, dicke Würste ein - was für ein Schmaus!
Allenthalben zeigt er sein von Magda erhaltenen Kreuz und den Rosenkranz. Doch als er zu ihr zurückkehrt, hilft ihm gegen die Deutschen jede Legende nichts - nur der doppelte Boden ihres Kellers. Ist es seine Schuld, dass ihr die Deutschen das Dach überm Kopf anzünden, fragt er sie? Ja, das ist eine sehr gute Frage. Sie sagt natürlich nein, aber stimmt das? Andere Polen haben ihn an die Deutschen "verkauft", aber sie hat das Gegenteil getan und sich so "schuldig" gemacht. Andere Polen helfen dem "Judenbengel". Die Schuldfrage ist bis heute virulent, denn die Antwort darauf ändert sich je nachdem, welchen Maßstab man anlegt: Gesetze, Moral, Religion, Ethnien, Philosophie, Politik usw. Mehr dazu im Making-of.
Gestört hat mich lediglich das elegische Brimborium, das um die Geschichte herumgestrickt wurde, um den Film besser vermarkten zu können. Ein Beispiel dafür ist die traurige Arie im Trailer - das muss wirklich nicht sein. Die Geschichte trägt sich selbst, und sie tragen die beiden Hauptdarsteller, die Srulik/Jurek spielen, ausgezeichnet voran.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (16:9)
Tonformat: DD 5.1
Sprachen: D, OF (Jiddisch und Polnisch mit dt. Untertiteln)
Untertitel: keine
Extras:
1) Trailer
2) Making-of
3) 2 Bildergalerien
4) TV-Spot
5) Programmhinweise (vulgo "Trailershow")
Mein Eindruck: die DVD
Bild und Ton sind von ausgezeichneter Qualität, auch wenn dies keine Blu-ray mit High Density ist. Untertitel stehen keine zur Verfügung, es sei denn man schaut sich die Originalfassung in Polnisch/Jiddisch an.
EXTRAS
1) Deutschsprachiger Kinotrailer (1:50 min)
Der Appetizer fügt eine Reihe von Filmszenen aneinander, ohne eine Story zu entwickeln. Dafür ist er gespickt mit lobenden Zitaten und unterlegt mit einer elegischen Arie. Echt nervend.
2) Making-of (60:22 min) von Marvin Hesse
Die Kardinalfrage, die sich die Produzentin, der Regisseur und der Drehbuchautor stellen mussten, war die nach der "Wahrheit", die der Film erzählen sollte. Sie hatten eine ganz besondere Verantwortung, denn der Srulik des Films wohnte leibhaftig den Dreharbeiten bei: Yoram Friedman war mit seiner Tochter Michal Shafransky Fridman extra aus Israel angereist. Sie dolmetschte für ihn. Daher spielt er während des ganzen Making-ofs eine Figur im Hintergrund, die bis zum Schluss anwesend ist. Es kam darauf an, Fridmans Beifall zu erhalten. Bei der Filmpremiere in Polen war er es, der den Applaus des Publikums einheimste. Er wirkt sehr bescheiden.
Also, welche "Wahrheit" soll's denn sein? Man will sich der "historischen Wahrheit" stellen, aber dabei nicht einen ähnlichen Fall und Film kopieren. Also Authentizität ja, so dass alle Details stimmen, aber auch eine Dramaturgie, die die "emotionale Wahrheit" vermittelt. Denn nur so wird der Zuschauer berührt.
Deshalb hat der Film auch einen deutlichen Rhythmus. Er spielt nicht ständig auf irgendwelchen Bauernhöfen, aber auch nicht ständig in der Wildnis - davon hätte niemand etwas, und es wäre nur eine Art Doku. Ein Spielfilm folgt den Regeln des Dramas, die seit der Antike bekannt sind. Außerdem: Schon Orlev, der Autor des Buchs, hat hinzugedichtet und interpretiert. Aber wenn Fridman seinen Segen zu dieser Interpretation erteilt hat, darf der Zuschauer beruhigt sein, eine valide Fassung der "Wahrheit" zu erhalten. Danquart ist ein Schlaukopf: "Der Zuschauer füllt die Lücken, die wir lassen, mit seinem eigenen Kopfkino."
Identität
Eines der zentralen Themen der Geschichte ist die Identität. Wer ist dieser Jude Srulik Fridman, der sich von heute auf morgen in den Katholiken Jurek Staniak verwandelt? Er lernt die "Legende des Überlebens", als wäre er ein Agent, der sich in Feindesland begeben muss. Das ist der eigentliche Aufreger des Films: Dass sich ein Jude unter katholischen Polen tarnen muss, um nicht an die Besatzer ausgeliefert zu werden.
Der Film müht sich redlich, die Gründe für diese Feindseligkeit herauszuarbeiten, aber viel Deutungsarbeit bleibt dem Zuschauer überlassen. Liegt es an den Gesetzen der Besatzer oder an ihrer Belohnung, dass Srulik/Jurek ausgeliefert wird, als wäre er Jehoschua von Nazareth, der erst den Pharisäern und dann den Römern ausgeliefert wurde? Oder liegt es an einem putativen polnischen Antisemitismus? Die Antwort auf diese Fragen könnte auch die Antwort auf die Frage sein, warum sich die polnische Filmförderung weigerte, irgendetwas mit diesem Filmprojekt zu tun haben zu wollen...
Zwillinge
Eine der wichtigsten Fragen beim Casting lautete: Wie schaffen wir's bloß, den Hauptdarsteller entgegen der deutschen Gesetzgebung den ganzen Tag arbeiten zu lassen? Denn jeder zusätzliche Drehtag kostet einen Haufen Geld - die Titelfigur ist ja in praktisch jeder Szene präsent. Die Lösung: zwei Hauptdarsteller! In den Tkacz-Zwillingen Kamil und Andrzej fand die Produktion ein ideales Paar, das einander wie ein Ei dem anderen gleicht. Wie sie sich unterschieden, verraten die beiden wie echte Profis im Interview.
Jede Menge Gegend
Ein weiterer wichtiger Hauptdarsteller ist die Natur. Sie hat einen janusköpfigen Charakter. Im Sommer nährt sie über zwei Jahre lang den Flüchtling und versteckt ihn, wenn's brenzlig wird. Im Winter jedoch bedroht sie ihn mit Kälte und Hunger. Die Wälder und Sümpfe fand die Crew in Bayern, Hessen und unweit Berlins. Hervorzuheben ist der Reinhardswald, der seit rund 100 Jahren Naturschutzgebiet und somit nahezu Urwald ist. Das sieht man auch, und es wirkt sehr echt.
Das Schtetl
Warschau und der Rest Polens hatte vor der deutschen Invasion eine reiche Kultur jüdischer Prägung. Hier wird Jiddisch gesprochen, die Leute gehen in die Synagoge, der Rabbi geht vorüber, und Jungs erhalten die Beschneidung, die mit der Bar Mitzwa gefeiert wird. Authentisch wird diese Kultur auf zwei Ebenen. Das Warschauer Schtetl ist wahrscheinlich aufgebaut worden, doch das "Ghetto" fand man in alten Straßen Breslaus. Dazu spielt fröhliche jiddische Musik.
Die andere Ebene ist Sruliks Sprache: Die ist auch in der deutschen Fassung Jiddisch. Das wird im Finale wichtig, als ein Vertreter des "jüdischen Waisenhauses" auf einen Hof kommt, um "Jurek" abzuholen und nach Israel, das Gelobte Land, zu bringen. Sie unterhalten sich miteinander mal auf Jiddisch, mal auf Polnisch.
Politisch
Die deutschen Machern lassen ihren polnischen Schauspielern wohlweislich den Vortritt. So erfahren wir, dass es in Polen eine revisionistische Bewegung gibt, die die glorifizierende Propaganda der 1950er und 1960er Jahre überwinden will. Das hat zu jeder menge Empörung geführt. Was, wir Polen sollen Antisemiten gewesen sein? Wie groß ist die Schuld der Väter und der Mütter, besonders was die Judenverfolgung, -vernichtung und Konzentrationslager angeht?
Ein anderer Schauspieler ist dankbar für die, wie er sagt, "objektive Darstellung", auch von polnischen Kollaborateuren wie dem Chirurgen, der sich weigerte, Sruliks Hand zu operieren. Danquart resümiert, dass sein Film "keinen Schmusekurs bezüglich der politischen Darstellung fährt". Dass er mit polnischen Schauspielern zustande kam und teils in Polen selbst gedreht werden konnte, sei "Ausdruck des Zusammenwachsens der beiden Völker".
3) 2 Bildergalerien
a) Set-Fotos (1:25 min)
Diese selbstablaufende Diaschau, die mit Musik unterlegt ist, zeigt Filmszenen in HD-Qualität.
b) Team-Fotos (1:25 min)
Diese selbstablaufende Diaschau, die mit Musik unterlegt ist, zeigt vierfarbige und schwarzweiße Fotos von den Dreharbeiten, so etwa die zwei Hauptdarsteller, die Crew und den Regisseur.
4) TV-Spot (00:12 min)
Dieser Spot gibt nur wieder Impressionen wieder und ist sehr verzichtbar.
5) Programmhinweise (vulgo "Trailershow")
a) Hannah Arendt
b) Besser als nix
c) Das Leben ist nichts für Feiglinge
d) Fill the Void - An ihrer Stelle (Handlung spielt unter strenggläubigen Juden)
e) In Darkness (in den Tunneln des Warschauer Ghettos), von Agnieszka Holland
f) Lunchbox (siehe meinen Bericht)
g) Kathedralen der Kultur (6 Kurzfilme von 6 Regisseuren, u.a. von Wim Wenders und Robert Redford)
Unterm Strich
Filme über den Krieg und die Judenverfolgung in Polen gibt es inzwischen reichlich. Man denke etwa an Polanskis "Der Pianist" oder A. Hollands "In Darkness" (s. Trailershow). Zu erwähnen ist vielleicht auch A. Wajdas "Katyn". Aber die Deutschen glänzten in diesem erlauchten Zirkel eher durch Abwesenheit. Umso interessanter ist Pepe Danquarts Beitrag, der auf einem biographischen Roman beruht. Die Frage ist, wie "wahrhaftig" und "politisch korrekt" solch ein deutscher Film über einen polnischen Juden sein darf, kann oder muss. Mehr dazu im Making-of: Die Macher haben sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt.
Mir ist jedenfalls die Geschichte und ihre Erzählweise nie als sonderbar oder gar einseitig propagandistisch aufgefallen. Im Gegenteil werden Polen, Deutsche und Juden recht objektiv und neutral dargestellt, ohne sich für eine Seite zu entscheiden. Auf welcher Seite der Zuschauer zu stehen hat, ist von vornherein klar: auf der des Kindes. Diesem Verfolgten, Schwachen gehört unsere bedingungslose Sympathie. Jedes Mal, wenn sein Leben in Gefahr gerät, halten wir den Atem an vor Anspannung. Aber es gibt auch heitere und entspannende Szenen. Dieser Wechsel ist kennzeichnend für die Erzählweise.
Einen Spannungsbogen gibt es allerdings für die Odyssee des Jungen, die zwei Jahre währt. Wie schon erwähnt, erfahren wir lange nicht, was aus seinem Vater wurde. Welches Geheimnis trägt der Junge mit sich herum? Die Antwort erfahren wir erst gegen Schluss, und der Zuschauer sollte sich auf einen Schock gefasst machen. Der Drehbuchautor hat diese Erzählstruktur, die aus vielen Rückblenden besteht, sehr geschickt aufgebaut, doch dieses zentrale Stück Information hält er bis zum Schluss zurück.
Die DVD
Die Silberscheibe erfreute mich mit sehr guter Bild- und Tonqualität, obwohl dies keineswegs eine Blu-ray ist. Auch die enorme Länge des Making-ofs überraschte mich. Man hätte es vielleicht in einzelne Komplexe zerlegen sollen, aber na gut: Es stammt von einem einzigen Macher und ist somit aus einem einheitlichen Guss. Erstaunlich viel Philosophie und Politik sind darin enthalten - was bei diesem Thema naheliegt. Die Fotogalerien sind interessante Ergänzungen.
Michael Matzer (c) 2014ff
- Redakteur:
- Michael Matzer